“Wir kämpfen ums Überleben”

von Catrin Guntersdorfer

Bis mindestens zum 7. März bleibt es beim Lockdown. Nur die Friseure dürfen eine Woche vorher, am 1. März öffnen. Als neues Etappenziel gilt nicht mehr 50, sondern 35 bei der 7-Tage-Inzidenz. Ein schwerer Schlag – auch für unsere Gewerbetreibenden. Wir haben uns vor Ort umgehört und um ein Statement gebeten (Titelfoto: adobestock / Axel Bueckert).

 

Katharina Patrini von “Feine Haut” ist sinksauer auf die Politik.

Katharina Patrini, Kosmetikstudio Feine Haut, Baldham 

„Ich bin stinksauer auf diese Regierung. Wenn die uns schon ein Berufsverbot aussprechen, dann sollen die uns wenigstens dafür entschädigen. Ich habe mit meiner Steuerberaterin alle Anträge (soweit möglich) ausgefüllt und alle Hilfen beantragt. Doch was ist passiert? Nichts! Ich lebe derzeit nur von Ersparnissen (zum Glück habe ich ein bisschen was zur Seite gelegt – eigentlich für schlechte Zeiten wie Krankheit etc.), doch auch meine Reserven sind endlich. Seit November haben wir Kosmetikerinnen zu! 6 Monate insgesamt mit dem Lockdown vom Frühjahr und das war’s wohl noch nicht. Es wird immer viel gesprochen und nichts getan. Wir Beauty’s werden total vergessen. Aber was für den einen nur „Beauty“ ist, ist für mich und meine Familie unsere Existenz!“

 

Martina Hasenöhrl, amabile, Vaterstetten 

„Bei uns sieht es langsam schlecht aus. Aber ich halte mich jetzt einfach an den 7. März und versuche bis dahin unseren Online-Verkauf weiter auszubauen. Das kann man natürlich nicht mit dem normalen Geschäft vergleichen. Geld habe ich noch keins beantragt, da wir im Dezember ja noch offen hatten. Ich bin ein positiv denkender Mensch und denke: „Wir kriegen das schon hin!” Trotzdem glaube ich, dass man einige Regelungen für den Einzelhandel anders hätte gestalten können, beispielsweise dass eben nur zwei Kunden in den Landen kommen können. In den S-Bahnen geht es ja auch, dass mehr Menschen zusammenkommen.“

 

Indira Kudic (r.) mit ihrem Bondeno-Team. Foto: Dominik Münich Photography

Indira Kudic, Bondeno, Baldham

„Wir sind einerseits natürlich sehr froh, dass wir am 1. März endlich wieder öffnen dürfen, da wir jetzt schon über zwei Monate einen finanziellen Totalausfall haben. Andererseits wäre es mir aber lieber – vorausgesetzt wir würden Hilfe bekommen – wenn wir noch zwei Wochen länger zu lassen, bis die Zahlen gut sind, um nicht noch einen dritten Lockdown zu riskieren. Eigentlich wurden ja Soforthilfen versprochen. Von “sofort” kann aber keine Rede sein. Man kann noch nicht einmal etwas beantragen. Ich wäre ohne meinen Mann an meiner Seite wirklich aufgeschmissen. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich sehe, wie manche meiner Kollegen sich nicht einmal mehr Lebensmittel leisten können. Wir kriegen derzeit wirklich keinen Cent.“

 

Timo Kühne, Landlust, Vaterstetten

„Wir verstehen die Entscheidung zur Verlängerung wirklich nicht mehr. Gastronomie und Hotellerie waren doch wirklich nicht die Brandherde. Die Stimmung ist bei uns zwar noch okay, da bei den Leuten vor Ort und in der Umgebung unser Essen „To Go” gut angenommen wird, aber trotzdem steht uns das Wasser langsam bis zum Hals. Außerdem ist dieser Service ja eigentlich nicht das, was wir den Kunden bieten wollen. Minimal gab es im letzten Jahr bereits Hilfen, die waren aber auch schnell aufgebraucht.“

 

“Wir kämpfen ums Überleben” sagt Simon Unterstell (r.) von Vitalytic. Foto: Ilona Stelzl

Simon Unterstell, Vitalytic, Baldham 

„Die Verlängerung war zu erwarten, wobei ich auf Ende Februar gehofft hatte, aufgrund der positiven Entwicklung der Corona-Zahlen. Das nun nochmal 4 Wochen Lock-Down-Phase dazu kommen ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn ich die letzten 12 Monate betrachte, dann haben wir davon 5 Monate unseren Betrieb mit Einschränkungen geöffnet und 7 Monate geschlossen. Ohne Worte. Wir kämpfen Monat für Monat ums Überleben und werden nicht aufgeben. Ich möchte aber an dieser Stelle auch unsere Stammkunden erwähnen und ihnen danken, denn ohne deren Unterstützung würden wir es nicht schaffen.“

 

“Jammern hilft nix”: Christoph Hofherr, der Wirt vom Altschütz.

Christoph Hofherr, Beim Altschütz, Baldham

Jammern hilft nichts – da bin ich auch gar nicht der Typ dafür. Außerdem gibt es Branchen, bei denen sieht es noch düsterer aus und da verstehe ich die Lockdown-Verlängerung wirklich nicht – beispielsweise beim Einzelhandel. Würden wir jetzt öffnen dürfen, würde eh nur die Hälfte der Gäste kommen, da die anderen doch Angst haben. Aber natürlich würden wir gerne endlich wieder Gäste bedienen und nicht nur eine Art Kiosk betreiben. Ich setze meine Hoffnung auf den Sommer, denn seien wir ehrlich: auch Ende März werden wir nicht öffnen dürfen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.“

 

Jutta Wanderer, Caruso Mode, Baldham

„Einige Entscheidungen stoßen bei mir auf absolutes Unverständnis. Wieso darf bei uns nicht wenigstens ein Kunde in den Laden, wenn wir mit ihm einen Termin ausmachen. Es ist erbärmlich, wenn wir sie vor der Türe in der Kälte warten lassen, damit sie ihr Tütchen abholen können, das sie über Click&Collect bestellt haben. Die Kunden würden mit Freuden zu Einzelterminen in unseren Laden kommen – auch mit FFP2-Maske. Da würde niemanden etwas passieren. Wieso spricht das niemand an, auch nicht der Handelsverband? Wir haben Kurzarbeitsgelder für unserer Mitarbeiter beantragt, aber das dauert auch alles ewig.“

 

Lourdes María Ros de Andrés, die Leiterin und Geschäftsführerin der VHS Haar.

Lourdes María Ros de Andrés, Leiterin und Geschäftsführerin VHS Haar

„Auch wenn wir natürlich Verständnis für die Verlängerung des Lockdowns haben, freuen wir uns sehr darauf, wenn sich unsere Häuser wieder mit Leben füllen! Das neue Semester startet am 1. März. Die Anmeldungen laufen online und telefonisch sehr gut an. Zunächst werden alle „hybriden“ Kurse online starten und sobald es wieder möglich ist in den Präsenzmodus wechseln. Unser Dank geht an die Gemeinde Haar, die uns mit einem großzügigen Sonderzuschuss im letzten Jahr gerettet hat. Auch der Freistaat hat die bayerischen Volkshochschulen mit einem Rettungsschirm unterstützt, außerdem haben wir für einige Monate Überbrückungshilfen vom Bund erhalten. Unser besonderer Dank gilt auch unseren vielen Teilnehmern, die uns ihre Kursgebühren gespendet haben! Sollte der Lockdown über den 7. März hinausgehen, werden wir wieder mit großen Einbußen zu kämpfen haben. Bei den Hilfen dürfen wir nicht hinten runterfallen!“

 

 

Patrizia Schukowski, Büchereileitung Gemeindebücherei Vaterstetten

Patrizia Schukowski, Büchereileitung Gemeindebücherei Vaterstetten (Foto: Gemeindebücherei)

Nach langem Hin und Her sind wir Bibliotheken sehr froh darüber, dass wir seit ein paar Wochen einen Click-&-Collect-Service anbieten dürfen! Logistisch ist das natürlich ein ganz anderer Aufwand als unsere „normale“ Ausleihe – jedes einzelne bestellte Medium muss von uns per Hand herausgesucht und verbucht werden. Dazu kommt die Terminvergabe mit den Kunden – die aber Gott sei Dank sehr reibungslos verläuft! Unsere Leser und wir sind dankbar für die Möglichkeit, dass wir diesen Service anbieten dürfen – wir würden uns aber auch auf eine Perspektive freuen, dass wieder ein bisschen Normalität für Bildungs- und Kulturbetriebe einkehrt und wir unsere jetzt pausierenden Angebote wieder anbieten dürften. Momentan sind natürlich keine Klassenbesuche, keine Veranstaltungen und kein Aufenthalt möglich…

 

 

 

Das Ehepaar Eleonora Patrasso und Giuseppe Marsico aus Kalabrien sind die Gastgeber im Modesto’s in Baldham.

Giuseppe Marsico, Modesto´s, Baldham

„Wir kommen zur Zeit noch gut über die Runden, aber wir haben ehrlich gesagt auch schon Hilfen bekommen. Sowohl für November, auch den ersten Teil von Dezember. Da geht es anderen bestimmt schlechter. Ich denke, es ist richtig, den Lockdown nochmal zu verlängern, denn wenn wir jetzt aufmachen und dann in einem Monat wieder zu, ist das noch schlimmer. Ich kenne mich bei Pizza und Pasta hervorragend aus, erlaube mir aber kein Urteil, was man in der Politik besser machen könnte. Ich denke, Frau Merkel wird die richtigen Entscheidungen treffen und weiß, was sie tut.“

 

 

 

 

 

Hier weitere Details zu den Regelungen, die nun bis mindestens zum 07. März gelten:

Maskenpflicht: Das Tragen von FFP2- Masken oder einem vergleichbaren Standard ist in Geschäften und den öffentlichen Verkehrsmitteln weiterhin verpflichtend.

Kindereinrichtungen und Schulen: Die einzelnen Länder sollen selbst über die Schulöffnungen entscheiden. Hier ist eine Sitzung für morgen (12.02.) geplant. Generell soll aber die Öffnung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche Priorität haben. Des weiteren sollen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern prüfen, ob Betreuer und Grundschullehrerinnen beim Impfen eine höhere Priorität erhalten sollen.

Kontaktbeschränkungen:  Auch die nächsten drei Wochen soll man sich privat nur mit jeweils einer weiteren Person außerhalb des eigenen Haushalts auf einmal treffen. Der Kreis dieser Menschen sollte möglichst klein gehalten, Zusammenkünfte in Innenräumen vermieden werden.

FRISEURE: Friseure dürfen ab dem 1. März wieder öffnen,  müssen jedoch die Kundenzahl regulieren, FFP2-Masken tragen und Hygienestandards einhalten.

REISEN: Von privaten Reisen, die nicht dringend notwenig sind wird abgeraten

HOMEOFFICE: Arbeitgeber müssen Beschäftigten das Arbeiten im Homeoffice erlauben, soweit ihre Tätigkeiten dies zulassen.

Erst wenn die Inzidenz stabil unter dem Wert von 35 bleibt, sind wohl weitere Öffnungsschritte vorgesehen, dann sollen auch Einzelhandel, Museen oder Galerien  wieder geöffnet werden. Für die Lockerungen der Regeln, die Sport, Kultur und auch Gastronomie betreffen, wurde auf der gestrigen Sitzung davon gesprochen, dass Bund und Länder eine “sichere und gerechte Öffnungsstrategie” entwickeln wollen.