Amtseinführung von Gerd Jansen

von Markus Bistrick

Durch Handauflegung und Gebet des Erzbischofs Kardinal Marx wurde Baubetriebshofleiter Gerd Jansen aus Vaterstetten am Samstagvormittag (5.10.) im Dom “Zu unserer Lieben Frau” in München zum Diakon geweiht. Die feierliche Amtseinführung fand dann am heutigen Sonntag (6.10.) um 9.45 Uhr in der Pfarrkirche “Zum Kostbaren Blut Christi” in Vaterstetten statt.

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Bürgermeister Martin Wagner, Diakon Gerd Jansen und Landrat Robert Niedergesäß nach der Zeremonie in Vaterstetten.

Anfang der 90 Jahre veränderte eine gesundheitliche Krise das Leben von Gerd Jansen schlagartig. Nicht äußerlich, sondern innerlich ist der Baubetriebshof-Leiter der Gemeinde Vaterstetten seitdem ein anderer Mensch. Das sind die Wendepunkte, von denen die Kirche lebt. Und so geht der 50-Jährige nun als Gehilfe der Apostel seinen Weg. Ab sofort kümmert sich der leidenschaftliche Motorrad-Fahrer genauso um die Armen, Bedürftigen und Kranken wie um saubere Straßen, sichere Spielplätze und ein grünes Gemeindebild. Das klingt vielleicht etwas durchgeknallt. Doch ein persönliches Gespräch schafft, wie so oft, Klarheit.

Gerd Jansen, ein freundlicher Mann mit ergrautem Haarkranz und gepflegtem Drei-Tage-Bart, lässigem Gewand und Vater eines Sohnes führt in sein Arbeitszimmer. Am Föhrenweg 2 am Ortsende- oder Ortsanfang – wie man‘s nimmt – von Vaterstetten, leuchten Teelichter, klingeln ständig Telefone, klopfen immer wieder Mitarbeiter an, während sich ein dezenter Springbrunnen hartnäckig plätschernd um Entspannung bemüht und die Bibel im Bücherregal mit der Straßenverkehrsordnung kuschelt. Seit etwas mehr als zehn Jahren ist der gebürtige Niederrheiner nun Leiter des Baubetriebshofs in Vaterstetten und damit unter anderem verantwortlich für Wertstoffhöfe, Schulen, Hallenbad und Verkehrssicherheit. Was der liebe Gott damit zu tun hat? Das haben wir uns auch gefragt.

Etwa 2000 Jahre nach Christi ist Gerd Jansen auf der Suche nach Arbeit und die südlichste Gemeinde seiner verschickten Stellengesuche erhört ihn: Vaterstetten. Nach seiner Hochzeit 1986 zog es den studierten Landschaftsbauer zunächst nach Goldenstedt. Eine kleine, niedersächsische Gemeinde mit rund 9000 Einwohnern. Idyllisch gelegen zwischen dem katholischen Niederstift Münster und den protestantischen Gebieten Braunschweig, Lüneburg und Hannover. Gerd Jansen ist damals Ende 20, ein Zeitsoldat. Er arbeitet als Elektroniker bei der Luftwaffe, später wird er Ausbildungsleiter Der passionierte Biker lebt ein Leben wie es die meisten von uns leben. Familie, Beruf, Alltag, Urlaub, Mühsal. Ein Leben mit Höhen und Tiefen, unübersichtlich, aber eigentlich doch ein feines Zuhause. Bis zu jenem Tag Anfang der 90er Jahre, als  er plötzlich krank wird.

Kurz darauf, wieder genesen, ruft ihm die Dorfkirche im Vorbeigehen – unterbewusst – zu. Einmal, zweimal, immer wieder. Er folgt seinem Gefühl und dem Ortspfarrer, der sagt: „Lieber Gerd, das ist eine klassische Berufung. Gott klopft an die Tür und es ist unsere Freiheit, ob wir die Türe öffnen.“ Gerd öffnet und folgt – wie er sagt – dem Ruf seines Herzens. Rund 23 Jahre später, am 5. Oktober 2013, wird der Familienvater in München zum Diakon geweiht. „Da braucht es eine Ehefrau mit Verständnis, die hinter ihrem Mann steht. Denn es hat schließlich keinen Sinn, wenn du nach einigen Jahren Diakon bist und geschieden. Ich habe immer alles mit meiner Frau besprochen. Ohne sie geht es gar nicht.“ Das klingt mit ziemlicher Sicherheit wesentlich einfacher, als es für Familie Jansen in den vergangenen sechs Jahren war. Denn Diakon wird man nicht nebenbei. „Die Ausbildung ist sehr umfangreich, erst Theologie im Fernstudium und dann viele Wochenenden und Ausbildungseinheiten abends und tageweise.“

Getreu dem Motto: „Du weißt, was du erwartest, aber du weißt nicht, was dich erwartet“, hat Gerd Jansen eine Lichtung gefunden, auf der es hell genug ist, um zu erkennen, was man aus der wuchernden Pracht, aus diesem Leben, alles machen kann. Denn:

„Deprimiert sind genügend Leute, das bringt die Welt nicht weiter. Wenn man an die Leute denkt, die wirklich im Dreck leben, denen es wirklich beschissen geht, kann man nur sagen, dass das Leben, das wir führen, traumhaft ist. Wenn die Welt tatsächlich, wie es manche behaupten, nur Elend, Schmerz und Mühsal ist, ist alles, was nicht so ist, ein Grund zur Freude.“

Grund zur Freude hat Gerd Jansen genug, denn wer kann schon von sich behaupten, seinen Weg gefunden zu haben. Die meisten von uns glauben nur, was sich mit unserem Weltbild deckt, was wir verstehen. Wir glauben, was wir wissen. Wissen basiert auf Erinnerung und Erfahrungen, das sorgt dafür, dass die Glaubwürdigkeit den Glauben ablöst. Das war übrigens auch bei Gerd Jansen so, bis es zu der Lebenswende kam. Insofern kann er Zweifler bestens verstehen. Zumal der 50-Jährige kein Mensch ist, der zwanghaft die Welt verbessern muss. Vielmehr hat Gerd Jansen eine eigene Meinung und vertritt diese auch durchaus selbstbewusst. Das mag bisweilen für das Gegenüber unbequem sein, doch ganz ehrlich: Wem glauben wir mehr: einem, der immer nur gute Laune verbreitet? Oder einem, der auch mal schlechte Nachrichten verkündet und offen sagt, was er denkt?

Gerd Jansen in der Werkstatt im Baubetriebshof am Föhrenweg.

Für mich ganz persönlich machen die Deutlichkeit der Sprache, vor allem aber die Tiefe und die Wärme der Worte, jede Begegnung mit Gerd Jansen zu einer Bereicherung – und auch das sei an dieser Stelle gesagt: Das gilt ausdrücklich und uneingeschränkt auch für Menschen, die der Kirche etwas ferner stehen. „Mein Verhalten ist natürlich stark vom Glauben geprägt. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Das heißt aber nicht, dass alles Friede, Freude, Eierkuchen und Kuschelkurs ist“, erklärte Gerd Jansen jüngst in einem Gespräch mit einem Zeitungskollegen. Ich, Markus Bistrick, also der Autor dieser Zeilen sagt: „Vielleicht war es einer der größten Fehler der christlichen Kirche, aus einem über allem schwebenden Ungetüm einen lieben Gott zu machen, eine Art Kuschelkissen mit Beichtfunktion. Denn hätte die Kirche auf das Wir-haben-uns-alle-lieb-Christentum verzichtet, wer weiß, vielleicht hätte sie dann weniger mit Glaubwürdigkeit zu kämpfen.“ Fakt ist: Der Glaube kann Berge versetzten. Vor allem übrigens der Glaube an sich selbst.