Obst gegen Widerstand

von Markus Bistrick

“Mirabellen-Hof”, “Kirsch-Anger” oder “Quitten-Hof” – was klingt wie selbst gebrannte Schnapssorten vom Reitsberger-Hof sind die neuen Straßennamen für das Baugebiet “Vaterstetten West und Nordwest”. Mehrheitlich hat sich der Vaterstettener Gemeinderat am Donnerstagabend (19.01.) gegen die Anträge der Grünen und von Manfred Schmidt entschieden und sich statt für Widerstandskämpfer für “Streuobst” entschieden.

Die Baumaßnahmen für das neue Wohngebiet in Vaterstetten sind seit ein paar Monaten voll im Gange. Jetzt haben auch die Straßen dort einen Namen. (Foto: B304.de/Moritz Steidl)

“Der Kerngedanke für die Namensgebung war zum einen, dem Gebiet eine einheitliche Struktur bzw. einen „roten Faden“ zu verleihen, zum anderen erinnern die Straßennamen an die gemischten Streuobstwiesen, die das Gebiet umranden sollen”, heißt es in der Beschlussvorlage der Gemeindeverwaltung, die mit der Gegenstimme von Manfred Schmidt (FBU) verabschiedet wurde. Demnach werden die Straßen im neuen Wohngebiet “Vaterstetten West und Nordwest” wie folgt benannt:

  • Haupterschließungsstraße: „Pfarrer-Aigner-Allee“
  • Stichstraße 1: „Mirabellen-Hof“
  • Stichstraße 2: „Kirsch-Anger“
  • Stichstraße 3: „Nuss-Anger“
  • Stichstraße 4: „Birnen-Anger“
  • Stichstraße 5: „Quitten-Hof“
  • Einheimischenmodell: „Obstwinkel“
  • Gewerbe: „Walter-Bromberger-Ring“
  • Stichstraße der Fasanenstr.: „Spatzenweg“

Die Grünen hatten stattdessen bekannte Widerstandskämpfer wie die Geschwister Scholl oder Georg Elser vorgeschlagen, waren jedoch gescheitert. So erging es auch dem Antrag von Manfred Schmidt, der ebenfalls Widerstandskämpfer vorgeschlagen hatte – nicht zuletzt als eine Art Wiedergutmachung für die Baldhamer “Karl-Böhm-Straße”. Denn der Dirigent Karl Böhm sei zwar kein NSDAP-Mitglied gewesen, gelte aber als Profiteur des Dritten Reichs.

Der Gemeinderat folgte jedoch dem Vorschlag der Verwaltung, auch weil Dirigenten, Komponisten und Pflanzen bei der Straßenbenennung in Vaterstetten eine lange Tradition hätten, wie CSU Fraktionschef Dr. Michael Niebler deutlich machte.

Zur Versöhnung einen “Korbiniansapfel”

Die Brücke schlägt letztlich der Vorschlag zur Benennung der Haupterschließungsstraße nach Pfarrer Korbinian Aigner. 1908 gründete er gemeinsam mit Weber Franz Hausladen den Hohenpoldinger Obstbauverein. 1930 wurde Pfarrer Korbinian Aigner zum Präsidenten des Obst- und Gartenbauvereins Oberbayern gewählt. Neben dem Obstbau war Aigner auch sehr an der Tagespolitik interessiert. 1916 war er der Bayerischen Zentrumspartei beigetreten. 1923 besuchte er interessehalber eine Veranstaltung der NSDAP und hörte dort auch eine Rede von Adolf Hitler. Seit dieser Zeit kämpfte er gegen den Nationalsozialismus. Gerade in seinen Predigten bezog er eindeutig Stellung wofür er mehrfach verhaftet wurde. Am 03.10.1941 wurde er in das Konzentrationslager Dachau verlegt. In Dachau widmete er sich wieder seiner großen Leidenschaft, den Äpfeln. Im Oktober 1945 wurde er zum Landesvorsitzenden des Bayerischen Landesverbandes für Obst- und Gartenbau gewählt. Im Oktober 1966 verstarb er in Freising. Pfarrer Korbinian Aigner wurde mit dem Bayerischen Verdienstorden und der Bayerischen Staatsmedaille in Gold ausgezeichnet. Die bis heute gezüchtete Sorte KZ-3 wurde im Jahr 1985 zum 100. Geburtstag Aigner offiziell „Korbiniansapfel“ getauft.

(Symbolfoto: Fotolia.de / Picture-Factory)