An diesem Sonntag (29.3.) entscheidet eine Stichwahl zwischen Maria Wirnitzer (SPD) und Leonhard Spitzauer (CSU) über die Nachfolge des scheidenden Bürgermeisters Georg Reitsberger. Doch das Corona-Virus hat nicht nur den Wahlkampf beeinflusst, sondern auch die Ausgangslage für den künftigen Chef im Vaterstettener Rathaus. Wir haben bei beiden Kandidaten (natürlich schriftlich) nachgefragt.
B304.de: Wir sind alle aufgefordert, daheim zu bleiben: Wie bestimmt das Corona-Virus gerade Ihren ganz persönlichen Alltag?
Maria Wirnitzer: In den letzten Wochen und Monaten musste meine berufliche Tätigkeit häufig zurückstehen. In der derzeitigen Situation ist der Wahlkampf nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Deshalb verbringe ich die überwiegende Zeit im Büro, um Planungen fertigzustellen. Ich bin dankbar, dass unser Sohn, der im Master-Auslandssemester ist, wohlbehalten aus Paris zurückgekehrt ist. Soziale Kontakte sind im Wesentlichen auf die Familie beschränkt. Aber es gibt ja auch noch Telefon und Internet, über die ich mit vielen Bürgerinnen und Bürgern weiterhin im Austausch stehe.
Leonhard Spitzauer: Der Wahlkampf hat sich durch das Corona-Virus an den Schreibtisch verlagert. Ich pflege die Social-Media-Kanäle und beantworte Emails. Besonders freue ich mich darüber, dass meine Telefonsprechstunde so gut angenommen wird. Auch als Feuerwehrkommandant war ich die letzten Tage gefordert, da wir uns auf die besondere Lage einstellen mussten.
Viele Themen, die den Wahlkampf zunächst bestimmt haben, erscheinen aus heutiger Sicht fast belanglos. Wenn Sie gewählt werden, wie haben sich Ihre Ziele für die Gemeinde durch die Corona-Krise verändert?
Leonhard Spitzauer: Die Gemeindefinanzen standen schon vor Corona weit oben auf meiner Agenda. Durch die Krise rechnet der Gemeindekämmerer mit erheblichen Mindereinnahmen, die wir jetzt noch nicht abschätzen können. Wir den gemeindlichen Haushalt insgesamt auf den Prüfstand stellen und die Ausgaben durchpriorisieren. So müssen zum Beispiel geplante Straßensanierungen zurückgestellt werden.
Maria Wirnitzer: Ohne Zweifel muss die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger oberste Priorität haben. Noch weiß niemand, wie lange die Krise uns begleiten wird und wie stark ihre Auswirkungen uns treffen werden. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, dass die Verwaltung funktioniert und als Ansprechpartner und Unterstützer zur Seite steht. Die Bürgerinnen und Bürger müssen umfassend und regelmäßig über die aktuelle Situation und anstehende Maßnahmen informiert werden – über das Internet und Printmedien, aber auch über Hauswurfsendungen, da nicht alle Menschen Zugang zum Internet haben. Es wird vordergründig darum gehen, den Gemeindehaushalt zu stabilisieren. Um einen Überblick zu bekommen ist nach Überwindung der Krise zunächst ein Kassensturz notwendig. Wir werden parteiübergreifend eine Agenda erarbeiten, um die Richtung bis 2026 und darüber hinaus vorzugeben, bisherige Ziele auf Machbarkeit überprüfen, bzw. eine Priorisierung vornehmen. Pflichtaufgaben, wie z. B. die Gewährleistung der Kinderbetreuung, haben natürlich immer Vorrang vor freiwilligen Leistungen. Was aber nicht bedeutet, dass an drängenden Themen, wie der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder der Energiewende nicht festgehalten wird.
Welche konkreten Maßnahmen sollten seitens der Gemeindeverwaltung dringend ergriffen werden?
Maria Wirnitzer: Der erste Schritt sollte sein, ein Bürgertelefon im Rathaus einzurichten, um einen Ansprechpartner für Fragen der Bürgerinnen und Bürger zu haben. Ganz wichtig ist eine laufende Aktualisierung der Webseite. Nicht alle sind über Internet und Zeitung erreichbar, deshalb sollten zusätzlich die wichtigsten Informationen über Hauswurfsendungen erfolgen. Darüber hinaus könnte die Gemeinde einen Einkaufsdienst für Menschen aus der Risikogruppe oder in Quarantäne organisieren bzw. bessere Möglichkeiten der Vernetzung unter freiwilligen Helfern schaffen. Bisher gibt es eine Teststation in der Stadt Ebersberg. Wir sind mit über 24.000 Einwohnern die größte Gemeinde im Landkreis. Wenn die Zahl der Infizierten weiter in der prognostizierten Geschwindigkeit zunimmt, wäre es aus meiner Sicht dringend geboten in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und ggf. örtlichen Arztpraxen ähnlich wie in Haar auch in Vaterstetten eine mobile Covid-19 Teststation vorzusehen, um weitere Ansteckungen am Arbeitsplatz oder im Wartezimmer der Arztpraxis zu vermeiden. Diesbezüglich habe ich mich bereits in einem Brief an Bürgermeister Georg Reitsberger gewandt.
Leonhard Spitzauer: Das Rathaus hat schon erste Schritte unternommen, wie z.B. die Stundung von Gewerbesteuervorauszahlungen. Nach der Wahl sind vor allem drei Dinge anzugehen: Aufrechterhaltung der kommunalen Versorgung (Abfallwirtschaft, dringende Behördengänge sollen online erledigt werden können, etc.), Unterstützungsmöglichkeiten für Gewerbetreibende (Initiative „Wir kaufen vor Ort ein!“) und die Aktualisierung des gemeindlichen Haushalts und Überarbeitung des Finanzplans (Konzentration auf das Wesentliche)
Bereits jetzt bangen viele Betriebe – klein wie groß – auch in unserer Gemeinde ernsthaft um ihre Existenz. Wie kann und sollte die Gemeinde Vaterstetten jetzt helfen?
Leonhard Spitzauer: Wie oben bereits erwähnt, müssen wir eine Initiative „Wir kaufen vor Ort ein!“ aufsetzen. Hier müssen wir darauf drängen, dass die Kaufkraft nicht komplett in den Onlinehandel geht, sondern auch unsere Gewerbetreibenden vor Ort überleben können. Die Gemeinde kann konkret mit Informationsangeboten (Lebendiges Vaterstetten, Internetseite, Anzeigen) unterstützen.
Maria Wirnitzer: Oberstes Ziel muss sein, den Betrieben über die Krise hinweg zu helfen und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu erhalten. Der Bürgermeister/die Bürgermeisterin und die Mitglieder des aktuellen und künftigen Gemeinderats sind über die Parteigrenzen hinweg zum gemeinsamen Handeln verpflichtet. In der Krise zeigen sich viele örtliche Betriebe kreativ und erfinderisch. Einzelhändler setzen vermehrt auf Online-Handel, Restaurants auf Lieferdienste und Abholstationen. Dazu existiert bereits eine Liste von b304.de. Die Gemeinde sollte diese auf ihrer Webseite verlinken sowie im ‚Lebendigen Vaterstetten’ über die bestehenden Angebote informieren und werben. Ich appelliere an alle, nicht bei Amazon zu bestellen sondern bei den Geschäften vor Ort. Darüber hinaus setze ich mich für ein Gutscheinportal ein. Damit können Kunden örtliche Betriebe jetzt unterstützen und den Gutschein später einlösen. Zudem ist eine Hotline und ein fester Ansprechpartner in der Gemeindeverwaltung vorzusehen, der den Betroffenen bei der Beantragung von finanziellen Hilfen beratend zur Seite steht. Sicherlich gibt es weitere gute Ideen, die im Rahmen eines runden virtuellen Tisches von Gewerbetreibenden und Vertretern der Gemeinde gebündelt werden könnten.
In Zeiten von Corona stand und steht die Durchführung der Kommunalwahl – u.a. wegen dem Schutz der Wahlhelfer – in der Kritik: Können Sie die Forderung einiger nach einer Verschiebung der Wahl nachvollziehen?
Maria Wirnitzer: Den Wunsch kann ich nachvollziehen, die Wahl am 15. März hätte bereits verschoben werden müssen. Gesundheit ist unser höchstes Gut, und das gilt auch für die Wahlhelfer. Jetzt ist es so wie es ist, deshalb müssen sämtliche Vorkehrungen zum Schutze der Wahlhelfer mit ausreichend großen Abständen beim Auszählen getroffen werden.
Leonhard Spitzauer: Ich kann den Wunsch nach einer Verschiebung der Stichwahl durchaus verstehen. Die Entscheidung über die Durchführung der Stichwahl liegt jedoch beim bayrischen Landtag. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir uns mit Hygienemaßnahmen (Mundschutz, Abstand, etc.) auch vor dem Virus weitgehend schützen können. Die Wahlleiterin sagte mir, dass seitens der Gemeinde alles für den Schutz der Wahlhelfer getan wird.
Das Corona-Virus lässt die Welt stillstehen, die Karten werden gerade komplett neu gemischt, nichts wird künftig mehr so sein wie es war – können Sie der Situation auch etwas Positives abgewinnen?
Leonhard Spitzauer: Das Positive an der Sache ist ganz klar die Entschleunigung. Die wesentlichen Dinge im Leben werden einem wieder vor Augen geführt. Was mich besonders freut ist die Solidarität der Menschen und das Verständnis für die einschränkenden Maßnahmen. Das hätte ich so vor der Krise nicht für möglich gehalten. Ich würde mir wünschen, dass dies nach der Krise uns noch lange erhalten bleiben.
Maria Wirnitzer: Jede Krise ist auch eine Chance. Gerade in der Arbeitswelt sind nun Tele- und Videokonferenzen an der Tageordnung. Zu Meetings muss nicht durch die Welt geflogen werden. Homeoffice bewährt sich in der Praxis. Unsere Gesellschaft rückt zusammen, es ist eine große Solidarität untereinander spürbar. Ärztinnen und Ärzte, Pflegepersonal, Erzieherinnen und Erzieher, Verkäuferinnen und Verkäufer sowie allen anderen, die das Land während der Krise am Laufen halten, gebührt ganz besonderer Dank. Sie leisten Großartiges. Das sollte auch hinterher nicht vergessen werden! Gerade das riesige Engagement so vieler bei uns in der Gemeinde, sei es in der Nachbarschaftshilfe oder auch privat organisiert, stimmt mich zuversichtlich, dass wir diese schwierige Lage gemeinsam bewältigen.
Warum sollen die Bürger gerade jetzt das Kreuz bei Ihnen machen?
Maria Wirnitzer: Ich möchte eine Bürgermeisterin für alle sein, für alle Generationen und für alle Ortschaften. Transparenz in der Entscheidungsfindung, eine solide Finanzpolitik, eine dienstleistungsorientierte Verwaltung und ein solidarisches Miteinander liegen mir besonders am Herzen. Mit meiner Lebens- und Berufserfahrung kann ich unsere Gemeinde durch die Krise führen.
Leonhard Spitzauer: Ich würde mich freuen, wenn die Bürger der Gemeinde mich zum Bürgermeister wählen, weil ich als Feuerwehrkommandant weiß, wie man mit Krisensituationen umgehen muss. Zudem habe ich Erfahrung mit Katastrophenfällen, da ich lange Mitglied der Kommunikationsgruppe im Katastrophenschutz im Landkreis Ebersberg war. Nicht zuletzt werde ich mich dafür einsetzten die prekäre Lage unserer Betriebe vor Ort nach Möglichkeit zu stabilisieren. Das notwendige wirtschaftliche Verständnis, habe ich mir durch mein Studium und meine Berufserfahrung erarbeitet.
Das “Gespräch” führte Markus Bistrick für B304.de