“Bei Kinderbetreuung Kräfte bündeln”

von Markus Bistrick

Mit dem neuen Jahr beginnt die zweite Hälfte der Amtszeit von Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), der am 14. Dezember seinen 64. Geburtstag gefeiert hat. 2020 ist dann Schluss für den Reitsberger. Eine zweite Amtszeit wird es aus Altersgründen nicht geben. B304.de hat exklusiv mit dem Ur-Vaterstettener über das vergangene Jahr, die drängendsten Themen und persönliche Enttäuschungen gesprochen. Selbstverständlich ist der Blick jetzt nach vorne gerichtet.

B304.de: Lassen Sie uns ein wenig über das abgelaufene Jahr sprechen: Was waren gute Projekte 2016?

Georg Reitsberger: Im Gegensatz zu 2015, ein Jahr, das uns mit Sturmschäden, Trockenheit und massivem Borkenkäferbefall in Erinnerung geblieben ist, war 2016 für unsere Gemeinde witterungsmäßig ein günstiges Jahr. Regelmäßige Niederschläge auf die wir mit unseren wasserdurchlässigen Schotterböden angewiesen sind, bescherten unseren Landwirten gute Ernten. Gartenbesitzer konnten auf häufiges Gießen verzichten und unsere Wälder schöpften wieder neue Kraft im Kampf gegen den Borkenkäfer. Der fast ausgefallene Winter reduzierte die Ausgaben für den Winterdienst erheblich. Bei Veranstaltungen im Freien durften wir uns das Jahr über immer wieder über angenehmes Wetter freuen. So bei den traditionellen Fronleichnamsprozessionen in Baldham-Dorf und Parsdorf und überraschenderweise sogar am Straßenfest. Die laue Sommernacht am heuer letztmals im Freizeitgelände ausgerichteten Sonnwendfeuer wird Vielen in netter Erinnerung bleiben.

Der Mittelalter-, der Töpfer- und Wollmarkt waren witterungsbedingt sehr angenehm und begeisterten ihre Besucher. Sogar am zugigen Baldhamer Marktplatz kam heuer echte Christkindelmarktstimmung auf. Petrus hat seine Arbeit in diesem Jahr gut gemacht.

Mit guten Projekten ist auch unsere Gemeinde vorwärts gekommen. Das Gewerbegebiet Parsdorf füllt sich mit neu angesiedelten Firmen und Geschäfte. So wurde ein langgehegter Wunsch vieler Parsdorfer Bürger Wirklichkeit, nämlich vor Ort ein breites Warenangebot und attraktive Einkaufsmöglichkeiten zu haben. Mit einer baulichen Erweiterung und einem zusätzlichen Fahrzeug ist die Freiwillige Feuerwehr Parsdorf jetzt technisch hervorragend für viele Ernstfällte gerüstet. Unterstützt wird sie mit zwei neuen aufeinander abgestimmten Einsatzfahrzeugen der FFW Neufarn und Weißenfeld.

Das Bauamt brachte Planungen für Vaterstetten West und Nord-West zum Abschluss, so dass im Herbst mit dem Bau eines großzügig durchgrünten Wohngebietes begonnen werden konnte. Überaus viele Gemeindebürger haben Interesse am Erwerb einer dieser Immobilien. 37 Häuser wurden für ein Einheimischen Modell geplant. Knapp 30 Sozialwohnungen ergänzen das Wohnungsbauprojekt, deren Grundstückserlös für den Bau einer zukunftsweisenden Grund – und Mittelschule inclusive Schwimmbad verwendet wird.

Perspektiven für eine sinnvolle Gemeindeentwicklung erhofft man sich auch mit einem Grundstückserwerb am Phillip-Maas-Weg.

Was mich besonders freut ist, dass wir die historische Gasstätte „Alte Post“ in Parsdorf erwerben und als ortsprägendes Gebäude am alten Ortskern erhalten und sichern können. Mit der wunderschönen alten Kirche, dem Dorfplatz mit Maibaum und Brunnen, einem legendären Biergarten und dem schönen Saal kann das Wirtshaus wieder Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Ortschaft Parsdorf werden.

Denn Feste und Veranstaltungen ehrenamtlich von Dorfgemeinschaften, Vereinen und Schulen organisiert und durchgeführt, führen Menschen zusammen und sind eine echte Bereicherung unsers Gemeindelebens. Genauso die Aktivitäten von über hundert verschiedenen Vereine und den lebendigen Städtepartnerschaften. Alle Achtung habe ich vor der Arbeit unserer Flüchtlingshelfer, die Unglaubliches gleistet haben. Mit ihrem Einsatz haben wir ein gutes Miteinander mit zurzeit 143 Flüchtlingen.

 

Was lief 2016 nicht so gut?

Weniger erfolgreich waren unsere Bemühungen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Obwohl nicht nur für Erzieher – und Pfleger dringender Bedarf gegeben ist, scheitert die Gemeinde momentan an verfügbaren Grundstücken. Ebenso sind Generalsanierungen oder Neubauten von Schulen und öffentlichen Gebäuden (Rathaus/ Bücherei/ Bürgersaal) bei der momentanen Finanzlage nicht darstellbar. Sie müssen vorerst geschoben werden.

 

Über was haben Sie sich geärgert?

Obwohl wir keine echten sozialen Brennpunkte im Gemeindegebiet zu verzeichnen haben, verleitet der schöne Wasserpark in Baldham manche Jugendlichen zu einem nachbarstörenden, lärmenden Stelldichein. Ärgerlich und eine echte Gefahr für spielende Kinder sind Schmutz und Glasscherben die dabei hinterlassen werden. Großen Ärger bereitet der Vandalismus an Bahnhöfen. Zerstörungen an abgestellten Fahrrädern, besonders aber an Aufzügen ärgern mich gewaltig, weil  Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung eine Benutzung der S-Bahn erschwert oder unmöglich gemacht wird.

 

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zu den Nachbargemeinden Haar und Grasbrunn?

Persönlich bin ich ein Mensch, der ein gutes Verhältnis zu Nachbarn, wie auch zu Nachbargemeinden pflegt. Das ist mir sehr wichtig!

Mit der Gemeinde Grasbrunn nutzen wir einige gemeinsame Einrichtungen wie VHS, Musikschule, Nachbarschaftshilfe und Realschule. Auch Pfarrverbände sind grenzüberschreitend und die S-Bahn Haltestelle dient den Einwohnern gemeinsam. Wir sind zusammen ein großes Siedlungsgebiet aber verwaltungstechnisch getrennt durch eine Gemeinde- und Landkreisgrenze aber auch durch die stark befahrene B304. Verkehrssituationen müssen aufeinander abgestimmt werden. Auf Wohnraumbeschaffung und Nachfolgelasten ist zu achten, genauso auf unsere Landschaft. Unsere Heimat muss weiterhin viele lebenswichtige Funktionen erfüllen.

Die Gemeinde Haar hat meines Erachtens gute Planungsvorgaben. Sie wäre an der Verlegung der B471 (Parallelstraße zur A99) interessiert, die auch Auswirkungen auf Verkehrsströme in Vaterstetten hätte.

 

Was gibt es für Pläne zu dem erhöhten Verkehrsaufkommen und Straßenbau?

Bekanntlich müssen wir uns mit der Straßenausbaubeitragssatzung beschäftigen, was im Bauamt sehr viel Personal binden wird. Eine Straßenzustandserfassung bildet die Grundlage für Straßensanierungen, die nach Dringlichkeit vorgenommen werden. Für die Ortsumfahrung Parsdorf-Weißenfeld wurde nach Mehrheitsbeschluss ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren erstellt, das zur Begutachtung der Regierung vorgelegt wurde.

 

Ein großes Thema, nicht nur, aber insbesondere auch für die Gemeinde Vaterstetten ist die Kinderbetreuung. Was plant die Gemeinde zum Thema Kita Plätze und Personal?

Nachdem mit der Kita Einrichtung an der Baldhamer Straße im vergangenen Jahr eine Punktlandung erzielt werden konnte, war der enorm gestiegene Bedarf an Krippenplätzen mehr als überraschend. Etwa 50 Plätze fehlten, zusätzlich konnten einige Gruppen wegen Personalmangel nicht in Betrieb genommen werden.

Mit Nachdruck suchte man der Notsituation Herr zu werden und mietete von der Brennereigenossenschaft Baldham den neuerstellten Gewerbeneubau mit sieben Wohnungen zum Ausbau für eine viergruppige Kindertagesstätte. Die Wohnungen sind als bezahlbare Wohnungen für Kinderbetreuungspersonal gedacht. Zugleich soll ein Containerbau am Verkehrsübungsplatz  die Raumnot mindern. Mit einem beauftragen Gutachten erhofft man sich sichere Zahlen für Kinderbetreuungseinrichtungen.

 

Thema: neues Schulzentrum.  Was sind die nächsten Schritte?

Im Frühjahr 2017 soll der Spatenstich für das neue Schulzentrum erfolgen. Schulgebäude, Turnhalle und neues Schwimmbad sollen für das Schuljahr 2018/19 fertiggestellt sein.

 

Was passiert mit der Bücherei Vaterstetten?

Frau Walser und ihr Bücherei Team leisten hervorragende Arbeit und erhielten für ihr Engagement eine weitere Auszeichnung. Konkrete Umzugspläne gibt es nach Brandschutz – und Umbauarbeiten derzeit nicht. Persönlich hätte ich die Bücherei gerne im neuen Ortszentrum Vaterstetten.

 

Und wie geht es in der VHS Vaterstetten weiter?

Die VHS Vaterstetten ist in ihren neuen Räumen an der Baldhamer Straße allseits zufriedenstellend untergebracht und wird als Erwachsenenbildungseinrichtung ab 1. April 2017 als neuer Verein geführt. Das hervorragende Bildungsangebot und das geschulte Personal werden in gewohnter Weise, wie früher für den großen Kreis der Nutzer zur Verfügung stehen. Die Raumsituation für die Musikschule, die ebenfalls als neuer Verein geführt wird, bedarf an der Baldhamer Straße noch einer Nachbesserung, die 2017 erfolgen soll.

 

Die Gemeinde Vaterstetten hat die Alte Post in Parsdorf der Kirche abgekauft. Damit ist noch kein erfolgreicher Betrieb sichergestellt. Wie sind hier die nächsten Pläne?

Der Fortbestand der Alten Post in Parsdorf ist gesichert. Im Februar wird sich der Gemeinderat mit Überlegungen befassen, die Voraussetzungen für einen gesicherten wirtschaftlichen Betrieb zu schaffen. Im Juni 2018 würde ich gerne das 200jährige Gründungsfest in der Urzelle unserer Gemeinde begehen!

 

Richten wir den Blick nach vorne: Welche Projekte haben für Sie Priorität in 2017?

Um die wichtigsten zu nennen:

  • Die Misere im Kinderbetreuungsbereich muss behoben werden, dazu müssen wir unsere Kräfte bündeln.
  • Der Spatenstich für den Schulneubau und Schwimmbad erfolgt im Frühjahr 2017, damit 2018/19 die Schule bezogen werden kann.
  • Turnhallensanierung und Hartausbau ist in der Grundschule Brunnenstraße erforderlich.
  • Das Baugebiet Vaterstetten West und Nord-West mit Einheimischen-Bauland und Sozialen Wohnungsbau ist ein Riesenprojekt, an dem das Kommunalunternehmen mit dem Bau eines Wärmenetzes beteiligt ist.

Zum Abschluss vielleicht noch ein paar persönliche Worte:

Mit dem Jahre 2017 beginnt die zweite Hälfte meiner Amtszeit als Bürgermeister der Gemeinde Vaterstetten. Für mich war es eine große Umstellung, aber mit dem Vertrauen aus der Bürgerschaft und tatkräftiger Unterstützung einer funktionierenden Verwaltung wurde es mir leicht gemacht, mich in meiner neuen Aufgabe zurechtzufinden. Große Projekte, wie die Fertigstellung des Gewerbegebietes Parsdorf, der Bau von Kinderkrippen, die Planung einer modernen Grund- und Mittelschule mit neuem Schwimmbad und die Planung eines neuen Wohngebietes in Vaterstetten West und Nordwest binden Arbeitskapazitäten. Sie begrenzen Spielräume für viele Wünsche, die im Moment nicht umsetzbar sind. Die Hoffnung auf ein lebendiges Ortszentrum Vaterstetten mit Bürgersaal, attraktive Sporteinrichtungen und Ortschaften, die ihre Identität bewahren, bleiben mir ein Anliegen. Gemeinderat und Verwaltung geben ihr Bestes, obwohl die Aufgaben bei Weitem nicht einfach sind. Persönlich bin ich sehr stolz auf unser aktives Vereinsleben und auf die gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Kirchen und Pfarrverbänden. Ganz besonders freue ich mich über die vielen Ehrenamtlichen, die einen wesentlichen Beitrag zu unserer lebendigen Gemeinde leisten. Dafür möchte ich mich bedanken und hoffe auch weiterhin auf die unverzichtbare Unterstützung.

Herr Reitsberger, vielen Dank für das Gespräch.