Vor 125 Jahren: Windkraft bereitete der Baldhamer Insektenplage ein Ende

von Georg Reitsberger

Zwei Windräder, die weithin sichtbar sogar den Kirchturm des Dorfes überragten, galten 1896 als Wahrzeichen des technischen Fortschritts der Ortschaft Baldham. Die miserable Wasserversorgung bereitete den Dorfbewohnern ständig größte Probleme. Mühsam musste man aus dem uralten Dorfbrunnen, der bereit 1416 urkundlich erwähnt war, mit Eimer und Seil das notwendige Trinkwasser für Mensch und Tier aus 18 Metern Tiefe schöpfen.

er tägliche Wasserbedarf für das Dorf lag 1821 bei 100 Eimern im Sommer und bei 60 bis 80 Eimern im Winter. Ein Dorfweiher südlich des Weber-Hofs speicherte gesammeltes Oberflächen- und Regenwasser für Löschzwecke. Er war zwar ein herrliches Biotop für Gänse und Enten, genauso aber auch für Frösche und allerlei Ungetier, nicht zuletzt ein Paradies für „Stanzen“ (Mücken) und Milben, der sogenannte „Baldhamer Beiß“.
Ein zweiter Brunnen beim Weber sollte 1850 den Dorfweiher entbehrlich machen. Dieser konnte jedoch die ärgste Wassernot kaum beheben um einen Dorfbrand wie 1861 einzudämmen.
Notgedrungen befasste sich die klamme Ortsgemeinde im Jahre 1896 mit dem Bau einer zentralen Dorfwasserleitung und richtete ein entsprechendes Gesuch an das Bezirksamt. Die Gemeinde machte einen Finanzierungsvorschlag zu den Gesamtkosten von 9064 Mark. Dabei sollte ein Zuschuss von 2700 Mark für Feuergefahrvorsorge und den Einbau von Hydranten übernommen werden. Die Ortsgemeinde leistet Hand- und Spanndienste im Ansatz von 1200 Mark. Den Rest von 5000 Mark will man mit einem Darlehen leisten, das innerhalb von 21,5 Jahren zu tilgen ist.
Zur Finanzierung wurde ein Verzeichnis von Kopfteilen angelegt, in der in Baldham lebende Personen über 12 Jahre so wie Pferde und Rinder über 1 Jahr erfasst wurden. In der Summe waren es 77 Einwohner, 20 Pferde und 152 Rinder, für die Wasserzins zu erheben war. So konnte nach Genehmigung noch 1896 der Bau einer Wasserreserve mit 9 Meter Höhe und einem Fassungsvermögen von 100 Kubikmeter Wasser so wie eine 400 Meter lange Rohrleitung mit drei Hydranten fertig gestellt werden.
14 Baldhamer Anwesen freuten sich schon 1896 über fließendes Trinkwasser aus der Leitung, während andere Ortschaften der damaligen Gemeinde Parsdorf sich noch einige Jahre gedulden mussten.

aus: Ortsgeschichte Baldham, Verfasser Erich Mandel

Dank des mit Windkraft aus zwei Tiefbrunnen geförderten Grundwassers war die 1873 gegründete Ortsfeuerwehr für Brandfälle besser gerüstet. Gleichzeitig verschwand ein ungeliebter Schandfleck der Ortschaft. Im Besonderen konnte der im Hochsommer unerträglichen „Stanzen“-Plage Einhalt geboten werden.
Leider stellte sich heraus, dass zu Zeiten von geringer Luftbewegung die Windflügel nicht genügend Wasser in die Reserven pumpten und die Reserve nur einen Wasservorrat für maximal acht Tage bei einem Tageswasserverbrauch von 12 Kubikmeter Wasser bot. Dieses Problem der zeitweisen Wassernot löste der Neubau einer Kartoffelbrennerei im Jahre 1907. Ihre installierte Dampfmaschine übernahm das Wasserpumpen.
Als dann im Dezember 1914 das Dorf Baldham an das Elektrizitätsnetz der Isar-Amper-Werke München angeschlossen war, ersetzte ein Elektromotor die Dampfmaschine und machte die Windflügel entbehrlich. Mit Druckwasserpumpen als neue Technik konnte man im Jahre 1952 auch auf die alte Wasserreserve verzichten. Heute ist das gewachsene Dorf dem Wasserverband Zorneding angeschlossen. Lediglich ein Foto aus dem Jahre 1907 erinnert an den Pioniergeist, mit dem die Baldhamer im Jahre 1896 ihre Wasserversorgung verbessern konnten und zugleich der ständigen „Stanzen“-Plage ein Ende bereiteten.
Ein ähnliches Problem hatte auch Vaterstetten. Hier dauerte es bis 1905, bis ein Wasserturm errichtete werden konnte. Der Löschweiher gegenüber der Dorfkirche blieb noch lange bestehen und war ein Eldorado für Frösche. Diese wurden dem vom Ortverschönerungsverein errichteten Spritzbrunnen am Dorfplatz zum Verhängnis. Ständig war er zum Ärger des Spritzbrunnen-Aufdrehers Lehrbeck, von Fröschen verstopft und wurde schließlich aufgelassen. Das Kriegerdenkmal nahm 1927 diesen Platz ein.
Heute sichert übrigens ein ergiebiges Grundwasservorkommen unsere Wasserversorgung.