Seine Welt ist eine Scheibe

von Markus Bistrick

Griechische Reeder, deutsche Industrielle und englische Verleger, dazu der Heineken- und Fürstenberg-Clan – und mittendrin: Guido Perrey alias DJ Guido la Vespa. Der 57-jährige Wahl-Parsdorfer bringt Bewegung ins mondäne St. Moritz und mischt seit 24 Jahren den legendären „Dracula’s Ghost Riders Club“ von Rolf Sachs auf. Seit Ende Dezember ist er dort wieder als DJ im Einsatz.

St. Moritz bietet allen eine Heimat, nur den Mittellosen nicht. Hier mischt sich neues und altes Geld. Zwischen den Feiertagen ist der legendäre Ski-Ort illustrer besetzt als der Wirtschaftsgipfel in Davos. Erben, Bankiers, Industrielle. Versorgt von einem Heer von Handwerkern und Dienstleuten. Masseure, Kaminholzlieferanten, Floristen und Personal-Trainer eilen von Haus zu Haus.

Seit dem 26. Dezember 2023 wieder für rund drei Monate im „Dracula’s Ghost Riders Club“ im Dauereinsatz: Guido Perrey aus Parsdorf alias DJ Guido la Vespa. (Foto: privat)

Guidos Welt ist eine komplett andere, auch wenn der 57-Jährige beim alljährlichen Stelldichein des Geldadels längst selbst zur Legende geworden ist. Über zwei Jahrzehnte schon versetzt er die Hautevolee in Wallung. Geboren und aufgewachsen ist Perrey, der sich in St. Moritz als DJ Guido la Vespa die Nächte um die Ohren schlägt, in Gelsenkirchen. Als Sohn eines Arbeiters. Das prägt. Das erdet. Man muss hart arbeiten, um in einem Jahr das zu verdienen, was im „Dracula Club“ mitunter an einem Abend über den Tresen geht.

Heute wird der „Dracula’s Ghost Riders Club“ von Künstler Rolf Sachs (l.), dem ältesten Sohn von Gunter Sachs, geleitet. Guido Perrey (r.) gehört seit 24 Jahren zum festen Inventar. (Foto: privat)

Der Liebe wegen verschlägt es Guido Ende der 80er Jahre nach München. Nach einer Lehre zum Hotelkaufmann im Hilton wechselt er zu KARE, übernimmt dort die Exportleitung, bis er sich 1996 selbstständig macht. Als DJ. „Ich hatte schon immer gerne aufgelegt und war damals dem Irrglauben unterlegen, dass dann Geld und Groupies auf mich einprasseln“, sagt er und grinst. Sein Geld verdient Perrey allerdings dann doch zunächst mit Messebau, als „Mann für alles“ ist er weltweit unterwegs, unter anderem viel für Audi. Irgendwann in dieser Zeit begegnet der Schalke-Fan Promi-Gastronom Michael Käfer und dem Privatsekretär von Gunter Sachs. Von da an kommt Schwung in seine DJ-Karriere. London, Sydney, Mallorca, Ibiza, Marrakesch, Hamburg, Berlin, München, Barcelona, oder auf privaten Yacht-Partys in St. Tropez… – DJ Guido „La Vespa“ Perrey ist seitdem in der ganzen Welt zuhause und eben seit 2001 jedes Jahr für rund drei Monate im „Dracula Club“.

2011 zieht Perrey von Waldtrudering in eine gemietete Doppelhaushälfte nach Parsdorf. Mit seiner Frau. Beide waren schon einmal verheiratet, lernten sich in der Sturmhaube auf Sylt kennen. Er DJ, sie Gast auf der Tanzfläche. Der Klassiker. Wenn er von ihren beiden Kindern spricht, tut er das so väterlich, dass man meinen könnte, es seien die eigenen. Eigene hat er nicht.

Für Guido Perrey ist Parsdorf Heimat, ein Ruhepol und gleichzeitig Startpunkt für unregelmäßige Trips mit dem eigenen Wohnmobil. Ohne Ziel, immer weiter, der Freiheit entgegen. Der 57-Jährige ist neugierig, will die Welt sehen, immer noch eine Kurve mehr fahren, um dann irgendwo mit seiner Frau einsam an einem Strand zu sitzen. Fernab von all dem Rummel, Glanz und Glamour. Daraus zieht er seine Kraft. Energie, die er dringend braucht. Die Nächte am Mischpult sind sehr lang, der Schlaf übersichtlich und die Verzweiflung aufgrund des Totalausfalls seiner Einnahmen während der Corona-Pandemie hallt nach. Aber das alles ist nichts gegen die schwere Krankheit, die bei seiner Frau Ende vergangenen Jahres diagnostiziert wurde. „Wir müssen das annehmen und damit leben“, sagt Perrey mit leiser Stimme. Er ist ein gefeierter DJ, abseits der Bühne aber vor allem ein angenehm herzlicher Gesprächspartner.

Alljährlich ab dem 26. Dezember ist der „Dracula Club“ für rund drei Monate Dreh- und Angelpunkt des St. Moritzer Partylebens. Viel Platz bietet er nicht, und er gleicht auch eher einer Skihütte als einer Lasterhöhle. Nach draußen dringt hier nichts. St. Moritz ist diskret. Gegründet wurde der Club im Jahr 1974 von Gunter Sachs. Der Industriellenerbe und Gentleman-Playboy verdankte seine Popularität seinem extrovertierten Lebensstil. Mit glamourösen Liaisons, etwa jener mit der persischen Ex-Kaiserin Soraya, sorgte er für Schlagzeilen. Von 1966 bis 1969 war er mit dem französischen Filmstar und Sexsymbol Brigitte Bardot verheiratet. Dass der Club nach Grafen Dracula benannt wurde, lag übrigens daran, dass damals Roman Polanskis erotisch aufgeladene Komödie „Tanz der Vampire“ höchst populär war. Als Spukschloss darf man sich den Club aber nicht vorstellen. Über dem Cheminée prangt zwar noch das riesige Fledermaus-Logo aus den Gründertagen. Aber sonst ist das Lokal nicht mit Gruselmotiven tapeziert. Im Jahr 2011 nahm sich Gunter Sachs, der Unternehmer, Bobfahrer, Fotograf, Dokumentarfilmer und Kunstsammler, angesichts einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung das Leben. (Foto: privat)