Reitsberger sorgt für Aufruhr

von Markus Bistrick

„Ich bin meiner Überzeugung verpflichtet“, erklärte Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) bei der jüngsten Gemeinderatssitzung (9.3.) und kündigte an, dass er dem Haushaltsplan seiner eigenen Verwaltung nicht zustimmen werde. So etwas kommt nicht häufig vor. Bis auf seine Ratskollegen von den Freien Wählern und Manfred Schmidt wurde die Ankündigung dann auch parteiübergreifend mehr oder weniger als Affront gegen den Rat und die Verwaltung gewertet. Letztlich lenkte Reitsberger ein. Warum er zunächst nicht zustimmen wollte und was ihm vorgeworfen wurde:

Es ist kein Geheimnis, dass Georg Reitsberger – unter anderem aufgrund des Flächenverbrauchs – strikt gegen eine Umgehungsstraße bei Weißenfeld ist. Das war Teil seines Wahlkampfes im Jahr 2013 und seinen Versprechen möchte der Freie Wähler treu bleiben. Deshalb erklärte der Rathauschef zu Beginn der Debatte über den Haushalt 2017, in dem eben auch Planungskosten in Höhe von 300.000 Euro für die Umfahrung eingestellt sind: „Ich lege heute einen Haushaltsentwurf zur Beschlussfassung vor, der die Beschlusslage des Gemeinderates widerspiegelt. Da ich in der Umsetzung der Ortsumfahrung noch sehr grundlegende Probleme auf uns zukommen sehe und verschiedene Details des Projekts noch ungeklärt sind, werde ich, ebenso wie die Fraktion der Freien Wähler, dem Haushaltsplan 2017 und dem Finanzplan 2018-2021 in der vorliegenden Form nicht zustimmen.“ Damit sorgte der Rathauschef – vorsichtig formuliert – für einen Paukenschlag. In der Sache bekam Reitsberger zwar nicht nur von seiner eigenen Fraktion und Manfred Schmidt, sondern auch von den Grünen Zustimmung, aber zumindest bei den Grünen nicht bei der Ablehnung des kompletten Haushalts.

„Gehälter könnten bezahlt werden, ansonsten wäre Stillstand“

Unter anderem, weil der prozentuale Anteil der Umgehungsstraße am Haushaltsplan 2017 gerade einmal 0,38 Prozent ausmacht, könne er eine Ablehnung des gesamten Haushalts nicht nachvollziehen, sagte CSU Fraktionschef Michael Niebler. Er verwies aber vor allem auch auf eine von der Gemeinde Vaterstetten durchgeführte Befragung der betroffenen Haushalte vor einigen Jahren, bei der sich 75 Prozent für die Ortsumfahrung ausgesprochen haben. „Ich kann doch nicht direkte Demokratie predigen und dann das Ergebnis einer Haushaltsbefragung negieren“, so Niebler. Und weiter in Richtung Reitsberger: „Ich glaube, dass du besser beraten gewesen wärest, wenn du beantragt hättest, die 300.000 Euro aus dem Haushalt zu streichen und ansonsten zugestimmt hättest.“ Nebenbei wies er daraufhin, dass die Gemeindeverwaltung handlungsunfähig wäre, wenn auch der Gemeinderat dem Bürgermeister folgen würde und der Haushaltsplan – der rückwirkend zum 1. Januar 2017 gilt – keine Zustimmung fände. „Die Gehälter könnten vielleicht noch bezahlt werden, aber ansonsten wäre Stillstand.“

“Der Patient braucht mehr Energie, aber da kommt nicht viel”

Auch bei der SPD kam die ablehnende Haltung nicht gut an. “Das ein Bürgermeister seinen eigenen Haushalt ablehnt, überrascht mich schon sehr”, sagte Sepp Mittermeier, Sprecher der SPD Gemeinderatsfraktion wörtlich. “Mich wundert auch ein bisschen, dass das grüne Gewissen plötzlich nicht mehr da ist, wenn es um die Ausweisung von Gewerbegebieten geht, weil man damit Geld verdienen kann. Aber wenn man die Bevölkerung entlasten kann, wird alles dafür getan um Grundsatzentscheidungen, die getroffen wurden, wieder auszuhebeln.” Doch Mittermeier ging mit seiner Kritik an der “Rathausspitze” noch weiter: “Wichtige Entscheidungen für Zukunftsprojekte wurden nach wie vor nicht gefällt und auch nicht vorbereitet. Da sehen wir das größte Defizit.” Hier müssten entsprechende Vorschläge kommen, um im Gemeinderat Diskussionen anzuregen. Auch die finanzpolitische Sprecherin der CSU, Christl Mitterer, mahnte mehr Visionen seitens der Verwaltung an. “Der Patient braucht mehr Energie, aber da kommt derzeit nicht so viel.”

“Noch ist nichts entschieden”

“Die Gemeinde ist zwar in der Lage durch die Einnahme die laufenden Kosten zu decken, allerdings besteht nach wie vor das Problem, dass der Spielraum für zusätzliche Investitionen nach wie vor zu gering bleibt”, fasst Sepp Mittermeier (SPD) den Haushaltsplan zusammen. Auch wenn es bei den Gewerbesteuern Einbrüche gäbe, “sind wir davon überzeugt, dass das Gewerbegebiet in Parsdorf richtig war, auch wenn wir aufgrund der Ansiedlung von Großbetrieben die Gefahr von starken Schwankungen haben. Aber wir werden für weitere Gewerbeansiedlungen sein, auch wenn aufgrund der Erfahrung mit Parsdorf künftig versuchen müssen, nicht auf der grünen Wiese Standorte auszuweisen und auch kleinere Betriebe zu bekommen.” Michael Niebler (CSU) ermahnte sine Ratskollegen jedoch eindringlich, dass Gewerbegebiet in Parsdorf nicht schlecht zu reden, dafür sei es zu früh. Eine erste Bilanz könne frühestens nach fünf Jahren gezogen werden. “Ich bin froh, dass wir das Gewerbegebiet haben und sehr zuversichtlich, dass sich die Zahlen auch in ein paar Jahren anders darstellen.”

Bezahlbarer Wohnraum

Für die Grünen kommentierte Stefan Ruoff stellvertretend für Fraktionssprecher Axel Weingärtner den Haushaltsplan 2017: Er appellierte nochmals an das Gremium, dass bei der Bebauung der Gluckstraße auf genossenschaftlichen Wohnungsbau geachtet werden müsse, was natürlich bedeute, dass dort kein maximaler Gewinn aus dem Verkauf des Grundstücks erzielt werden könne. “Wir tragen grundsätzlich aber den Wohnungsbau mit, wenn darauf geachtet wird, dass auch bezahlbare Wohnungen geschaffen wird”, so Ruoff wörtlich. Bezüglich des zunehmenden Verkehrs und der geplanten Umgehungsstraße äußerte er jedoch, ähnlich wie Reitsberger, die Bedenken, dass diese Umfahrung dann auch als Ausweichroute für die Autobahn genutzt werde und “wir dann halt den Verkehr in Vaterstetten haben und sich die Begeisterung dafür bei seiner Fraktion in Grenzen halte”. Dennoch stimme man (Die Grünen) dem Haushalt zu.

Schlussendlich lenkte auch Reitsberger ein. “Freie Wähler dürfen frei denken und ich habe mir gedacht, dass ich jetzt einmal einen Schuss vor den Bug geben muss. Wir haben keine finanziellen Mittel frei und müssen uns daher sehr genau überlegen, wofür wir Geld ausgeben”, sagte er. “Und insbesondere in Parsdorf müssen wir uns schon auch sehr genau überlegen, wofür wir unsere Landschaft verbrauchen. Mir ist es ein Anliegen, dass man sich das Projekt noch einmal sehr genau überlegt und noch ist nichts entschieden. Ob wir jetzt deshalb den Haushalt 2017 ablehnen müssen, möchte ich dahin gestellt lassen.” Letztlich stimmten dann auch die Freien Wähler geschlossen für den Haushalt, so dass dieser mit nur einer Gegenstimme (Manfred Schmidt) verabschiedet wurde.

 

Die wichtigsten Eckdaten zum Haushaltsplan 2017:

Die Finanzlage der Gemeinde Vaterstetten bleibt auch im Jahr 2017 angespannt und lässt keine großen Spielräume zu. Doch: “Trotz aller Schwierigkeiten bei der Gewerbesteuer kann dieses Jahr ein stabiler Haushaltsentwurf vorgelegt werden”, sagte Reitsberger. Die Aufnahme eines Kredits in Höhe von 5 Millionen Euro nannte der Rathauschef ein “historisch zinsgünstiges Darlehen für ausstehende Investitionen – allen voran Schulsanierungen in noch nicht bekannter Höhe. Viele Wünsche bleiben leider noch offen wie das Ortszentrum Vaterstetten oder ein Bürgersaal.”

Der Verwaltungshaushalt schließt mit 50.427.900 Euro ab, der Vermögenshaushalt mit 29.715.400 Euro. Der Schuldenstand liegt zum 31.12.2016 bei 6.738.969 Euro, die Rücklagen betragen zum gleichen Stichtag 26.398.989 Euro. Von den insgesamt ca. 3.150 in Vaterstetten gemeldeten Gewerbebetrieben zahlen aktuell 588 Betriebe Gewerbesteuer. Das entspricht einer Quote von 18,67 Prozent.

Im Vermögenshaushalt sind im Haushalt 2017 für Investitionen Mittel in Höhe von 26,931 Millionen (Vorjahr: 12,8 Millionen Euro) eingeplant, die sich (unter anderem) wie folgt verteilen:

  • Neubau Schulzentrum (Teilbetrag/Planungskosten): 13.700.000 Euro
  • Sanierung Grundschule Brunnenstraße: 2.000.000 Euro
  • Kinderkrippe Baldham Dorf: 1.250.000 Euro
  • Brandschutzmaßnahme Rathaus: 500.000 Euro
  • Sanierung Sportzentrum: 500.000 Euro
  • Erschließungskosten Vaterstetten-Nordwest: 940.000 Euro
  • Planungskosten Umfahrung Wei0enfeld und Parsdorf: 300.000 Euro
  • Sanierung Edelweißstraße Vaterstetten: 200.000 Euro
  • Sanierung Purfinger Straße, Parsdorf: 200.000 Euro
  • Grunderwerb für Gemeindestraßen, Ausgleichsflächen etc.: 2.043.000 Euro