Jugend kämpft für ein JUZ

von Catrin Guntersdorfer

Dieses Thema treibt die Jugendlichen in Vaterstetten bereits seit knapp 10 Jahren um – so lange schon steht ihnen kein Jugendzentrum mehr zur Verfügung. Nachdem das ehemalige JUZ im Hans-Luft-Weg in Vaterstetten aufgelöst wurde und das OHA (Offenes Haus der Arbeiterwohlfahrt) dort einzog, wurde kein adäquater Treff für die Jugendlichen mehr eingerichtet. Das soll sich jetzt nach Aussage von Leonhard Spitzauer, Vaterstettens Bürgermeister (CSU) schnell ändern.

“Im kommenden Jahr soll zumindest ein Provisorium entstehen, in welchem unsere beiden Jugendpflegerinnen Jugendarbeit anbieten können”, erklärt Spitzauer gegenüber b304.de.

Ein paar engagierte Jugendliche hatten sich in den vergangenen Monaten vehement dafür eingesetzt, dass es in Vaterstetten möglichst schnell wieder ein Jugendzentrum geben soll, unter ihnen Susanne Fischer: „Sag mir, wo wir uns treffen sollen! Es gibt hier einfach keinen Platz für uns!“ Die 16-Jährige weiß wovon sie spricht. „Erzähl jemandem, dass du deine Abende am Fahrradständer in Baldham verbringst – dann wirst du gleich schief angeschaut!“ Das ärgert Susanne, die in ihrer Freizeit als Trainerin im TSV-Turnen engagiert ist. „Manche Eltern der Turnkinder sind ganz verwundert, wenn sie mitbekommen, dass ich auch eine von denen bin, die auf der Straße rumhängen! Aber es gibt schlicht und ergreifend keinen Platz, an dem wir uns treffen können.“ Susanne ist eine von drei Jugendlichen, die diese abwertenden Blicke satt hat und sich vehement für ein eigenes Jugendzentrum stark macht.

Samantha (li.), Susanne und Dominic kämpfen für einen Treffpunkt für Jugendliche in Vaterstetten. (Foto: Ilona Stelzl / B304.de)

Fast zehn Jahre ist es her, dass das ehemalige JUZ im Hans-Luft-Weg in Vaterstetten aufgelöst wurde und das OHA (Offenes Haus der Arbeiterwohlfahrt) dort einzog. Wo sich früher die Jugendlichen abends zu Partys trafen, wird jetzt unter anderem für Senioren ein Mittagstisch angeboten, Sport gemacht oder bei den Hausaufgaben unterstützt. „Wir wollen eine Einrichtung für die Jugendlichen gründen, damit die Leute von der Straße wegkommen“, erklärt Samantha Iller, die gemeinsam mit Susanne und Dominic Heinz jetzt einen Verein gründet, der ein JUZ auf die Beine stellen soll. Die 22-Jährige geht bei ihrem Vorhaben recht strukturiert vor. So wurden bereits über 600 Unterschriften gesammelt, die bei einem Gespräche Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer vorgelegt wurden. „Als wir Unterschriften für ein JUZ im Ort gesammelt haben, hatten wir recht schnell ein paar Hundert zusammen“, berichtet Dominic (22). „Man merkt aber auch, dass gerade die Erwachsenen Vorbehalte haben und die Lärmbelästigung fürchten, wenn sie so eine Einrichtung in der Nachbarschaft haben.“ „Daher ist das derzeitige JURA (Jugendraum), das mitten im Wohngebiet liegt, auch nicht für uns geeignet“, ergänzt Susanne. „Da sind die Wände viel zu dünn und die Anwohner bekommen die Krise.“ So ist es nicht verwunderlich, dass rund um das JURA besonders viele Unterschriften bei der Sammelaktion zusammengekommen sind. „Die hoffen natürlich, dass sie bald ihre Ruhe haben“, sagt Susanne und lächelt.

Manuel Domke (16, Schüler): “Es ist schade, dass es so wenige Angebote für uns Jugendliche gibt, wo wir uns auch mal abends treffen können. Früher war das hier glaub ich anders, als es das alte JUZ noch gab. Jetzt haben wir zwar das JURA, aber das ist einfach zu klein, da passen maximal 10 Leute in den Raum. So können wir uns eigentlich immer nur draußen treffen – gerade jetzt im Winter ist das natürlich blöd.” (Foto: b304.de)

Die Probleme, die ein JUZ mit sich bringt, sind natürlich auch Spitzauer bekannt, der mit den Jugendlichen im Oktober zu einer ersten Ortsbegehung im Gemeindegebiet unterwegs war. Hier wurden gemeinsam mögliche Plätze begutachtet, an denen man zumindest übergangsweise ein Jugendzentrum einrichten oder auch Container aufstellen könnte. „Uns ist das Problem natürlich auch schon länger bekannt und es wurde in den letzten Jahren oft im Gemeinderat thematisiert“, erklärt Spitzauer. „Und wir bekommen über Beschwerden mit, wo die Jugendlichen sich bevorzugt aufhalten.“ Aber: „Hier will man sie nicht haben – dort will man sie nicht haben. Wir können sie aber nicht nur überall wegschicken – wir müssen ihnen auch eine Alternative bieten. Wir brauchen eine schnelle Lösung!“, so das Gemeindeoberhaupt.

Momentan wird überlegt, das derzeit leer-stehende Gebäude der ehemaligen Mittelschule für die Pläne der Jugend-lichen zu nutzen. In den nächsten zwei, drei Jahren könnte hier, nach Auskunft Spitzauers, ein Jugendzentrum eingerichtet werden – nach Vorstellung von Susanne, Samantha und Dominic möglichst in Eigenregie. „Wir haben uns einige andere Jugendzentren und Clubs im Landkreis angeschaut“, berichtet Samantha. „Zum Beispiel das AJZ in Ebersberg. Das wird selbstverwaltet geführt und genau so würden wir das auch machen wollen.“ Für ihren engagierten Einsatz haben die drei bereits einen Preis erhalten: Der Förderpreis für die Jugendarbeit 2020 im Landkreis Ebersberg ist immerhin mit 1200 Euro Preisgeld dotiert und ging an die Drei (b304 berichtete)– Geld, das sie in die Einrichtung der neuen Jugendräume investieren wollen. „Auch beim Kreisjugendring Ebersberg haben wir uns schon informiert“, so Dominic. „Die würden uns die Erstausstattung bereitstellen.“

Niklas Haider (17, Schüler): “Wir wären schon froh, wenn wir einfach nur ein Dach überm Kopf haben könnten. Danach suchen wir uns derzeit nämlich unsere Treffpunkte aus. Nicht nur wegen der Corona-Problematik kommt da leider auch immer öfter die Polizei vorbei und vertreibt uns, weil wir schnell auch mal 10 Leute und mehr sind. Die Beamten kennen uns inzwischen natürlich auch alle. Aber ehrlich gesagt ist es doch traurig, wenn wir um zu Feiern auf den Verkehrsübungsplatz gehen müssen, weil wir sonst keine Möglichkeit dazu haben. Hätten wir ein eigenes JUZ, bin ich mir sicher, dass wir uns um die Räume entsprechend kümmern und sie auch richtig gut gestalten würden.” (Foto: b304.de)

 

 

Theresa Weiller (16, Schülerin): “Eigentlich wird von uns derzeit jede Sitzgelegenheit im Gemeindegebiet genutzt, damit wir uns treffen können. Leider ist das immer dort, wo wir für Anwohner auch gleichzeitig eine Störung darstellen. So gibt’s meist Ärger, wenn wir uns abends öffentlich tref-fen. Ich verstehe absolut die Leute, die ihre Ruhe haben wollen und von uns genervt sind. Aber es wäre schön, wenn sie uns auch verstehen würden. Tatsächlich habe ich oft auch schon von Erwachsenen gehört, dass sie die Problematik kennen und wissen, dass wir nirgendwo hin können. (Foto: b304.de)

 

Martha Golombek
Die Sozialpädagogin Martha Golombek: “Wir wollen den Jugendlichen auf keinen Fall mit dem erhobenen Zeigefinger begegnen, sondern sie bei ihrem Vorhaben unterstützen. Natürlich werden wir ihnen auch Richtlinien an die Hand geben und ein Auge darauf haben, wie alles abläuft.” (Foto: privat)

Martha Golombek, Jugendpflegerin in der Gemeinde Vaterstetten ist seit rund 2,5 Jahren für den Jugendraum (JURA) in Vaterstetten verantwortlich – derzeit der einzige Ort, den die Gemeinde den Jugendlichen für Treffen zur Verfügung stellt. “Das JURA hat sich schnell etabliert, jedoch sind die Hauptnutzer zwischen 12 und 13 Jahren. Sie kommen hierher, um sich zu treffen und zu entspannen. Um die verschiedenen Gruppen abdecken zu können, brauchen wir hier definitiv ein größeres Angebot mit einem dezentralen Konzept”, weiß Golombek um die Problematik im Ort.  “In Haar gibt es beispielsweise drei Einrichtungen für die Jugend. Da sind wir in der Gemeinde Vaterstetten leider seit Jahren spärlich ausgestattet.” Auch sie sieht die Dringlichkeit eines neuen Jugendzentrums: “Ein JUZ ist sozusagen das Herzstück einer jeden Jugendarbeit. Diese Räume sind der erste Rückzugsort, die erste Anlaufstelle für Jugendliche. Dabei ist es nicht wichtig, mit einem spannenden Programm aufzuwarten. Sie wollen einfach einen Ort für sich haben und den sollte es in jeder Gemeinde geben.” Einem selbstverwalteten Jugendtreff sieht sie zuversichtlich entgegen: “Das kann definitiv klappen. In Ebersberg gibt es seit Jahren das AJZ (Aktion Jugendzentrum), das wunderbar selbstverwaltet funktioniert.”