“Kunterbunt gemischt”

von Markus Bistrick

Die ersten 150 Asylbewerber sind in der Turnhalle des Vaterstettener Humboldt-Gymnasium eingetroffen – darunter zwei alleinstehende Frauen sowie drei Kleinkinder im Alter von ein bis drei Jahren. Der Rest sind Männer. Weitere 50 Flüchtlinge werden morgen Vormittag erwartet. Damit ist Vaterstetten die größte Notunterkunft im Landkreis Ebersberg. Ausführliche Informationen gibt’s hier:

Ein Blick in die Turnhalle des Humboldt-Gymnasiums heute Vormittag (19.05.): 200 Betten für die Asylbewerber wurden über Nacht gemacht. (Foto: B304.de / Markus Bistrick)

 

Aktualisiert am 19. Mai, 18 Uhr: “Mein Gefühl ist, dass die aktuelle Situation sowohl von der Elternschaft wie den Schülern sehr positiv aufgenommen wird”, sagte Sabine Pillau, die Elternbeiratsvorsitzende, bei einer kurzfristig angesetzten Informationsrunde heute Nachmittag (19.5.) im Vaterstettener Humboldt-Gymnasium. Ähnlich äußerte sich auch Schulleiter Rüdiger Modell: “Die Schüler, die ich gesprochen habe, sind sehr neugierig und wollen die Flüchtlinge gerne in den Unterricht einladen. Aber jetzt sollen sie erst einmal ankommen”, sagte er. Aktuell trennt eine alarmgesicherte Tür die Turnhalle vom Schulbetrieb: “Zutritt verboten”.

Heute Nachmittag, ab 15 Uhr, waren im einstündigen Abstand die ersten drei Busse mit jeweils 50 Flüchtlingen vor der Gymnasiumsturnhalle vorgefahren. Sie kamen direkt von der Ersterfassung im “Ankunftszentrum München” in der Baierbrunner Straße. Dort waren sie heute Früh zwischen 1 und 5 Uhr angekommen, erfasst und einem ersten medizinischen Screening unterzogen worden. Eine ausführliche Untersuchung erfolgt dann morgen (20.5.) in der Ebersberger Kreisklinik. Dabei geht es dann vor allem darum ansteckende Krankheiten auszuschließen, wie Stefanie Geisler, Leiterin der für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständigen Abteilung „Soziales und Bildung“ im Landratsamt Ebersberg, sagte.

“Einen Plan B für die Abifeier gibt es nicht”

“Die Schüler, die ich gesprochen habe, sind sehr neugierig und aufgeschlossen”, so Schulleiter Rüdiger Modell. (Foto: B304.de / Archiv / Markus Bistrick)

Spätestens bis zum 22. Juni – wenige Tage vor der Abiturverleihung und -feier (26.06.) – sollen die 200 Flüchtlinge auf andere Unterkünfte verteilt werden. “Einen Plan B für die Abifeier gibt es nicht, auch weil ein Saal für 800 bis 1000 Leute nicht einfach auf die Schnelle zu finden ist”, sagte Rüdiger Modell. Doch diesen “Auszugs”-Termin habe die Regierung von Oberbayern zugesichert und bislang wurden die Zusagen auch stets eingehalten, so Geisler. Bis dahin stehen den Asylbewerbern, die unter anderem aus Senegal, Pakistan, Eritrea, Sierra Leone etc. kommen, in der Gymnasiums-Turnhalle ein Stockbett, ein Hygiene-Begrüßungspaket, sechs Umkleiden mit Duschen, ein paar Dixie-Toiletten-Häuschen sowie monatlich 143 Euro Taschengeld zur Verfügung. Um (religiöse und zwischenmenschliche) Konflikte zu vermeiden, erfolgt die Belegung der Turnhalle übrigens von außen nach innen. Will sagen: Links außen beginnt man mit alleinstehenden Männern, rechts außen mit Frauen, Kindern und Familie. Wenn die Belegung komplett ist und sich die einzelnen Gruppen quasi in der Mitte treffen, soll es dann auch nach Bedarf Trennwände und Kinderbetten geben. Unbegleitete Minderjährige, mit denen es vor Monaten Probleme in Zorneding gegeben hatte, sind übrigens aktuell nicht in der Turnhalle untergebracht.

Für die Sicherheit sorgen rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb jeweils zwei Sicherheitsleute. Auch Sozialpädagogen sind täglich im Einsatz und – falls für traumatisierte Flüchtlinge nötig – auch ein Kriseninterventionsteam. Kinder – bislang sind es drei im Alter von ein bis drei Jahren – werden zusätzlich vom Jugendamt betreut. Das Essen kommt drei Mal täglich aus der Küche der Kreisklinik. In den ersten Tagen wird es Eintopf geben – mit und ohne Fleisch – je nach Glaubensrichtung. Dazu Brot und Butter. Für saubere Wäsche sollen vier Waschmaschinen sorgen, die morgen im Laufe des Tages ans Humboldt-Gymnasium geliefert werden. Und natürlich können sich die Asylbewerber jederzeit frei in der Gemeinde Vaterstetten bewegen. Damit ihnen nicht langweilig wird, berät das Landratsamt Ebersberg morgen (20.5.) mit Vertretern vom Helferkreis Asyl Grasbrunn-Vaterstetten über mögliche Freizeitangebote wie Deutsch-Unterricht oder aber auch sportliche Aktivitäten. Der Helferkreis, der sich bereits heute getroffen hat, ist übrigens auch der Ansprechpartner für alle, die konkrete Hilfe leisten wollen.

Breitensport muss zurückstecken

Der Schulsport muss ab sofort im Schulhof, im Stadion oder in benachbarten Schulturnhallen stattfinden. In einem Elternbrief hatte Schulleiter Rüdiger Modell bereits gestern (18.5.) die Eltern darum gebeten, dass „Ihre Kinder zu den Sportstunden wetterfeste Sportsachen mitbringen“.  Doch nicht nur die Schulleitung, sondern vor allem auch die erfolgreichen Handballer des TSV Vaterstetten stehen durch die Belegung der Turnhalle vor größeren Herausforderungen. Die Saisonspiele sind zwar, bis auf zwei Qualifizierungsspiele im Juni, abgeschlossen, doch für das Training müssen nun kurzfristig Alternativen gefunden werden. Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen, weil die Hallenkapazitäten in der Gemeinde Vaterstetten ohnehin mehr als erschöpft sind und aktuell zudem die Turnhalle der Realschule nicht bespielbar ist. “Sollte die Gymnasium-Turnhalle entgegen der Zusage bis September belegt sein, wäre das für die Handballer der absolute Super-Gau”, sagte uns auf Nachfrage ein Vereinsoffizieller. Zumindest gibt es – als kleinen Trost – vom Landratsamt eine Kostenerstattung, falls Ausweich-Turnhallen außerhalb des Landkreises Ebersberg, nötig sein sollten. Wie das im Einzelfall konkret aussehen könnte, dazu äußerten sich die Vertreter des Landratsamts nicht.

 

Aktualisiert am 19. Mai, 11 Uhr: Rund 200 Betten stehen in der Turnhalle des Vaterstettener Humboldt-Gymnasium bereit. Heute gegen 14 Uhr wird mit der Ankunft der Asylbewerber gerechnet. Aktuell werden die Türen zur Turnhalle noch mit einem Alarm ausgestattet, der für eine beiderseitige Sicherung dienen soll. Gestern Mittag war der Notfallplan zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten.

Unser Bericht von Montag, 18. Mai, 17 Uhr:  Nun also doch: Dem Notfallplan entsprechend müssen in allen 96 Landkreisen und kreisfreien Städten Bayerns kurzfristige Unterbringungskapazitäten für je 200 – 300 Personen im Bedarfsfall zur Verfügung gestellt werden. Und dieser Bedarfsfall ist nun eingetreten. Daher steht auch der Landkreis Ebersberg in der Verpflichtung. “Auch zur Sicherstellung der solidarischen Belastung fordere ich Sie daher auf, die Turnhalle des Gymnasiums Vaterstetten bis spätestens heute Abend bezugsfertig zur Verfügung zu stellen”, heißt es in einem Schreiben der Regierung von Oberbayern von heute Mittag (18.5.) an Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Niedergesäß hatte immer wieder darum gebeten, die Belegung zumindest bis Anfang Juli wegen des Abiturs und der Zeugnisverleihung zurückzustellen. Vergebens. Denn: “Da die Turnhalle ausschließlich zur Absolvierung der schriftlichen Abiturprüfung benötigt wurde und die mündlichen Prüfungen anderorts durchgeführt werden können, erscheint der nun erforderliche Rückgriff auf dieses Objekt wohl auch aus Sicht der Kultusverwaltung vertretbar”, so Christoph Hillenbrand in seinem Schreiben. Der Regierungspräsident von Oberbayern weiter: “Nochmals versichere ich Ihnen, dass wir alles uns Mögliche unternehmen werden, um spätestens am Montag vor der anstehenden Abiturfeier die Nutzung der Notaufnahmeeinrichtung zu beenden.”

“Ich bedauere sehr, dass wir nicht zumindest einen entsprechenden Aufschub erwirken konnte”, erklärte Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß, der versicherte: “Wir werden unser Bestes geben, die Situation für alle Beteiligten vertretbar und verträglich zu gestalten.”

Weitere Informationen folgen zeitnah.

(Symbolfoto: Fotolia.de / Datei: #3730299 | Urheber: Mischa Krumm)