Die Straßen auf dem ehemaligen Klinik- Gelände von Haar II– dem Jugendstilpark – sind derzeit vor allem eines: aufgerissen und im Umbau. Doch in absehbarer Zeit werden hier Haustüren aufgehen und Menschen leben. Und die brauchen natürlich Adressen und Anschriften. Der Gemeinderat hat nun die neuen Straßennamen beschlossen.
Die Namensfindung war ein intensiver Prozess, denn schließlich hat das Gelände zwischen der Leib- und Vockestraße eine sehr bewegte
Vergangenheit: Während des Dritten Reichs wurden in der Haarer Klinik im Zuge der Euthanasie systematisch unschuldige Menschen umgebracht
– direkt vor Ort oder sie wurden in Vernichtungslager deportiert. Über 2.400 waren es an der Zahl. Und diese erschütternde Historie sollte bei der Straßenbezeichnung keinesfalls unter den Tisch fallen. Im Gegenteil: Haar ist sich seiner besonderen Verantwortung für die Opfer bewusst und stellt sich ihr ganz offen.
So soll es neben alten Klinikbezeichnungen wie „Alte Gärtnerei“, „Am Handwerkerhof“, „Apfelwiese“ und der bestehenden „Casinostraße“ auch eine „Edith-Hecht-Straße“ geben. Edith Hecht ist als 13-jähriges Kind am 23.12.1944 nach angeordneter überdosierter Medikamentengabe in der Haarer Klinik verstorben. Ihr Schicksal ist in einem Buch ausführlich dokumentiert– und so wird sie stellvertretend für alle Opfer dieses Areals stehen.
„Genau an dieser Straße entsteht eine Kindertagesstätte, die inklusiv arbeiten wird, das heißt, für alle Kinder offen sein. Kinder, wie Edith Hecht“, erklärt Bürgermeisterin Gabriele Müller.
Ebenso wird es einen „Max-Mannheimer-Ring“ geben, der dem vor einigen Jahren verstorbenen Haarer Bürger, Jude und KZ-Überlebenden, herausragenden Versöhner, Mahner und Menschen gewidmet ist. Und auch der verstorbene Altbürger meister Willy Träutlein bekommt im Jugendstilpark eine Straße gewidmet. Eine für alle Gemeinderäte längst fällige Ehrung. Schließlich ist Willy Träutlein der einzige verstorbene Bürgermeister, nach dem noch keine Straße in Haar benannt wurde.