Sie kennen sicherlich diese schmalen transparenten Plastikbecher, in denen man Oliven kauft. Die hebe ich gern auf, um zum Beispiel übrige Salatreste platzsparend im Kühlschrank zu verstauen. Neulich schnappte ich mir so ein Gefäß und nahm es – ja, ich weiß, das soll man nicht – mit an den Schreibtisch und löffelte beim Korrekturlesen stoisch vor mich hin. „Ach da ist der ja! Hast du etwa daraus gegessen?“ Der Blick meines Gegenübers sprach Bände. Ich hatte am Vorabend wohl versehentlich den Dosierbecher vom Hundefutter befüllt und heute Salat samt Dressing bis auf den letzten Tropfen ausgelöffelt – und nicht einmal einen Unterschied geschmeckt. Scheint gutes Futter zu sein. Aber das ist eigentlich gar nicht meine Geschichte, die geht anders.
Elvis leidet. Und zwar, Nomen est omen, wie ein Hund. Denn obgleich ihm in seinem ganzen Leben noch kein schlimmeres Übel als eine Spritze vom Tierarzt zuteil geworden ist, zelebriert er jeden kleinen Kratzer so leidenschaftlich, wie nur er es kann. Unvergessen, als kürzlich ein Blatt vom Baum segelte und sanft seine Flanke streifte (!). Elvis krümmte sich theatralisch, bis er sich dann im Rückwärtsgang, heimtückisch getroffen, in seine Ecke zurückzog und schmollte. Es fehlte nur noch, dass er dabei das Bein nachzog.
Jeder Hund, der zeitweise einen Verband oder eine Schiene tragen muss, hat mein vollstes Mitgefühl. Immerhin kann er ja nicht sprechen und versteht nicht, warum er so ein Handicap ertragen muss. Viele Hunde sind stoisch und halten durch, die mutigsten von ihnen haben sogar, trotz der Einschränkung, genauso viel Lebensfreude. Sogar mit drei Beinen. Elvis aber ist lieber Diva.
Wie bei Labradoren häufig, hatte Elvis mal wieder einen „Hot Spot“. So nennt man eine Entzündung der Haut, die sich, insofern man sie nicht richtig behandelt, rasant ausbreitet und entsprechend juckt. Die Diagnose der Tierärztin war eindeutig: eine Halskrause muss her. Schwupps hatte sie eine überdimensionale Plastikscheibe aus dem Köfferchen gezaubert und verwandelte Elvis im Handumdrehen in einen Lampenschirm. Sah nicht nach Designermodell aus.
Ich versuchte es zu überspielen, doch es war kaum möglich, das Leiden Christi zu übersehen, das von einem Tag auf den anderen in unseren vier Wänden Einzug gehalten hat. Der Trichter war Elvis so unwillkommen, dass er am ersten Abend sogar theatralisch im Stehen schlief. (Zumindest, solange man hinsah.) Kein Käsewürfel, kein Thunfischhappen konnten ihn beschwichtigen. „Wie lange muss er das denn tragen?“ fragte ich, freudlosen Zeiten entgegensehend. „Mindestens eine Woche, bis er sich nicht mehr kratzt und die Stelle verheilt ist.“ Frau Doktor war unerbittlich.
Ich wimmerte innerlich und gab mich tapfer. Elvis allerdings hatte auf die Tapferkeitsmedaille schlichtweg null Bock. Also gab er den sterbenden Schwan. Jeder, der es sehen wollte, und jeder, der nicht, wurde mit waidwunden Blicken und gesenktem Kopf geschmäht. Streicheln? Nein Danke, lass mal. Aus dem Napf trinken? Nur unter erschwerten Bedingungen, und, selbstverständlich extrem langsam und mit anklagendem Blick. Spielen? Nicht auszudenken. Wedeln? Hört mir auf. Jegliche Lebensfreude war aus ihm gewichen.
Elvis´neue Ausmaße waren seiner Stimmung auch nicht zuträglich: Wie ein Bulldozer versuchte er, überall da vorbeizukommen, wo es nunmal kein Durchkommen mehr gab. Rummmms. Am Stuhlbein hängengeblieben. Rummms, im Türspalt verhakt. Wo er beleidigt verharrte, bis man ihn befreite. Gottlob war nach 10 Tagen der Spuk vorbei. Jetzt rast und wedelt Elvis wieder. Ich werde die Zeit mit ihm als Lampe, der nie ein Licht aufgehen sollte, in Erinnerung behalten.