Leben ohne Heizung

von Markus Bistrick

Mittwoch, 16. November. Der Tag, an dem es uns eiskalt erwischt hat. Mit dem blinkenden Hinweis auf „Störung 90“ hat sich unsere Heizung verabschiedet. „Not-Aus über ChipCom“, heißt es dazu im Benutzerhandbuch. Auf Deutsch: Nix Heizung. Alles kalt. Auch das Wasser. Ein Erfahrungsbericht ….

Vorneweg: Ich bin mir selbstverständlich darüber bewusst, dass es auf der Welt größere Probleme gibt, als ein frierendes Vaterstettener Ehepaar. Und, auch dieser Hinweis ist mir wichtig: Die folgende Geschichte, die – Achtung: Spoiler – (bis heute) kein Happyend hat, enthält Kraftausdrücke und umweltbedenkliche Verhaltensweisen, die Klimaaktivisten dazu bringen könnten, mich mit Babybrei zu bewerfen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen. Zurück zum Thema.

Ein geradezu aufdringlich kundenorientierter Mitarbeiter meldet sich an der „Service“-Hotline des Heizungsherstellers und bittet uns „den Platinenstecker auf HCM-2 zu überprüfen, weil die Verbindung zwischen GBC-e und HCM-2 gestört ist“. Wie war der Name des Mitarbeiters noch? R2 D2? Egal, der Sieg geht an ihn, ich bin raus.

Ein Fachbetrieb muss her. Der kommt sogar, wegen des akuten Notfalls „nur“ zwei Tage nach unserem Anruf, schlägt aber erstmal die Hände über dem Kopf zusammen: „Oh Gott, eine Heizung von Wolf, wie kann man nur?“ Ich weise daraufhin, dass die Heizung integraler Bestandteil unseres Mietvertrags ist und – anders als unser Weinkühlschrank – kein Lustkauf meinerseits. Ich bin unschuldig – sowohl an der Wahl der Marke, von deren Existenz ich bis dahin gar nichts wusste, wie am Kondenswasser am Brenner, was angeblich die Elektronik zum Erliegen gebracht hat. Eine Stunde später die vermeintliche Erfolgsmeldung: „Die Heizung läuft wieder.“ Rost und Wasser frei, was wir primär unseren edlen Küchenhandtüchern zu verdanken haben, die wir leichtfertig, weil unbeobachtet, in der Nähe des Monteurs zum Trocknen aufgehängt hatten.

Wir verabschieden uns feierlich, während zeitgleich, und zunächst unbemerkt, nur ein Stockwerk tiefer die Heizung wieder auf „Störung 90“ springt. Freitagnachmittag. „Da kimmt koana mehr.“ Happy Weekend! Was wir dann wahlweise mit ziellosen Fahrten im wärmenden Auto verbracht haben oder rund um einen antiken Heizlüfter, der neben etwas warmer Luft ins Gesicht vor allem ordentlich Geld aus dem Fenster bläst.

„Ist vermutlich ein seltsames Angebot. Aber wenn ihr mal bei uns duschen wollt, gebt Bescheid.“ Den Satz hören wir derzeit öfters. Vom Vermieter, unseren Eltern, Freunden. Die Solidarität ist überwältigend, aber daheim ist’s halt doch am schönsten. Gut, bei 7 Grad Außen- und Innentemperatur reduziert sich die Körperpflege halt zwangsläufig auf das Allernötigste. Dusche eiskalt, Badezimmer auch. Kann es eigentlich sein, dass die Menschen in meinem Umfeld wieder verstärkt Schutzmasken tragen? Egal.

Montagvormittag. Unser Vermieter hat zwischenzeitlich das Krisenmanagement übernommen und einen anderen Handwerksbetrieb eingeschaltet. Der gratuliert uns bei seinem Kurzbesuch zunächst einmal zur Wahl einer Wolf-Heizung. „Die sind eigentlich unkaputtbar.“ Eigentlich. Wie konträr Meinungen doch sein können. Oder wie es der ehemalige Formel 1 Pilot David Coulthard einmal formuliert hat: „Meinungen sind wie Arschlöcher – jeder hat eines.“ Das sollte man übrigens im Hinterkopf haben, wenn man Online-Bewertungen liest, aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, laut Monteur: Die Elektronik muss getauscht werden. Problem: das Zubehör – Lieferketten, Rohstoffmangel und so. Aber hilft ja nix.

Nächster Morgen, 7.30 Uhr. Es klingelt ohne Vorwarnung an der Haustüre Sturm – nach einer unsererseits arbeitsbedingt äußerst kurzen Nacht. Meine müden (und verwunderten) Augen erblicken einen putzmunteren Monteur mit Overnight-Express geliefertem Ersatzteil, was für den Fehler dann aber doch nicht ursächlich war, wie sich 20 Minuten später herausstellen sollte. Ich beschließe meine Frau mit einem warmen Bad zu überraschen. Denn es sind schließlich die kleinen Freuden im Alltag, die das Zusammenleben glücklich machen. Und bei uns ist es dieser Tage alles über 10 Grad.

Heizlüfter, Kerze, pinker Badezusatz und ein Eimer mit heißem Wasser zum Nachgießen – was braucht man mehr zum Glücklichsein.

Knapp 80 Minuten und etwas über 40 Wasserkocher-Ladungen später erreicht die Badewanne endlich die Idealtemperatur. Jetzt aber hurtig, schließlich muss ich anschließend auch noch ins Wasser – so wie früher immer samstags mit der ganzen Familie.

Warum nicht gleich so: Für Donnerstag, Tag 8 in Eiseskälte, hat sich nun der Kundendienst angekündigt. Das kann ich mir gut merken, weil da auch der Miele Kundendienst wegen unseres defekten Ofens kommt – übrigens bereits zum zweiten Mal, aber das nur am Rande.