Autoklau, BMW, Matthias Sussmann, Diebstahl

Keyless Klau und das Auto ist weg

von Markus Bistrick

Drei hochwertige BMW in nur einem Monat gestohlen (B304.de berichtete). einer davon: der 3er Touring von Steuerberater Matthias Sussmann aus Baldham. Was er und die Polizei sagt, wie die Versicherung reagiert und worauf sie unbedingt achten sollten, um nicht selbst Opfer dreister Diebe zu werden:

Matthias Sussmann staunte nicht schlecht, als er am Morgen des 2. Oktober, einem Freitag, gegen 8.30 Uhr wie gewohnt mit seinem schwarzen BMW Touring in die Arbeit fahren wollte. Das rund 60.000 Euro teure Auto des 45-jährigen Baldhamers war über Nacht verschwunden. Gestohlen aus einer Sackgasse am Schlehdornweg – vom privaten Stellplatz des Steuerberaters und unmittelbar unter dem gekippten Schlafzimmer-Fenster. Lautlos und ohne jegliche Aufbruchspuren. Offenbar wurde das Auto zunächst geöffnet, um die Ecke geschoben und erst dann gestartet. „Das ist schon ein sehr, sehr beklemmendes Gefühl, wenn das alles passiert, während man in direkter Nähe schläft“, sagt uns Sussmann. Und zunächst sind da auch Selbstzweifel: „Bin ich gestern zu Fuß vom Büro heimgegangen, habe ich das Auto ausnahmsweise irgendwo anders geparkt, bin ich jetzt verrückt? Das hat ungefähr zehn Minuten gedauert, dann habe ich die Polizei gerufen. Eigentlich wusste ich ja ganz genau, dass ich am Vorabend gegen 19 Uhr noch für meine Lebensgefährtin und mich Essen bei einem Vaterstettener Restaurant geholt, dann meinen BMW wie immer vor der Garage unseres Einfamilienhauses geparkt habe und gegen 23.30 Uhr ins Bett gegangen bin.“

Mit einem einfachen Trick lassen sich die Autos klauen

Der gerade einmal 1,5 Jahre alte, geleaste 3er BMW ist nach einem X6 und einem X5 bereits das dritte hochwertige Fahrzeug, das innerhalb nur eines Monats in Vaterstetten, bzw. Baldham gestohlen wurde. Alle drei Autos waren mit „Keyless-Go“, auch „Komfort-Funktion“ genannt, ausgestattet. Dabei erkennt das Fahrzeug per Funksignal, wenn sich der Besitzer nähert und den Schlüssel bei sich trägt. Die Tür entriegelt automatisch, das Auto lässt sich bequem per Knopfdruck starten. Lästige Schlüsselsuche? Überflüssig. Eine durchaus beliebte Sonderausstattung – allerdings auch bei Langfingern, die mit einem einfachen Trick jedes Keyless-Fahrzeug innerhalb weniger Sekunden und völlig unbemerkt klauen können.

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Seit dem 2. Oktober spurlos verschwunden:
Der BMW 340i Touring von Matthias Sussmann – gestohlen mittels Funkverlängerung im Baldhamer Schlehdornweg. (Foto: Privat)

Die Masche basiert auf einem simplen Verstärker, der das Signal des Schlüssels quasi „verlängert“. Das funktioniert bis zu einer Reichweite von mehreren hundert Metern, was in den meisten Fällen reicht, um die Distanz von Wohnung und Parkplatz zu überbrücken. Aber auch bei einem Restaurantbesuch. Während Sie mit Ihrem Schlüssel drinnen beim Essen sitzen, kann der Wagen am Parkplatz geöffnet und gestartet werden. Nach Einschätzung von ADAC Experten können entsprechende Verstärker mit geringem Aufwand selbst gebaut werden. Die dafür nötigen Teile gibt es für unter 100 Euro in jedem Elektronik-Laden. Und wenn das Auto erstmal läuft, stoppt es erst, wenn der Tank leer ist. Tankt der Dieb noch bei laufendem Motor nach, kann er das gestohlene Fahrzeug problemlos auch über weite Strecken entführen. Meist werden die Wagen in einem Rutsch ins Ausland gebracht, dort wird die Sicherheitselektronik dann aus- oder umgebaut.

Autohersteller reagieren verhalten

Rund 28.000 Autos sind im Jahr 2019 in Deutschland in die Hände von Autoknackern geraten, 1.669 davon in Bayern. In der überwiegenden Anzahl der Fälle, insbesondere im hochpreisigen Fahrzeugsegment, mittels der oben beschriebenen „Relay-Attacke“, wie uns Hauptkommisar Michael Graf vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord auf Anfrage mitteilt. Und die bestohlenen Fahrzeugbesitzer laufen bei dieser besonders perfiden Form des Diebstahls zudem Gefahr, ein zweites Mal zum Opfer zu werden. Denn: Wird das Fahrzeug von der Polizei aufgefunden und es gibt keine Aufbruchs- oder sonstige Diebstahlspuren, kann das zumindest zu dem Verdacht führen, der Besitzer habe den Diebstahl nur vorgetäuscht, um Versicherungsbetrug zu begehen.

Seit etlichen Jahren macht der ADAC auf die Schwachstelle aufmerksam und fordert die Auto- und Motorradhersteller auf, „die gesamte Fahrzeugelektronik systematisch so abzusichern, wie dies in anderen IT-Bereichen längst Standard ist. Fahrzeuge mit Keyless-Schließsystem dürfen nicht deutlich leichter zu stehlen sein als Pendants mit normalem Funkschlüssel.“

Die Autohersteller reagieren verhalten. Unsere konkreten Fragen will BMW nicht beantworten. Stattdessen erhalten wir ein allgemeines Statement von Niklas Drechsler, dem Sprecher für Produkttechnik: Seit März 2018 stünde eine neue Generation von Funkfernbedienungen zur Verfügung. Und wörtlich: „Die Sicherheit wird dadurch erhöht, dass sich die Fernbedienung nach 2 Minuten Ruhelage selbstständig deaktiviert und somit durch Funkwellenverlängerung nicht mehr angreifbar ist.“ Nicht nur für Matthias Sussmann kommt das zu spät. Außerdem gilt das längst nicht für alle Modelle.

Keine Spur von gestohlenen BMW

Von den drei, in der Gemeinde Vaterstetten gestohlenen BMW, fehlt bis heute jede Spur, offenbar trotz des Versuchs der GPS-Ortung, was uns die Polizei mit Hinweis auf das laufende Ermittlungsverfahren aber nicht bestätigen will. „Grundsätzlich zieht die Polizei sämtliche verfügbaren und rechtlich zulässigen Ermittlungsmöglichkeiten in Betracht“, so Hauptkommisar Michael Graf wörtlich. Und: „Im Falle einer Lokalisierung eines entwendeten Fahrzeugs im Ausland wird ein internationales Rechtshilfeersuchen gestellt. Im Nachgang erfolgen auch Sicherstellungen/Beschlagnahmen von Fahrzeugen.“

Matthias Sussmann hat die Hoffnung aufgegeben, dass sein Auto wieder auftaucht, und die für das Jahr 2020 bezahlte Kfz-Versicherung und -steuer anteilig längst zurückerhalten. Auch für BMW ist der Fall erledigt. Leasing-Raten muss der Baldhamer seit dem Tag des Diebstahls nicht mehr bezahlen. Den Wert des 340i Touring ersetzt die Teilkasko-Versicherung des Steuerberaters, abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung. „Voraussetzung in solchen Fällen ist, dass man der Versicherung alle Fahrzeugschlüssel vorlegen kann und das Fahrzeug abgesperrt war“, erklärt Versicherungsexperte Michael Kundler.

Abgeschirmte Pralinenschachtel bringt Sicherheit

Sein neues Auto hat Sussmann bereits bestellt. Wieder mit Komfort-Funktion. „Es liegt im eigenen Ermessen, welches Sonderzubehör bei einem Fahrzeug bestellt wird“, so Polizeisprecher Michael Graf dazu. Allerdings könne es durchaus sein, dass die Versicherer in den kommenden Jahren auf dieses noch recht neue Diebstahlmuster reagieren und sich mit Vertragsklauseln absichern. Etwa bei Fahrlässigkeit im Umgang mit der Keyless-Go-Funktion, wie Michael Kundler, Geschäftsführer einer Allianz Generalagentur in Haar, andeutet. „Ohne, dass die Versicherer entsprechende vertragliche Regelungen schaffen, wird diese Auslegung wohl bis auf weiteres von den Gerichten gestaltet werden“, sagt er. Kurzum: Wer sich für die Komfort-Funktion entscheidet, sollte es Dieben nicht zu leicht machen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen. Bei Matthias Sussmann liegt der Autoschlüssel mittlerweile in einer kleinen, mit Alufolie abgeschirmten Pralinenschachtel – weit weg von seinem Auto.

So schützen Sie sich vor Autodieben: Tipps von der Polizei

  • Parken Sie Fahrzeuge, wenn möglich, nicht am Straßenrand oder in ungesicherten Carports. Nutzen Sie besser eine abschließbare Garage oder stellen Sie Ihr Fahrzeug zumindest an gut beleuchteten und belebten Straßen ab. Und lassen Sie immer das Lenkradschloss einrasten.
  • Achten Sie auf verdächtige Personen oder Fahrzeuge mit auswärtigen Kennzeichen, die mehrmals langsam durch die Straße „streifen“ und notieren Sie sich das Kennzeichen. Achten Sie auch auf Personen, die Ihr Fahrzeug fotografieren. Dies kann bereits eine Vorbereitungshandlung für einen späteren Diebstahl sein. Hochwertige Fahrzeuge werden oft auf Bestellung gestohlen.

Speziell für Besitzer von Fahrzeugen mit Keyless Komfortsystem:

  • Legen Sie den Schlüssel nie in der Nähe der Haus- oder Wohnungstür ab bzw. versuchen Sie das Funksignal durch geeignete Maßnahmen (z. B. Aluminiumhüllen) abzuschirmen. Des Weiteren gibt es funkdichte Hüllen für Keyless-Schlüssel bereits ab ca. 30 Euro (u.a. bei Amazon). Wichtig: Machen Sie vorher den Selbsttest. Nur wenn das Fahrzeug sich nicht einmal dann öffnet, wenn Sie den „abgeschirmten“ Schlüssel direkt neben die Fahrzeugtür halten, haben auch die Diebe mit der Überlistung dieser Technik keine Chance. So können die Diebe den Funkschlüssel nicht über längere Strecken übertragen.
  • Achten Sie beim Aussteigen aus dem Wagen, laut Polizei, auf Personen mit Aktenkoffern in Ihrer unmittelbaren Nähe. Dabei könnte es sich um professionelle Autodiebe handeln.
  • Fragen Sie bei dem Hersteller Ihres Fahrzeuges, ob für Ihr Fahrzeug der Komfortzugang temporär deaktiviert werden kann. Manche Hersteller bieten am Schlüssel die Funktion, durch zweimaliges Drücken auf die Verriegelungs-Taste am Schlüssel, die Keyless Funktion ganz auszuschalten. Fragen Sie bei Ihrer Fachwerkstatt nach, welche Möglichkeit es speziell für Ihr Fahrzeug gibt.

Fotos: privat / Ilona Stelzl