Hoffnung für Weißenfeld?

von Leon Öttl

Die Umfahrung für Parsdorf und Weißenfeld ist wohl endgültig vom Tisch, auch wenn das noch niemand deutlich sagen will – die einen nicht, weil sie den Bürgern immer wieder im Wahlkampf eine Verkehrsentlastung versprochen haben, die anderen nicht, weil noch immer fünf Klagen von Grundstückseigentümern vor Gericht verhandelt werden. Nicht zuletzt aufgrund der Kosten für eine Umfahrung, die nach aktuellem Stand auf rund 47 Millionen Euro geschätzt werden, gilt das Projekt aber längst als nicht realisierbar. Doch zumindest für Weißenfeld gibt es jetzt Grund zur Hoffnung.

Im Zuge des vierspurigen Aus- und Umbaus der Autobahn A99 muss die M18/EBE4 (Verbindung zwischen Feldkirchen und Weißenfeld) – zumindest für die mehrjährige Dauer der Arbeiten – verlegt werden. Im Rahmen der Prüfung verschiedener Trassen-Alternativen wurde statt eines Provisoriums auch eine dauerhafte, alternative Trassenführung (siehe Grafik oben: Variante 5 in Grün) eingebracht, die letztlich einer Südumfahrung für Weißenfeld gleichkommt. In der Gemeinderatssitzung, in der Vertreter der Autobahn GmbH den aktuellen Planungsstand vorstellten, wurde über die neue Variante diskutiert.

Das Autobahnkreuz befinde sich am Rande der Leistungsfähigkeit und sei zukünftig nicht mehr leistungsfähig, so Frauke Mazur von der Autobahn GmbH Südbayern. Im derzeitigen Vollkleeblatt seien die Rampenbeziehungen nicht mehr ausreichend. Bei der ersten untersuchten „Bestandsvariante“ würden Tunnelbauwerke nötig, die Kreisstraße müsste tiefer gelegt werden – ein großer Aufwand. Daher bevorzuge die Autobahn GmbH die dauerhafte Verlegung an die Anschlusstelle (blau). 

Im Austausch mit der Kommune wurde gebeten, die Variante 5 genauer anzuschauen: „wir sehen durchaus einen Charme drin“, so Mazur. Das könne eine „Win-Win-Situation“ werden. Die aktuelle Planung sei allerdings nur die Skizzierung einer möglichen Variante „auf oberflächlichem, groben Niveau“. 

Die Verwaltung fährt zweigleisig

Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) lobte die Südumfahrung. Man könne mit ihr eine „effektive Entlastung für Weißenfeld schaffen“, zudem profitiere vielleicht auch Parsdorf. Aussprechen wollte Spitzauer das faktische Aus für die geplante Ortsumfahrung für Weißenfeld, Parsdorf und Hergolding noch nicht, doch seine Worte in der Sitzung waren ziemlich deutlich: die Gesamtwetterlage, unter anderem mit dem Geothermieprojekt und Ausgaben für die Schulen und Kinderbetreuung, hat es immer schwieriger gemacht, die Umfahrung umzusetzen. „In diesem Kontext sehe ich es schon schwierig, sämtliche Maßnahmen der Wunschliste umzusetzen“, so der Bürgermeister. 

Die Leiterin des Bauamts, Brigitte Littke, informierte zum aktuellen Sachstand der Ortsumfahrung. Der Zuschuss eines Investors zum Umfahrungsbau, der nur bei Fertigstellung bis Ende 2023 geleistet worden wäre, sei nicht mehr absehbar, man habe die eingezahlte Sicherheit zurückgezahlt. „Damit sei zu rechnen, dass keine Einnahmen mehr erfolgen“, so die Amtsleiterin. Noch fünf Klagen seien vor dem Verwaltungsgericht anhängig, durch einen Kammerwechsel zögen sich die Verfahren dahin, man warte auf Termine. Erst nach Abschluss erhielte der Planfeststellungsbeschluss Bestand – zunächst für fünf Jahre, mit Möglichkeit zur Verlängerung um weitere fünf Jahre. Doch die Kosten seien gestiegen: Von ursprünglichen 21,46 Millionen Euro ging man bei Erhalt des Planfeststellungsbeschlusses von 31,73 Millionen aus. Inzwischen rechnet man mit 46,8 Millionen Euro Kosten „was auch schon enorm ist“. Wichtig war ihr jedoch, „die Ortsumfahrung mit heutigem Beschluss nicht zu beerdigen, wir fahren zweigleisig“. 

SPD: Kein Aus, sondern Neuanfang

Für SPD-Fraktionssprecher Josef Mittermeier ist die Variante 5 kein Aus, sondern stelle einen „Neuanfang“ dar. Ein Teil der Umfahrung würde so realisiert. Von der reinen Ortsumfahrung für Weißenfeld würde lediglich Weißenfeld profitieren, Parsdorf und Hergolding gingen dagegen „leer aus“. Daher müsse man den zweiten Ast der Y-Variante realisieren, also die Erweiterung der Variante 5 um den geplanten Umfahrungs-Teil um Hergolding und Parsdorf in den Norden: „Das wäre die optimale Entlastung“, so könne man nach einer Untersuchung alle Ortschaften um mindestens 70 Prozent entlasten. 

Die Y-Variante sei zwar grundsätzlich möglich, so Bürgermeister Spitzauer, dabei gäbe es aber ein Problem: „ich sehe nicht, wie wir das alles finanzieren“. Inbesondere das Brückenbauwerk zur Unterführung der Umgehungsstraße unter der A94 westlich von Parsdorf sei kostenintensiv. 

Grüne: vom Pferd absteigen

Statt wie die Verwaltung zweigleisig zu fahren schlugen die Grünen vor, sämtliche Planungen zur Ortsumfahrung und die Rechtsstreitigkeiten mit sofortiger Wirkung zu beenden: „es versteht doch niemand, dass wir das zweigleisig durchführen“, begründete Axel Weingärtner den Antrag auf Beendigung der Planen. Man solle nicht viel Geld für etwas ausgeben, das tot ist. Das zweigleisige Vorgehen sei „sinnlos“, daher sei die Beendigung die einzige Konsequenz. Man sei nur bereit, den neuen Variantenvorschlag zu unterstützen, wenn der Gemeinderat das große Vorhaben der Ortsumgehung beendet. Dann könne man der Bevölkerung auch sagen, was Sache sei, so Weingärtner. 

Zwar stünden die Grünen Straßenbaumaßnahmen kritisch gegenüber, da es „auf jeden Fall“ eine Verkehrszunahme durch den Ausbau der A99 geben wird: „wir hoffen auf vernünftigen Schallschutz“. Doch auch die andere Seite wolle Weingärtner nicht verschweigen: „ich glaube schon, dass eine Entlastung Weißenfelds dadurch möglich ist“. Die von der SPD vorgeschlagene Y-Variante hingegen sei „unrealistisch“, denn sie sei nicht bezahlbar.

Bestätigung für die Planungen

Brigitte Littke entgegnete, das Zweigleisigfahren sei wichtig, denn die Gemeinde habe in die Planungen viel Kapital und Know-How hereingesteckt. Gerade, weil man glaube, der Planfeststellungsbeschluss sei wirksam, wolle man die Verfahren nicht aufgeben. Aktuell fließe kein Geld in Planungen, da diese gestoppt sind, daher gäbe es auch keinen Verwaltungsaufwand. Die Anwaltskosten rechne man über die Versicherung ab. Der Gemeinderat müsse sich absichern, damit man nicht etwas aufgebe und danach „vor dem Null“ stünde und „wieder ganz von vorne anfangen“ müsse. Leonhard Spitzauer verglich die Planungen mit einem Marathon. Man sei nun „wirklich 5 Meter vorm Ziel, und das sollten wir schon noch abhandeln“. 

CSU: „ehrlich sein“

Benedikt Weber, gleichzeitig Referent für Straßenbau, unterstützt die Prüfung der Variante. Man müsse ehrlich sein, die Kosten seien explodiert. Man solle dennoch die anhängigen Gerichtsverfahren abwarten. Das sieht die FDP ähnlich: Klaus Willenberg betonte, er sei im Ergebnis ganz bei Axel Weingärtner, doch der Ergänzungsvorschlag, das Vorhaben komplett zu stoppen, ginge zu weit. Roland Meier (FW) hingegen befürwortete das sofortige Aus und sprach sich für einen Radweg neben der neuen Strecke aus. 

„Einfach wird es nicht“

Man kann sich vorstellen, die Variante 5 in die Planungen mit aufzunehmen, so Jochen Eid von der Autobahn GmbH des Bundes. Allerdings erfülle man einen Hauptauftrag: den Ausbau der Autobahnen, darauf liege das Augenmerk. Denn man handle in gesetzlichem Auftrag, Grundlage sei hier der Bundesverkehrswegeplan. Die Folgekosten für den Umbau des Kreuzes zahle der Straßenbaulastträger, also hier der Bund. Die Verlegung der Kreisstraße sei eine Folgemaßnahme des Ausbaus, daher würde der Bund diese übernehmen. Das gelte aber nur für die Varianten 1 und 2, denn die Südumfahrung Weißenfelds, also die Variante 5, sei „mehr als das“, was durch die Baumaßnahmen ausgelöst werden. Die Baulastträger müssten sich einigen, die „Variante 5 geht nur gemeinsam“. Auf Nachfrage von Benedikt Weber, wie hoch die Kostenbeteiligung sein wird, erklärte Eid, dass sich die Kosten nach Verständnis der Autobahn GmbH auf die Mehrkosten im Vergleich zur Variante 2 belaufen werden.  Die Variante 5 mache „das Ganze anspruchsvoller“, so Eid: „wir treiben die Autobahn voran“, der Autobahnausbau werde der Taktgeber sein: „rechnen Sie nicht damit, dass Sie die Autobahn vor Ihren Karren spannen können“. 

Entscheidung in diesem Jahr, Fertigstellung frühestens 2031

Nach mehrheitlicher Zustimmung (Ablehnung Grüne, FW) durch den Gemeinderat wird die Variante nun gleichberechtigt der Varianten 1 und 2 behandelt und untersucht. Schon nach den Sommerferien soll dann die Entscheidung fallen, „womit wir ins Rennen gehen“, betont Eid. Seine Kollegin Mazur sprach von einem frühesten Baubeginn im Jahre 2031, „da ist aber noch viel Luft nach hinten“. 


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