Haarer Hochhausstreit eskaliert

von Markus Bistrick

Die Bürgerinitiative „Mia san Haar“ hat ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion am Mittwoch (9. Juli) kurzfristig abgesagt und gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen die Gemeinde Haar erhoben. Von Hinhaltetaktik und Parteilichkeit ist die Rede. Haars 1. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sieht das – kaum überraschend – anders. Das Tuch scheint nun endgültig zerschnitten. In der Sache ging es übrigens eigentlich einmal um die Frage, wie hoch künftig in Haar gebaut werden darf. Doch nicht nur darüber werden die Bürger wohl am 27. Juli abstimmen.

Thomas Reichel, 3. Bürgermeister in Haar, unterstützt mit seiner CSU die Begrenzung der künftigen Gebäudehöhe auf 19 Meter.
Thomas Reichel, 3. Bürgermeister in Haar, unterstützt mit seiner CSU die Begrenzung der künftigen Gebäudehöhe auf 19 Meter.

„Ich bin einfach nur baff“, sagt Haars 3. Bürgermeister Thomas Reichel (CSU), als ihn B304.de gestern Abend telefonisch erreicht und mit der Absage der Podiumsteilnahme von „Mia san Haar“ konfrontiert. Weil das – seiner Meinung nach – die Chancen für einen Sieg der Bürgerinitiative, die von der CSU unterstützt wird, bei dem Bürgerbegehren am 27. Juli nicht unbedingt erhöhe. Besonders erhitzt Reichel jedoch, dass die Gemeinde Haar ausgerechnet den langjährigen Bürgerking Helmut Dworzak (SPD), ein passionierter Befürworter der Hochhaus-Pläne, zum Referenten bei einer neutralen Podiumsdiskussion ernannt habe. „Das hat mit Ausgewogenheit nichts mehr zu tun, dann ist das keine neutrale Podiumsdiskussion mehr, sondern eine Werbeveranstaltung für das Ratsbegehren.“ Das sei grundsätzlich auch in Ordnung, aber nicht, wenn die Veranstaltung nach außen als neutrale Podiumsdiskussion der Gemeinde Haar verkauft werde, sagt Thomas Reichel gegenüber B304.de. “Mia san Haar” wird deutlicher und spricht von Parteilichkeit der Gemeinde Haar: „Die Vertreter des Begehrens sollen den Berufspolitikern und ausgewiesenen Gegnern des Bürgerbegehrens zum Fraß vorgeworfen werden.” Haars 1. Bürgermeisterin, Gabriele Müller, hält dagegen: „Ich habe auf einen Platz auf dem Podium verzichtet, um die Parität zu erhalten, denn mein Ziel war es, interessierten Bürgerinnen und Bürgern größtmögliche Objektivität zu bieten.“ Doch die CSU habe am 3. Juli überraschend zu einer eigenen „Informationsveranstaltung“  eingeladen, auf der nur eine Seite zu Wort gekommen sei. (B304.de berichtete)

An diesem Grundstück enzündet sich der "Hochhausstreit". Schon seit Jahren steht das Gewerbegebäude aus rotem Naturstein leer. Der Eigentümer will hier Wohnraum u.a. in einem umstrittenen Hochhaus entstehen lassen. (Foto: B304)
An diesem Grundstück enzündet sich der “Hochhausstreit”. Schon seit Jahren steht das Gewerbegebäude aus rotem Naturstein leer. Der Eigentümer will hier Wohnraum u.a. in einem umstrittenen Hochhaus entstehen lassen. (Foto: B304)

 

“Wie geht man in Haar inzwischen miteinander um?”

Helmut Dworzak versteht die Aufregung nicht und erklärt noch gestern Abend gegenüber B304.de: „Nach der inhaltlich schwachen Veranstaltung der vergangenen Woche habe ich persönlich das Gefühl, dass sich die Bürgerinitiative einer sachlichen Auseinandersetzung entziehen will.” Und weiter: „Dass man sich nicht auf das Podium setzen will, weil der alte Bürgermeister ein Einleitungsreferat zu regionalplanerischen und stadtplanerischen Voraussetzungen hält, finde ich eigentlich unglaublich. Wie geht man in Haar eigentlich inzwischen miteinander um?“

“Fairness und Demokratie sehen anders aus”

Helmut Dworzak mit seiner Frau bei der Überreichung des Abschiedsgeschenks durch seine Nachfolgerin im Amt des 1. Bürgermeisters Gabriele Müller (r., beide SPD). Die Bürgerinitiative sieht in der Nähe der Beiden eine “Parteilichkeit” der Gemeinde Haar.

Gabriele Müller lässt sich zu dem Gastauftritt von Helmut Dworzak wie folgt zitieren: „Nachdem ihm letzte Woche auf der CSU-Veranstaltung derart unwirsch das Wort entzogen wurde, haben wir ihn gebeten.“ Seit Montag stünde fest, dass er das Eingangsreferat zu „Grundzügen der Regional- und Ortsplanung“ halten werde. Für die Bürgerinitiative „Mia san Haar“ ist dagegen klar, dass hier mit ungleichen Mitteln gekämpft werde. „Bereits beim Sammeln der Unterschriften gab es neben dem großen Zuspruch der Haarer Bürger unschöne Begleitumstände, als Bürgermeister an den Infoständen der Initiative versuchten, die Bürger davon abzuhalten, auf den Listen zu unterschreiben. Fairness und Demokratie sehen anders aus“, schreibt „Mia san Haar“ in einer Pressemitteilung. „Dass ich auf der Straße Bürger, die unterschreiben sollten, angesprochen habe, ist richtig“, räumt Dworzak gegenüber B304.de ein und begründet das damit, dass „die Agitation zum Teil unerträglich war“. Vielen Bürgern sei nicht klar gemacht worden, dass sie dafür unterschreiben würden, dass überhaupt kein Haus mehr über 19 Metern gebaut werden solle. „So viel zu Fairness und Demokratie.”

“Ziel war größtmögliche Objektivität”

Ein weiterer Vorwurf der Bürgerinitiative lautet: „In Bezug auf die Podiumsdiskussion hat die Bürgerinitiative seit vier Wochen versucht, die Namen der Teilnehmer, insbesondere des Fachreferenten, und den genauen Ablauf zu erfragen.“ Diese Auskunft sei seitens der Gemeinde bis Montagabend nicht erteilt worden. Bürgermeisterin Gabriele Müller hält dagegen: „In einem internen Abstimmungsgespräch am 17. Juni sollte die Öffentlichkeitsarbeit in punkto Bürgerbegehen und Ratsbegehren abgestimmt werden. Die Bürgerinitiative lehnte eine Absprache aber rundweg ab.”

Abschließend ließ Müller wissen, dass sie die Absage der Bürgerinitiative außerordentlich bedauere: „Es tut mir für die Besucher leid, die sich an diesem Abend in einer direkten Auseinandersetzung sicher gern ein Bild von beiden Seiten gemacht hätten.“ In der Mitteilung der Bürgerinitiative „Mia san Haar“ zeigt man sich dagegen kämpferisch: Man werde sich trotz der „Parteilichkeit der Gemeinde Haar“ weiterhin bemühen, die Haarer Bürgerinnen und Bürger über dieses Thema offen, ehrlich und kompetent zu informieren.

Möge sich jeder ein eigenes Bild machen: Der heutige Abend, die Podiumsdiskussion im Haarer Bürgerhaus (ab 19.30 Uhr), bietet spätestens mit Absage der Vertreter von “Mia san Haar” zweifelsohne keine Objektivität mehr, dürfte dennoch äußerst spannend werden. Denn Publikumsfragen – schriftlich und mündlich – sind heute ausdrücklich zugelassen und viele kritische Interessenten werden wohl auch dabei sein. B304.de ist für Sie vor Ort.

 

So könnte die Bebauung des rund 2.750 Quadratmeter großen Areal an der B304 in Haar aussehen. Der Streit entzündet sich an dem markanten Hochhaus mit 34 Metern Höhe, das sich nach oben verbreitert.
So könnte die Bebauung des rund 2.750 Quadratmeter großen Areal an der B304 in Haar aussehen. Der Streit entzündet sich an dem markanten Hochhaus mit 34 Metern Höhe, das sich nach oben verbreitert.