Ein Schrecken ohne Ende?

von Markus Bistrick

Bislang hat sich das Haarer Rathaus offiziell bedeckt gehalten. Intern brodelt es dagegen heftig, nach dem das Landratsamt München die beiden Bürgerentscheide in Haar für ungültig erklärt hat. Heute Nachmittag hat Bürgermeisterin Gabriele Müller nun verlauten lassen, dass Sie sich dafür ausspricht, zunächst vorsorglich Klage beim Verwaltungsgericht einzureichen, gleichzeitig aber das Gespräch mit der Bürgerinitiative “Mia san Haar” zu suchen. Letztlich müsse jedoch der Ferienausschuss des Gemeinderats am 20. August darüber entscheiden.

Gabriele Müller (SPD) ist um Deeskalation bemüht und sucht den Konsens. In einer offiziellen Mitteilung aus dem Haarer Rathaus wird die Bürgermeisterin wie folgt zitiert: ” Für mich zeichnet sich folgender Weg ab: Wir reichen vorsorglich Klage beim Verwaltungsgericht ein, zunächst ausschließlich zur Fristwahrung. Gleichzeitig suchen wir mit den Vertretungsberechtigten der Bürgerinitiative das Gespräch.” Und weiter: “Gelingt es uns dabei, einvernehmlich eine weitere Abstimmung entbehrlich zu machen, ziehen wir die Klage zurück.” Im Klartext heißt das: Sollte die Bürgerinitiative “Mia san Haar” und damit wohl vor allem auch die unterstützende Partei, die Haarer CSU, gemeinsam mit der Mehrheit im Haarer Gemeinderat zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, bleibt den Bürgerinnen und Bürgern ein weiterer Urnengang erspart. Andernfalls hat die Abstimmung ein juristisches Nachspiel, an dessen Ende eine erneute Abstimmung stehen könnte. Doch: “Ob dieser Weg beschritten wird, entscheidet nicht allein die Bürgermeisterin, sondern der Ferienausschuss des Gemeinderats, der am 20. August tagt”, heißt es in der offiziellen Stellungnahme aus dem Rathaus weiter.

Der Stein des Anstoßes: Dieses Informationsblatt fanden die Weidenbuschs in der Wahlkabine in Ottendichl. (Repro: B304)

Häuser über 19 Meter Höhe soll es in Haar grundsätzlich nicht mehr geben, so will es die Bürgerinitiative “Mia san Haar”. Oder doch? Zumindest in Einzelfällen – dann aber mit Bürgerbeteiligung, so möchte es das Ratsbegehren. Um diese beiden Alternativen ging es bei der Abstimmung am 27. Juli in Haar. Beide Bürgerentscheide haben am Wahltag eindeutig nicht die erforderliche Stimmenzahl erreicht. Zu wenige Bürgerinnen und Bürger hatten sich für eine der beiden Positionen begeistern lassen. Damit wäre alles beim Alten geblieben und der Gemeinderat hätte das letzte Wort gehabt. Aber: Wie berichtet, hatte die Frau des CSU-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Münchner Landrats Ernst Weidenbusch die Rechtsaufsicht des Landratsamtes eingeschaltet. Auslöser war ein Informationsblatt der Gemeinde zum Bürgerentscheid, das in einem Wahllokal in Ottendichl in der Wahlkabine hing. Darin wurde u.a. das Zustandekommen des Bürgerentscheids mit Bürgerbegehren und Ratsbegehren und das komplizierte Wahlverfahren erläutert. Das sei, so Ernst Weidenbusch schon am Abend des Bürgerentscheids, ein klarer Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Abstimmung und „unzulässige Wahlbeeinflussung“. Diesen Vorwurf weist Bürgermeisterin Gabriele Müller entschieden zurück: “Es war zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise beabsichtigt, Einfluss auf das Abstimmungsverhalten zu nehmen. Im Gegenteil: Durch den Aushang eines mit einem Fachanwalt abgestimmten Infoblatts, das vorrangig den Begriff des „Quorums” erklären sollte, wollten wir verhindern, dass Mitglieder des Wahlvorstands am Abstimmungstag in inhaltliche Diskussionen verwickelt werden. Ausschließlich deshalb wurde das Infoblatt in jedem Abstimmungsbezirk zusammen mit einem Musterstimmzettel und der Wahlbekanntmachung ausgelegt”, lässt Bürgermeisterin Gabriele Müller heute über die Rathaus Pressestelle mitteilen. Das sieht unter anderem die Haarer CSU anders. “Für die Urheber der Abstimmungsmanipulation muss es ernste Konsequenzen geben”, lässt sich der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch zitieren. “Zur Verteidigung der Demokratie, einer tollen Errungenschaft, deren Wert wir gelegentlich vergessen, weil wir uns schon so sehr an sie gewöhnt haben, gilt es, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die mit ihrem dreisten Versuch, die Abstimmung zu beeinflussen, diese Demokratie angegriffen haben”, so der stellvertretende Landrat weiter.

Spätestens am 20. August dürfte es beim Ferienausschuss des Gemeinderats nun noch einmal spannend werden. Zumindest dann, wenn man nicht vorher zur Normalität zurückfindet. Gabriele Müller jedenfalls setzt auf die Vernunft aller Beteiligten und appelliert, dass bis dahin auf weitere verbale Attacken und Vorverurteilungen verzichtet werden sollte. Das sieht offenbar auch Ernst Weidenbusch ähnlich: “Nach dem Hochhaus-Bürgerentscheid und dessen Annullierung durch die Kommunalaufsicht sind nun alle  gefordert, vorausschauend und besonnen zu handeln. Die Bürgerinitiative muss zur Kenntnis nehmen, dass eine weitere Abstimmung die Gemeinde nicht vorwärts bringt und die Gemeinderatsmehrheit muss einsehen, dass der Umgang mit der Initiative “Mia san Haar” nicht demokratisch war. Ich hoffe daher, dass die Bürgerinitiative keine Wiederholung der Abstimmung betreibt, und dass die Bürgermeisterin die Chance ergreift, jetzt nicht unter Hinweis auf einen manipulierten Bürgerentscheid das Hochhaus-Projekt voranzutreiben, sondern in den nächsten Monaten einen konstruktiven Dialog zwischen Bauwerber und Bürgerinitiative zu moderieren und dabei die entstandene Spaltung der Gemeinde zu überwinden.” Klingt doch versöhnlich. Wir sind gespannt und bleiben dran. Spätestens am 20. August wissen wir mehr.