Feierlicher Empfang im Rathaus

von Catrin Guntersdorfer

Es sind die besonderen Momente im Haarer Rathaus, wenn die zahlreichen Ehepaare über die Schwelle treten. Nein, wir reden nicht von den vielen, die im Frühjahr mit einem Blütenblätter-Regen vor dem Standesamt von Freunden und Familie nach dem frischen Ja-Wort empfangen werden. Wir reden von denen, die das schon gemacht haben. Lange gemacht haben. Genauer gesagt: Vor 50, manche sogar vor 60 Jahren. Zweimal im Jahr lädt Bürgermeisterin Gabriele Müller mittlerweile zum Ehejubiläumsempfang ein und es ist immer wieder berührend schön. 920 Ehejahre vereint in 18 Paaren hatten sich kürzlich
zusammengefunden: Zwei haben bereits 1958 geheiratet, alle anderen sind „echte 68er“-Paare. Sich das Ja-Wort in diesem unvergessenen Jahr gegeben zu haben, ist schon was Besonderes. Denn damals war die Jugend schließlich komplett gegen Traditionen und das Establishment eingestellt. Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller hatte die, die sich damals trotzdem in die Ehe wagten, zum Empfang eingeladen. Hier gab es neben einem schönen Brautstrauß für die Damen und dem obligatorischen Glas Sekt zum Anstoßen und den Häppchen auch die Möglichkeit, ein neues „Hochzeitsfoto“ von einer Profi-Fotografin
aufnehmen zu lassen, selbstverständlich als Geschenk der Gemeinde.
Doch zunächst wurde geplaudert, gelacht, aber auch anrührende Geschichten erzählt. Die Bürgermeisterin zählte die vielen Ereignisse auf, die 1968 Deutschland und die Welt beschäftigte: Während sich die Musik zwischen Heintje und Hair bewegte, Yellow Submarine von den Beatles und die Oswalt-Kolle-Filme ins Kino kamen, war die Politik äußerst bewegt. Der Prager Frühling forderte viele Opfer, die Studentenunruhen bestimmten das Tagesgeschehen, es gab schlimme Attentate. Betroffen wurde die Stimmung im Sitzungssaal, als einer der anwesenden Jubilare erzählte, dass er beim Prager Frühling als Soldat dabei sein musste. Aber auch gesellschaftlich hat sich sehr viel getan: Die Rechte der Frauen haben sich in den letzten 50 Jahren enorm
verändert. Damals durfte eine Frau beispielsweise nur arbeiten, wenn sie dadurch ihre Pflichten als Hausfrau nicht vernachlässigte. Für vieles musste die Zustimmung ihres Ehemanns eingeholt werden. Die anwesenden Damen konnten sich allesamt gut an diese Zeit erinnern. „Seither mussten sich die Herren doch ganz schön bewegen“, resümierte die Bürgermeisterin, was die Jubilare lachend mit einem „schad“ quittierten.
Vom Weltgeschehen kam man dann wieder zurück in die Heimat: Eine ganze Reihe der anwesenden Paare wurden vor 50 Jahren in Haar getraut, von Bürgermeister Willy Träutlein. Den kirchlichen Segen bekamen sie von Pfarrer Kazuch oder Pfarrer Leyerer. Doch es wurde keinesfalls nur in Erinnerungen geschwelgt: Die Paare ließen sich von ihrer Bürgermeisterin über die Entwicklungen in der Gemeinde informieren, fragten nach, zum Thema Grundschule, Maria-Stadler-Haus oder Jugendstilpark. Und sie waren über die Planungen, vor allem für die ältere Generation in Haar, durchaus erfreut.
Zum Abschluss wollte Gabriele Müller den Paaren dann doch noch ihr Geheimnis entlocken: Wie hält eine Ehe denn so viele Jahrzehnte? Es ist die Liebe. Klar. Aber auch Kompromissbereitschaft und Toleranz. „Friagnua heiraten und dann nimmer links und rechts schauen“, lautete eine eher pragmatische Antwort. Doch für schallendes Gelächter sorgte schließlich die Antwort eines der anwesenden Bräutigame: Schwerhörigkeit– das sei das Geheimnis einer langanhaltenden Ehe.

(Foto:Gemeinde Haar)