„Ein herzliches Willkommen sieht anders aus”

von Markus Bistrick

Demnächst – vermutlich Anfang November – werden 46 Asylbewerber in Containern auf dem Parkplatz der Kfz-Zulassungsstelle in Neukeferloh untergebracht. Dass das nur eine Notlösung sein kann, darüber war man sich bei der Grasbrunner Bürgerversammlung am Donnerstag einig. Auch darüber, dass den Menschen geholfen werden muss. Doch wie groß waren die Bemühungen eine Alternative zu finden wirklich? Was sagen die Gewerbetreibenden im Technopark? Und wie kann man eigentlich konkret helfen? B304.de hat nachgehakt…

Mit dem Rücken an der Wand. Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder steht am Donnerstagabend rund 100 Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort – sein Handlungsspielraum ist allerdings begrenzt, weil die Entscheidungen von oben kommen. (Foto: B304.de)

Rund 100 Interessierte waren am Donnerstagabend ins Bürgerhaus Neukeferloh gekommen, um sich aus erster Hand zu informieren – unter anderem über die geplante Notunterkunft für 46 Asylbewerber auf dem Parkplatz der Kfz-Zulassungsstelle im Technopark 1. In einem Rundbrief hatten Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) und Landrat Christoph Göbel (CSU) die Grasbrunner kurzfristig über das bevorstehende „Provisorium“ informiert und um Verständnis geworben. „Wir sind zuversichtlich, dass diese behelfsmäßige Unterbringung der Menschen in einer provisorischen Containeranlage reibungslos verlaufen wird“, heißt es in der amtlichen Information. Wohlwissen, dass das Thema „Fragen aufwerfen und vielleicht auch Unsicherheit und Ängste hervorrufen wird“, waren zur Bürgerversammlung sicherheitshalber fünf Vertreter/innen des Landratsamts erschienen. „Es wird natürlich nicht alles

“Betrachten Sie das als Chance.” Der stellvertretende Münchner Landrat Ernst Weidenbusch bei der Bürgerversammlung in Grasbrunn. (Foto: B304.de)

problemlos laufen“, räumte der stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch (CSU) in seinem Grußwort ein und appellierte gleichzeitig an die Integrationsbereitschaft der Grasbrunner. „Betrachten Sie das als Chance. Machen Sie sich keine Sorgen, sondern gehen Sie das eher mutig an. Ich kann Ihnen nur sagen, wenn Sie diesen Menschen warm, herzlich und fröhlich begegnen, dann trägt das maßgeblich zu einem guten beiderseitigen Verhältnis bei.“

Mit zweierlei Maß gemessen

„Ich bin vorsichtig formuliert sehr unglücklich über diese Lösung“, erklärt Franz Aigner gegenüber B304.de. Franz Aigner ist Geschäftsführer der Aigner Immobilien GmbH, die im Technopark 1 nicht nur ihren Firmensitz hat, sondern der Gemeinde auch seit Jahrzehnten persönlich wie geschäftlich eng verbunden ist, dort im großen Stil investiert hat,  für Gewerbesteuer sorgt und bis heute viele Gebäude am Bretonischen Ring besitzt – unter anderem den Komplex mit Hausnummer 2 (Tengelmann und Fitnessstudio).

„Wenn das Landratsamt etwas will, dann gilt über Nacht keine Stellplatzverordnung mehr und plötzlich ist auch das Wohnen in einem Gewerbegebiet möglich. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, das kann so nicht sein“, sagt uns Franz Aigner, der derzeit rechtliche Schritte gegen das Landratsamt prüft, auch um sich schützend vor den Einzelhandel zu stellen, der es dieser Tage allerorten nicht leicht hat.

Doch es geht nicht darum wirtschaftliches Interesse über persönliches Schicksal zu stellen. “Ich hätte mir zumindest gewünscht, dass entweder das Landratsamt oder zumindest die Gemeinde vorab den Dialog mit uns als langjährigem Partner gesucht hätte und wir nicht erst aus den Medien von den Plänen erfahren müssen”, so Franz Aigner sichtlich aufgebracht gegenüber B304.de.

Bereits heute ist die Parkplatzsituation rund um den Tengelmann äußerst angespannt und der Parkplatz der Kfz-Zulassungsstelle während den Öffnungszeiten nicht selten bis auf den letzten Platz gefüllt. Dass sich der Parkdruck “erhöhen”wird, wenn auf den hinteren beiden Parkplatzreihen der Zulassungsstelle die Wohn-Container stehen, räumt auch der stellvertretende Landrat Ernst Weidenbusch ein: „Uns ist durchaus bewusst, dass das nicht lustig ist“, sagt er am Abend der Bürgerversammlung.

Die Gemeinde Grasbrunn hat dieser Tage vorsorglich am Bretonischen Ring Schilder aufstellen lassen, die das Parken mit Parkscheibe nur für zwei Stunden erlauben, um zumindest Dauerparkern – insbesondere um den für Werbezwecke abgestellten Anhängern ein Platzverbot zu erteilen.

Ein herzliches Willkommen sieht anders aus

“Schöner wohnen”. So oder so ähnlich wird die Container-Unterkunft im Technopark aussehen. (Fotos: Landratsamt München)

Den notleidenden Menschen muss geholfen werden, das weiß und will ausdrücklich auch Franz Aigner, aber wenn es möglich ist eine Stellplatzverordnung auszuhebeln, dann müsse es auch möglich sein, eine Fläche der Gemeinde kurzfristig umzuwidmen und mit entsprechenden Anschlüssen zu versehen. Zumal es wohl wenig Fantasie braucht, um zu wissen, dass das “Provisorium” sicher länger als ein paar Monaten bestehen bleibt. Alleine wegen der Investitionen für die Errichtung der Container-Unterkunft, aber vor allem auch, weil weltpolitisch derzeit keine Entspannung in Sicht ist.

Aigner hätte sich daher gewünscht, dass auch andere Alternativen vorab geprüft worden wären. Inwieweit das tatsächlich geschehen ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Fakt ist aber, dass bei größeren Grund- oder Immobilienbesitzern im Gemeindegebiet zumindest nicht nachgefragt wurde – wie unsere Recherche ergeben hat – auch wenn an dieser Stelle aus verständlichen Gründen niemand seinen Namen lesen möchte und – das gehört auch zur Wahrheit – keiner von denen tatsächlich Raum zur Verfügung hätte stellen können. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Kritik an einer Unterbringung auf dem Parkplatz der Zulassungsstelle kommt übrigens aber auch von anderer, berufener Stelle. „Ein herzliches Willkommen sieht sicher anders aus, als der aktuell geplante Standort in einem Gewerbegebiet weit ab vom Schuss“, sagt Siegrid Czauderna, die sich im sogenannten Helferkreis für die Asylbewerber, die seit etwas über einem Jahr in Haar untergebracht sind, engagiert. Die Grasbrunnerin kennt daher nicht nur die Probleme der traumatisierten Menschen, sondern vor allem auch deren Gefühle und den Alltag aus dem hautnahen Miteinander.

“Hat man wirklich alles versucht? Ich habe große Zweifel?”, schrieb Waldemar Czauderna aus Grasbrunn jüngst als Kommentar auf B304.de. Und weiter: “Ich bin erschüttert und enttäuscht, dass meine Gemeinde es aus eigener Kraft nicht fertig bringt, Flüchtlingen in ihrer ärgsten Not zu helfen.”

Weil Müttern mit Kindern eine Container-Unterbringung nicht zumutbar ist, bemüht sich das  Landratsamt nach eigener Aussage nun darum, dass nach Grasbrunn überwiegend „junge Männer“ kommen. „Aufgrund der anderen Kultur ist es daher ganz wichtig, dass sich den jungen Männern auch junge Männer annehmen, sonst sind Konflikte programmiert”, so Siegrid Czauderna. Insbesondere Fußballvereine, aber auch private Kicker wären hier übrigens eine große Hilfe. Wenn wir uns selbst keine Probleme schaffen wollen, sollten wir uns alle um Integration bemühen. Nicht mehr und nicht weniger lässt sich zu der aktuellen Situation sagen. “Die Erfahrung zeigt auch, dass die der deutschen Sprache meist nicht mächtigen Asylbewerber in der neuen Umgebung selbst vielfach mit Ängsten zu kämpfen haben”, heißt es in der Mitteilung des Landratsamts dazu. Und: “Daher bitten wir Sie herzlich, offen auf die Menschen zuzugehen und Kontakt zu suchen, wenn Sie dies möchten.”

Das Thema wird uns wohl noch länger beschäftigen, auch weil die aktuellen Konflikte weltweit leider wenig Hoffnung auf Besserung machen. Bleibt der Glaube daran, dass dem “Provisorium” schnell eine menschenwürdige Alternative und seitens der Gemeinde ein langfristiges Konzept für den Umgang mit Flüchtlingen und deren Zukunft folgt. B304.de hält Sie auch weiterhin auf dem Laufenden und versucht übrigens seit Wochen einen konkreten Fall zu begleiten, um anhand eines Einzelschicksals die dramatische Situation der Menschen nachvollziehbar zu machen. Leider bislang trotz aller Bemühungen vergebens.

Elif Yildizoglu: Die Sozialpädagogin ist Mittlerin für das Landratsamt zwischen Asylbewerbern und Bürgern. (Foto: B304.de)
Elif Yildizoglu: Die Sozialpädagogin ist Mittlerin für das Landratsamt zwischen Asylbewerbern und Bürgern. (Foto: B304.de)

 

Wichtiger Hinweis: Wenn Sie ehrenamtlich helfen wollen oder Wohnraum zur Verfügung stellen können, melden Sie sich bitte umgehend bei der Gemeinde Grasbrunn (www.grasbrunn.de). Die soziale Betreuung der Asylbewerber vor Ort findet durch die Sozialpädagogin Elif Yildizoglu vom Landratsamt München statt. Sie ist Ihre direkte Ansprechpartnerin für die Asylbewerber vor Ort. Ihre Kontaktdaten:Telefon (089) 6221-1769 oder yildizogluE@lra-m.bayern.de

 

Zum Hintergrund: Derzeit sind im Landkreis München rund 750 Asylsuchende, auf 21 Kommunen verteilt, untergebracht. Es ist damit zu rechnen, dass der Landkreis bis Jahresende mindestens weitere 600 Zufluchtsuchende aufnehmen muss. Die Situation bleibt daher angespannt und der Begriff „Provisorium“ für die Unterkunft wohl dehnbar. Umso wichtiger ist es aber, auch um Konflikte vor Ort zu vermeiden, dass wir Bürger diese Menschen herzlich in unserer Mitte aufnehmen. Neben dem Engagement der Bürger steht aber auch die Gemeindeverwaltung vor einer großen Aufgabe. Denn Asylbewerber bitten bei uns um Asyl, sind alle Kriterien erfüllt Wenn nämlich Asylbewerber, für die das Landratsamt zuständig ist, anerkannt werden – das kann bis zu drei Jahre dauern – müssen sie aus der Unterkunft ausziehen und sich eine eigene Wohnung suchen. Wenn sie keine finden, gelten sie als obdachlos und damit ist die Gemeinde für sie verantwortlich. Es bleiben also auch über den Tag X hinaus viele offene Fragen. Die wichtigsten wollen wir an dieser Stelle beantworten:

Wer kann in Deutschland Asyl beantragen?
Laut Grundgesetz können das alle Personen, die politisch verfolgt werden.

Wer gilt als politisch verfolgt?
Als politisch verfolgt gilt, wer gezielten und intensiven ausgrenzenden Rechtsverletzungen ausgesetzt war und aus diesem Grund gezwungen war sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. Die Verfolgung muss im direkten Zusammenhang mit der eigenen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung stehen. Allgemeine Notsituationen wie eine Hungersnot oder Umweltkatastrophen werden nicht als Asyl- oder Fluchtgrund anerkannt.
Wird Asyl beantragt, muss die Verfolgung vom Staat ausgehen oder ihm zuzurechnen sein. Bei der Flüchtlingsanerkennung kann die Verfolgung laut der Genfer Flüchtlingskonvention auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.

Gibt es Einschränkungen des Grundrechtes auf Asyl?
Wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder aus einem so genannten sicheren Drittstaat außerhalb der EU wie der Schweiz oder Norwegen einreist, kann sich in Deutschland nicht auf das Asylrecht berufen. Er muss in dem Land, in dem er eingereist ist einen Antrag auf Asyl stellen. Wenn zum Beispiel ein Flüchtender über das Mittelmeer ohne Einreiseerlaubnis nach Italien und anschließend weiter nach Deutschland gelangt ist, wird er nach Italien zurückgeschickt, um dort seinen Asylantrag zu stellen.

Wo kann ein Asylsuchender seinen Asylantrag stellen?
In Deutschland kann er sich bei jeder Behörde, auch bei der Polizei als asylsuchend zu erkennen geben. Er wird in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Es gibt etwa 20 solcher Einrichtungen in Deutschland. Dort kann er einen formellen Asylantrag stellen.

Wie läuft das Asylverfahren ab?
Asylbehörde ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das in jeder Erstaufnahmeeinrichtung  ein Büro hat. Dort werden die Flüchtlinge von der Asylbehörde zu ihren Fluchtgründen und zum Ablauf ihrer Flucht befragt. Die Flüchtlinge bekommen fürs erste eine Aufenthaltsgestattung. Damit dürfen sie in Deutschland bleiben, bis über ihren Asylantrag entschieden ist. Nach etwa drei Monaten verlassen sie die Aufnahmeeinrichtung und werden nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel einer Stadt oder einem Landkreis zugewiesen. Die sind dann für ihre Unterbringung zuständig.

Können die Flüchtlinge Wünsche äußern, wo sie hin wollen?
Manche wünschen sich, dort untergebracht zu werden, wo schon Verwandte von ihnen leben. Nur wenn es sich um Ehepartner oder minderjährige Kinder handelt, wird darauf Rücksicht genommen.

Wie lange dauert es, bis ein Asylantrag anerkannt wird?
2013 dauerten die Asylverfahren nach Angaben des BAMF durchschnittlich sieben Monate. Einige Verfahren wurden jedoch innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen. Manche dauern allerdings auch mehrere Jahre.

Muss man für das Asylverfahren etwas bezahlen?
Die Kosten für das Asylverfahren übernimmt der Staat. Klagt man allerdings gegen eine Ablehnung, gibt es nur in bestimmten Fällen Prozesskostenhilfe. Den eigenen Anwalt muss der Kläger oft selbst bezahlen.

Gilt eine Anerkennung für immer?
Wird jemand nach dem Grundgesetz als asylberechtigt oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention als sogenannter Konventionsflüchtling anerkannt, erhält er oder sie ein Aufenthaltsrecht für zunächst drei Jahre. Danach wird noch einmal geprüft, ob sich die Verhältnisse im Fluchtland so geändert haben, dass eine Rückkehr möglich wäre. Ist dies der Fall kann eine Anerkennung als Asylberechtigter oder Konventionsflüchtling widerrufen werden. Auch ein späterer Widerruf ist möglich, wenn sich die Verhältnisse ändern.

Dürfen Asylbewerber arbeiten?
Im Jahr 2013 wurde das Arbeitsverbot für Asylsuchende gelockert. Allerdings dürfen sie nach wie vor erst nach einer Sperrfrist von neun Monaten eine Arbeit aufnehmen. Und auch nur dann, wenn kein Deutscher oder Angehöriger eines anderen EU-Staates für die Arbeit zur Verfügung steht.

Wovon leben Asylbewerber, solange sie nicht arbeiten dürfen oder keine Arbeit haben?
Sie leben meistens in einer Gemeinschaftsunterkunft und bekommen teilweise Ernährung, Körperpflege und Gesundheit als Sachleistungen. Hinzu kommt ein monatliches Taschengeld von etwa 40 Euro. Wenn sie nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, erhalten sie Geld oder Gutscheine. Grundlage ist das Asylbewerberleistungsgesetz. Die Leistungen müssen sich an den Hartz IV-Sätzen orientieren. Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist derzeit noch in Gesetzgebungsverfahren.

(Quelle: Caritas.de / Asylrecht)