Ein Leben in Buchstaben

von Markus Bistrick

Alles ist in Bewegung, die Wirtschaft, die Politik, die Menschen, die Welt. Und wir? Liegen abends im Bett, mit einem Buch, und das Buch ist auch in Zeiten wie diesen immer noch aus Papier, es spricht zu uns, wie Geschichten schon immer zu uns sprachen. Einige hundert dieser Geschichten können bei einem Verlag pro Monat auflaufen, doch so viele Bücher kann und will niemand veröffentlichen. Wenn der Verlag aber glaubt, eine Geschichte könnte außer den Verwandten des Verfassers noch jemanden interessieren, wird ein Buch draus. So wie bei Alexandra und Bernhard Blöchl.

Die beiden Wahl-Vaterstettener haben geschafft, wovon so mancher ein Leben lang träumt. Sie schreiben und veröffentlichen Bücher, Romane am liebsten. Er, wie er selbst sagt, im Olympiaden-Abstand und abseits des Mainstreams (jüngst „Eine göttliche Jugend“, der im Landkreis Ebersberg spielt), sie schon mal zwei pro Jahr und nicht selten einen Bestseller. Wie es sich anfühlt, mit dem Gedanken zu spielen, die „Bestseller“-Aufkleber von ihren Büchern herunterzuknibbeln und auf die eigenen zu kleben? Darüber könnte Bernhard Blöchl viel erzählen.

Jeden Morgen sitzen sie im selben Waggon im Zug von Brighton nach London. Jeden Morgen treffen sich ihre Blicke. Dem höflichen Geplänkel folgen immer ernstere Gespräche – bis die beiden merken, dass sie füreinander weitaus mehr sein könnten als nur eine Zufallsbekanntschaft. So geht Bestseller, im konkreten Fall: „Das Glück auf Gleis 7“ – das jüngste Werk von Alexandra Blöchl alias Anne Sanders, „Urlaub in Buchstaben“ wie es dazu in einer Rezension heißt. Doch das echte Leben ist kein südenglisches Fischerdorf, sondern die Ulrichstraße 1 in Ebersberg. In der Lokalredaktion der Süddeutschen Zeitung lernt sich das Autorenpaar in den 90er Jahren kennen und lieben. Alexandra ist damals Volontärin, Bernhard freier Mitarbeiter.

Die gemeinsame Schriftstellerreise begann dann vor etwas mehr als zehn Jahren, im Urlaub in einem Cottage in Cornwall. „Seitdem wird im Team (und ja, auch intim) gelobt und gestritten, geplottet und gegengelesen, mitgefreut und mitgeflucht“, sagt Bernhard. In der knisternd-knirschenden Welt dieses Künstlerpärchens ist sie, ihren Lesern wahlweise bekannt als Anne Sanders, Lea Coplin oder unter ihrem Geburtsnamen Alexandra Pilz, die zurückhaltende Beobachterin, die auch mal ins Grübeln gerät und innehält, wenn Nachdenken gefragt ist. Er, sieben Jahre jünger, Markenzeichen Streifen im Shirt und Schalk im Nacken, ist der Gesellige, der auch mal antwortet, wenn sie gefragt ist. Der 46-Jährige mag Gedrucktes und Antiquariate ebenso wie Blogs und Social-Media-Spielereien. Unter Lieblingssaetze.de hat er ein Museum der schönen Sätze eingerichtet, wo er famose Romananfänge und steile Songzeilen sammelt und kommentiert.

„Wir sind vor drei Jahren aus München nach Vaterstetten gezogen, weil uns der Trubel zu viel wurde und wir es etwas beschaulicher und ländlicher haben wollten“, sagt er. Sie nickt und ergänzt: „Aber manchmal fehlt mir die Au trotzdem sehr.“ Bernhard nennt das kompliziert und lächelt. Gegensätze können eine große Bereicherung, sein, wenn man sie, so wie die Blöchls, zulässt.

Bernhard, der studierte Journalist, aufgewachsen in Kirchseeon, liebt Lesungen mit seinen Herzensmenschen, die unmittelbare Reaktion des Publikums auf seinen fulminanten und humorvollen Reigen aus Wort- und Sprachspielereien. Sie, die in Wuppertal und München groß wurde, braucht Ruhe, sich selbst und ihre Gedanken, um kreativ zu werden.

Anders als Bernhard, der stellvertretende Teamleiter für die Ressorts Kultur in München und Bayern bei der Süddeutschen, hat sich die 53-Jährige längst vom Journalismus verabschiedet und lebt das Leben der freien Autorin. Mit großem Erfolg. Ihr Debüt-Roman als Anne Sanders, „Sommer in St. Ives“, landete 2016 auf Anhieb auf der Spiegel-Bestsellerliste. Als Alexandra Pilz und unter dem Pseudonym Lea Coplin veröffentlicht sie zudem seit 2013 Jugendromane. Und für ein Prosaprojekt hat sie jüngst ein mit 8.000 Euro dotiertes Arbeitsstipendium der Landeshauptstadt München erhalten. „Damit möchte die Jury die Autorin ermutigen, unter ihrem Klarnamen – Alexandra Blöchl – ein neues Kapitel in ihrer schriftstellerischen Arbeit aufzuschlagen“, heißt es in der Begründung. Man darf also gespannt sein – und auch ein bisschen stolz darauf, dass die Beiden mit ihren zwei Katzen ihr kreatives Lager ausgerechnet in Vaterstetten aufgeschlagen haben.