Aufzuchtprogramm unverzichtbar
“Die ersten sind bereits geschlüpft”, berichtet Dr. Berhard Gum und verweist stolz auf das schwarze-braune Gewusel, das sich in einem der Becken von Ecke zu Ecke bewegt. Die kleinen Seeforellen sind Teil eines Aufzuchtprogramms und sollen dafür sorgen, dass diese Fischart im Königssee, aber auch im Starnberger- oder Chiemsee schon bald wieder häufiger zu finden ist.
Im Königssee beispielsweise ist die Seeforelle seit rund zehn Jahren kaum noch anzutreffen. Daher begann 2018 ein auf fünf Jahre angelegtes Projekt, mit dem die Fischereifachberatung des Bezirks Oberbayern, die Nationalparkverwaltung Berchtesgaden und die Fischerei Amort den Fisch wieder im See ansiedeln wollen. Dafür wurden 200 Seeforellen aus dem Walchensee in einen Baggersee in Wörth bei Erding eingesetzt. Jährlich im November werden dort die größeren Fische abgefischt und der Laich abgestreift: 50.000 bis 100.000 Eier im Jahr.
In den 80er-Jahren so gut wie ausgestorben
Der Berufsfischer am Königssee hatte vor einigen Jahren Alarm geschlagen und sich an den Bezirk Oberbayern gewandt. “Seit 2012 hat man in dem See kein Seeforelle mehr gefangen”, bedauert Gum. Was genau den Zusammenbruch der Fischart verursacht hat, kann man jedoch nicht sagen. “Es spielen bestimmt mehrere Faktoren zusammen. Bestimmte Laichplätze der Seeforelle sind über die Jahre verschlammt, was wohl mit der der Klimaveränderung zusammenhängt. Aber auch, dass der Königssee seit 40 Jahren ein Nationalpark ist, hat der Seeforelle nicht gut getan. Denn Reiher, Otter oder auch Hechte haben sich durch den Schutz stark vermehrt und das sind die Fressfeinde der kleinen Seeforellen.”
Vom Baby-Fisch zum ausgewachsenen Tier
Die Mini-Seeforellen sollen, sobald sie in Haar auf etwa 3 cm herangewachsen sind, im Saletbach zwischen Königssee und Obersee ausgesetzt werden. Nach etwa eineinhalb Jahren sind die Fische dann etwa schon 20 Zentimeter groß und wandern in den See, wo sie die nächsten drei bis vier Jahre bleiben”, erklärt Gum. Schafft es eine junge Seeforelle, denn Fressfeinden und anderen Gefahren zu entkommen, ist sie ein Fisch, der was hermacht: 40 bis 80 Zentimeter am Maßband und auch die Waage drückt sie mit vier bis fünf Kilo ganz schön nach unten. Doch nur die wenigsten Fische aus Haar schaffen es bis zur Geschlechtsreife. ” Wir sind froh, wenn von 10.000 Fischen, die wir im Saletbach aussetzten am Ende 100 übrig bleiben “, resümiert Dr.Bernhard Gum. Die geschlechtsreifen Tiere würden dann entsprechend dem “Homing-Verhalten” wieder in den Bach, zurückkehren und sich dort fortpflanzen.
Durch die sichere Kinderstube im Bruthaus in Haar hoffen Gum und seine Kollegen, dass die Seeforelle bald wieder weiter verbreitet ist in allen Gebirgs- und Voralpenseen und deren Zuflüssen. Die Hoffnung ist groß, dass zumindest ein kleiner Teil von ihnen als ausgewachsene Seeforellen einmal in den Saletbach zurückkehren und dort laicht. “Die Seeforelle ist ein wichtiger Indikator dafür, dass der Königssee in seiner Gesamtheit intakt ist”, nennt Gum einen der Gründe, wieso es sich der enorme Aufwand der Nachzucht des Fisches lohnt. “Und natürlich darf man auch nicht verleugnen, dass eine große Seeforelle für Fischer und auch für Gourmets etwas sehr Interessantes ist” fügt der Fischexperte lachend hinzu. Stolze 55 Pfund wog ein außergewöhnliches Exemplar, das der Königsseefischer Rudolf Amort im Jahre 1956 aus dem See holte. Noch heute kann man es als Präparat im Gasthof St. Bartholomä bewundern – vielleicht eine Idee für einen Ausflug nach Corona!