„Wofür entschuldigen?“

von Markus Bistrick

Seit Mai 2020 sitzt der langjährige Landtagsabgeordnete und Notar Paul Peter Gantzer für die SPD im Gemeinderat seiner Heimat Haar. Immer wieder gibt es dort Unfrieden zwischen dem ehemaligen Berufspolitiker und dem Seiteneinsteiger Andreas Bukowski (CSU), dem Gantzer B304.de gegenüber „ganz schlechten Führungsstil“ vorwirft. Ausgangspunkt des Konflikts war eine Werbe-Anzeige, in der ein Autohaus damit warb, dass der Haarer Bürgermeister dort ein E-Auto gekauft hatte. Darf ein Bürgermeister mit seinem Amt werben, auch wenn er keine Vergünstigungen aus dieser Werbung zieht? Diese Frage trieb Peter Paul Gantzer so sehr um, dass der Streit eskalierte und Bukowski letztlich Strafanzeige wegen übler Nachrede stellte. Spätestens dann war es – wieder einmal – vorbei mit der (überfraktionellen) Harmonie im Gemeinderat, was allerdings noch nie die Stärke des Haarer Gremiums war. Jüngster Eklat: die mittlerweile vom Landratsamt München vollumfänglich zurückgewiesene Dienstaufsichtsbeschwerde von Gantzer gegen Bukowski im Nachgang eines Weinfests am Haarer Anger. Das brachte für Martin und Nadine Metzger, Vater und Tochter, das Fass zum Überlaufen. Aus Verärgerung über den Konfrontationskurs von Gantzer haben Beide die SPD-Fraktion verlassen und eine eigene gegründet. B304.de hat bei der streitbaren SPD-Legende Peter Paul Gantzer nachgefragt.

B304.de: Herr Gantzer, werden Sie bei der nächsten Kommunalwahl erneut kandidieren?

Peter Paul Gantzer: Das muss die SPD entscheiden.

Sie werden demnächst 86 Jahre alt: Können oder wollen Sie nicht von der Politik ablassen, bzw.: braucht es für eine zeitgemäße Politik nicht auch jüngere Kandidaten?

Ich habe ein Buch über das Alter geschrieben. Die Kernsätze daraus lauten:

  • Es gibt leider in unserer Gesellschaft ein negatives Altersbild (s. Ihre Frage), wonach angeblich Alter nicht nur hässlich macht, sondern auch noch arbeits-, politikunfähig.
  • Das Beste in Arbeit/Politik ist die Mischung zwischen Jung und Alt.
  • Es gibt 18,7 Millionen Menschen in Deutschland über 65 Jahre. In den Parlamenten sollte sich das widerspiegeln.
  • Jeder soll so lange arbeiten, wie er will und kann.

Welches Ziel verfolgen Sie konkret mit Ihrem persönlichen Konfrontationskurs gegen andere Ratsmitglieder und gegen Bürgermeister Andreas Bukowski im Besonderen?

Ich bin gegen jede Form von Ungerechtigkeiten und Schiebereien. Deswegen bin ich in der SPD.

In unserer Verhandlungsdemokratie ist Kooperationswillen elementar: Finden Sie, dass Disziplinarverfahren und Dienstaufsichtsbeschwerden ein geeignetes Mittel in der politischen Auseinandersetzung sind?

Beschwerden sind im Sinne des Petitionsrechts (Art. 17 GG, Art. 115 Bayer. Verfassung) legitime Mittel in einer Demokratie, um ungerechte Sachverhalte aufzuklären.

Was stimmt jetzt eigentlich: Wurde die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Bürgermeister Bukowski im Namen der SPD-Fraktion eingereicht, oder: wie es jetzt heißt – war das Ihre alleinige, persönliche Entscheidung?

Die Dienstaufsichtsbeschwerde habe ich alleine auf meinem persönlichen Briefpapier und ohne Verwendung des Kürzels SPD geschrieben.

Glauben Sie grundsätzlich, dass Ihr Verhalten – Blockbildung, Konfrontation, Grabenkämpfe, persönliche Attacken – der weiteren Entwicklung der Gemeinde Haar sachdienlich ist und bei (jungen) Bürgern Lust auf Kommunalpolitik weckt und der Politikverdrossenheit entgegenwirkt?

Ein großer Teil der Bürger/innen sieht das anders und begrüßt, dass nicht alles unter den Teppich gekehrt und Spezln auf die Finger geschaut wird.

Sollten nicht gerade Sie, als jahrzehntelanger Berufspolitiker ein Vorbild sein und sich insbesondere in der Kommunalpolitik am Gemeinwohl orientieren, anstatt persönliche und parteitaktische Kämpfe auszufechten?

Siehe meine Antwort zu Ihrer 3. Frage.

Warum haben Sie eigentlich offenkundig ein Problem mit politischen Quereinsteigern wie Bürgermeister Bukowski? Finden Sie wirklich, dass grundsätzlich bei der Führung einer Gemeindeverwaltung politische Erfahrung wichtiger ist als die fachliche und praxisnahe Expertise eines Unternehmers?

Ich habe nichts gegen Seiteneinsteiger. Ich habe dem Bürgermeister am Anfang sogar angeboten, ihm mit meiner Erfahrung zu helfen. Das war nach seiner Strafanzeige hinfällig (siehe meine Antwort nachfolgend).

Was nervt Sie an Andreas Bukowski und seinem Führungsstil?

Ganz einfach: Im Sommer 2020 hatte ich den Bürgermeister wegen der Umstände des Kaufs seines Dienstwagens kritisiert. Als ich merkte, dass er das als Seiteneinsteiger nicht gewohnt und beleidigt war, habe ich ihm Ende Juli 2020 geschrieben und vorgeschlagen, dass wir alles in einem Gespräch klären sollten. Er hat darin eingewilligt und mir einen Termin im August 2020 vorgeschlagen. Eine Woche vor dem Gesprächstermin hat er gegen mich, ohne mich zu unterrichten, Strafanzeige bei der Polizei wegen Verleumdung erstattet. Das ist ein ganz schlechter Führungsstil – wenn überhaupt. Der Staatsanwalt hat das Verfahren im Übrigen eingestellt.

Können Sie der Argumentation von Nadine und Martin Metzger folgen und ihre Entscheidung nachvollziehen?

Ich kann die Entscheidung der Metzgers nachvollziehen, da sie auf die SPD-Liste gegangen sind, weil die SPD damals die stärkste Kraft in Haar war. Jetzt ist das eben nicht mehr der Fall.

Sie fordern von Nadine und Martin Metzger, dass sie ihre Mandate im Sinne Ihrer Partei, der SPD, niederlegen sollen. Warum eigentlich? Kommunalwahlen sind Persönlichkeitswahlen und die beiden – zudem parteilos – wurden von den Bürgern doch nicht wegen der SPD gewählt, sondern wegen der Personen und deren Überzeugungen.

Die Metzgers sind nicht direkt gewählt worden, sondern sind nur als sog. Nachrücker Gemeinderäte geworden, weil SPD-Gemeinderäte z.T. aus gesundheitlichen Gründen ihr Mandat niedergelegt haben. Die SPD hat den gesamten Wahlkampf bezahlt. Metzgers haben sich aber geweigert, ihren Anteil daran zu tragen. Dann wäre es aber auch fair, den Nachrückern Platz zu machen, die gezahlt haben.

Haben Sie sich eigentlich schon bei Ihrer Fraktion dafür entschuldigt, dass sie jetzt durch Ihr Verhalten zwei Sitze weniger im Gemeinderat hat, oder fühlen Sie sich schuldlos an dem Zerwürfnis?

Wenn Sie das Stimmverhalten der Metzgers vor dem Austritt ansehen, hatten wir immer wieder zwei Gemeinderäte weniger im Gemeinderat. Stimmenmäßig hat sich also nichts geändert. Wofür soll ich mich dann entschuldigen?

Herr Gantzer, vielen Dank für das Gespräch.