„Viele Horrorgeschichten“

von Markus Bistrick

Seit ziemlich genau 14 Jahren ist Stefan Huber Chef der Kreisklinik Ebersberg, im kommenden Jahr wechselt der Baldhamer in die Geschäftsführung der Starnberger Kliniken GmbH. Ein Gespräch über ganz besondere Momente und einen ungewöhnlichen Werdegang. Denn eigentlich hätte der Baldhamer Schreiner werden sollen. „Bloß, weil ich als Kind gerne geschnitzt habe.“ Etwas Bodenständiges hatten sich seine Eltern gewünscht. So wie seine Brüder, der eine Polizist, der andere Bankkaufmann. Doch Stefan Huber, der in Vaterstetten auch Gemeinderat ist, wollte Fußball- Profi werden und alle damaligen Profis hatten einen Bürojob gelernt. Deshalb beginnt die Karriere des 47-Jährigen mit einer Ausbildung beim Landkreis München zum Verwaltungsfachangestellten. Das hat er zwar durchgezogen, war aber so gar nichts für ihn – auch aus dem Profifußballer wurde nichts, wie wir heute wissen.

Herr Huber, woher kommt eigentlich Ihr Bezug zum Krankenhaus?

Stefan Huber: Mein Vater war angestellter Metzger im Bezirkskrankenhaus Haar. Die hatten früher noch eine eigene Metzgerei. Und meine Mutter war Krankenschwester. Ich habe daher meine ersten drei Lebensjahre in der Dienstwohnung meiner Eltern im Bezirkskrankenhaus Haar verbracht und war übrigens der erste Junge, der in der Sankt Raphael Kapelle in Eglfing getauft wurde. Für den Pfarrer war das äußerst ungewöhnlich, weil er normalerweise nur Beerdigungen hatte.

Zum Gesundheitswesen sind Sie letztlich aber über Umwege gekommen.

Zunächst habe ich nach meinem BWL-Studium als stellvertretender Bauamtsleiter bei der Gemeinde Vaterstetten gearbeitet. Ehrlich gesagt habe ich nie wie ein Beamter gedacht und bin auch nicht entsprechend aufgetreten, da bin ich wohl aufgefallen. Jedenfalls hat mich irgendwann der damalige Gemeinderat Peter Danner, mit dem ich aufgrund meiner Tätigkeit immer wieder Kontakt hatte, angerufen und mir gesagt, dass er Unterstützung braucht – insbesondere im Zusammenhang mit Bau- und Sanierungsmaßnahmen. Damals wusste ich noch nicht, dass er Geschäftsführer von drei Krankenhäusern, zwei Altenheimen und Berufsfachschulen in München war. Ich war neugierig, hab mich in seinem Büro in der Renatastraße in München mit ihm getroffen. Peter Danner hat mir angeboten sein Assistent in der Krankenhaus- und Altenheim- Direktion zu werden. Da hab ich sofort gesagt: „Das mache ich!“ Ich habe dann dort immer mehr Bereiche und Verantwortung übernommen, bis ich nach sechs Jahren von einer Eigentümer geführten Klinik in Feldafing als Verwaltungsleiter abgeworben wurde. Auch das habe ich sehr gerne gemacht, aber nach drei Jahren war dann die Stelle in der Kreisklinik Ebersberg ausgeschrieben – mein Heimatkrankenhaus in meinem Heimatlandkreis.

Klingt so, als ob Sie nicht lange überlegen mussten.

Das stimmt, obwohl ich zugeben muss, dass ich als Jugendlicher einen Zettel in meinem Geldbeutel hatte, auf dem stand, dass ich bei einem Notfall nicht ins Krankenhaus nach Ebersberg will. Es gab damals einfach zu viele Horrorgeschichten. Früher war das so. Aber das war für mich auch eine große Motivation. Ich wusste, da gibt es für mich einiges zu tun. Außerdem hatte die Klinik Ebersberg eine ganz andere Größenordnung als Feldafing. Und so habe ich am 1. Februar 2009 hier meine Tätigkeit als Geschäftsführer begonnen. Ich habe dann viele Themen relativ schnell umstrukturiert, verändert und umgesetzt und mir dadurch Respekt verschafft – ich war damals erst 34 Jahre alt, was für diese Position ungewöhnlich ist.

Was hat sich ins Gedächtnis gebrannt?

Die beeindruckendste Begegnung war eindeutig Frau Jakob, die der Klinik letztlich ein riesen Erbe vermacht hat. Sie war bei uns in Behandlung und hat den Chefarzt damals angesprochen und ihm gesagt, dass sie der Klinik gerne etwas spenden würde, weil sie so dankbar ist für die tolle Behandlung, und weil alle so nett zu ihr waren, und das Essen so gut geschmeckt hat, und sie deshalb gerne einen Termin mit mir hätte. Ich habe sie dann daheim besucht, das war im Jahr 2014, wurde von der Haushälterin empfangen und in den Salon geführt und da hat sie mir einen Scheck über 150.000 Euro übergeben. Ich war natürlich tief beeindruckt und habe sie gefragt, wofür sie das Geld denn gerne spenden möchte. Dann sagte sie, sie saß im Rollstuhl: „für behindertengerechten Ausbau der Zimmer mit größeren Bädern.“

Wie fühlt es sich an, einen Scheck über so eine Summe zu bekommen?

Ganz ehrlich, ich war total neben der Spur. Habe noch mit ihr ein Glas Champagner getrunken, das war ihr Wunsch. Danach bin ich mit dem Scheck gleich zur Raiffeisenbank gegangen und habe denen gesagt: „Der ist von der Frau Jakob, den hat sie mir gerade ausgestellt und bitte auf das Klinik-Konto überweisen.“ Dann sahen die mich an und sagten: „Wer ist Frau Jakob, die hat kein Konto bei uns.“ Dann schaue ich auf den Scheck und sehe, oh, Hypo- Bank. Ich war total daneben. Dann hat es geklappt. Vier Wochen später hat Frau Jakob übrigens nochmal angerufen.

Wollte sie widerrufen?

Im Gegenteil. Sie hatte verschiedene Themen, über die sie mit mir reden wollte, aber irgendwann hat sie gesagt: „Übrigens, ich spende nochmal 150.000 Euro.“ Wieder ein Scheck – dieses Mal bin ich gleich zur richtigen Bank gefahren. Aber ich war nicht weniger aufgeregt. Ich dachte mir, krass, 300.000 Euro gespendet, da würde ich schon gerne als Dank zumindest ein gemeinsames Essen mit dem Landrat organisieren. Sie hatte sich den Gutsgasthof Stangl in Neufarn ausgesucht. Das war ein wirklich netter Abend.

Hatten Sie weiter Kontakt?

Ja, zwei Wochen später rief mich Frau Jakob wieder an. Und sagte mir, dass sie sich entschieden habe, dass die Klinik ihr komplettes Erbe bekommen wird. Kinder hatten die Jakobs nicht. 2017 ist sie dann gestorben und tatsächlich hat sie der Kreisklinik ihr Vermögen in Höhe von über 10 Millionen Euro u.a. in Form von Immobilien und Grundstücken übertragen. Allerdings, aus Unwissenheit, an den Landkreis Ebersberg, nicht an die Kreisklinik direkt – was das Ganze in der Folge leider kompliziert machte, aber natürlich die unfassbare Spende und Geste nicht schmälert. Als Anerkennung haben wir die Cafeteria in der Klinik in „Jakob Stüberl“ umbenannt und gemütlich und einladend umgestaltet – mit vielen alpenländischen Details.

Sind Spenden üblich?

Ja, aber nicht in dieser Größenordnung. Normalerweise liegt der Rahmen bei jährlich zwischen 15.000 und 25.000 Euro – zu Corona- Zeiten haben wir auch größere Unterstützung bekommen. Zum Beispiel von der Firma Truma aus Putzbrunn: 30.000 Euro für Mitarbeiter der Intensivstation und Notaufnahme. Aber Frau Jakob war einzigartig.

Was ist aktuell Ihr größtes Problem?

Wie für so viele andere auch, der Personalmangel. Mitarbeiter werden dringend gesucht, insbesondere in der Pflege. Und bezahlbarer Wohnraum ist ein ganz entscheidendes Kriterium bei der Anwerbung von Personal. Jüngst hat der Landkreis 22 Wohnungen fertiggestellt und uns für Mitarbeiter überlassen, aber das kann nur ein Anfang sein. Aktuell sind 60 weitere Wohnungen in Ebersberg geplant. Ich kann nur an die Politik appellieren, das Projekt nicht zu verzögern.

Herr Huber, vielen Dank für das Gespräch.