Im Heißluftballon über das Atlasgebirge, mit dem Wassertaxi über den Dubai-Creek, ein Eseltrekking in der Steiermark – Andrea Grießmann kommt viel rum. Beruflich. Denn die 52-Jährige moderiert für den WDR neben „Planet Wissen“ auch die Reisesendung „Wunderschön“. Geboren ist die Tochter eines schwäbischen Siemens-Ingenieurs in Berlin, aufgewachsen in Barcelona, Buenos Aires und Erlangen. Daheim ist Andrea Grießmann seit ein paar Jahren in der Gemeinde Grasbrunn. „Der Liebe wegen“, wie sie sagt. Ihr jetziger Mann Stefan wohnte hier. „Irgendwann hatten wir keine Lust mehr auf eine Fernbeziehung.“ Ein Gespräch über Heimatgefühle, „Gold to go“-Automaten am Persischen Golf und U-Boot-Christen.
Frau Grießmann, knapp 30 Länder haben Sie für die TV-Sendung „Wunderschön“ schon bereist. Bezahlter Urlaub, was will man mehr.
Urlaub ist das nicht. Ich arbeite an einem schönen Ort, aber man muss sehen, dass die 90 Sendeminuten sehr komprimiertes Material sind. Das kann schon ein Mal sein, dass wir an einem Tag segeln, kochen, auf einen Turm steigen und noch eine Wanderung machen. So ein Dreh dauert manchmal bis zu drei Wochen, aber ich bin meistens nur sieben bis 14 Tage am Drehort und mache im Jahr bis zu sieben Sendungen. Mit mir werden die Moderationen gedreht, bei den Motiv-Drehs bin ich nicht dabei.
Das Anstrengste dabei ist übrigens die Fülle von Eindrücken. Privat sollte man so definitiv nicht reisen. Ich habe tatsächlich eine Freundin, die die Reisen 1:1 nachmacht und die hat wirklich Stress. Das muss man wollen.
Haben Sie ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Länder, die Sie mit „Wunderschön“ bereisen?
Nein, das ist Zwangsbeglückung. Das hat aber den ganz großen Vorteil, dass man in Länder kommt, die man sich sonst vielleicht nicht als Reiseziel ausgesucht hätte.
Wo wollen Sie nicht mehr hin?
Dubai. Das fand ich sehr interessant und das wollte ich auch unbedingt sehen, aber das wäre jetzt kein Land, wo ich nochmal hin möchte. Da gibt es übrigens tatsächlich Goldautomaten schon am Flughafen. „Gold to go“, falls man mal eben einen Goldbarren braucht. Irre.
Asien kenne ich übrigens überhaupt noch nicht. Wenn ich die Chance hätte, nach China zu reisen, würde ich das sofort machen, weil es einfach interessant ist.
Wenn Sie nur noch ein Mal verreisen dürften, wo geht‘s hin?
Das wäre Südamerika, da möchte ich unbedingt nochmal mehr sehen. Wir haben zwei Jahre in Argentinien gelebt, ich bin da zur Schule gegangen. Als Kind wollte ich übrigens auf gar keinen Fall nach Argentinien. Damals war ich 12 Jahre alt und da willst du bei deinen Freunden bleiben. Meine Schwester war damals 18, die hat ihr Abi gemacht und ist nachgekommen. Die fand das Nachtleben in Buenos Aires mega, die ist ausgegangen, hat Urlaube gemacht. Meine jüngere Schwester war auch total happy, die war mit der Tochter vom deutschen Botschafter befreundet und mit der ständig unterwegs.
Und Sie haben den Anschluss verpasst.
Ich war in einem schwierigen Alter. Ich war sehr groß, die Argentinierinnen eher klein und zierlich. Und die sind mit 13 Jahren auch schon Frauen, mit lackierten Fingernägeln, hohen Absätzen, goldenen Gürteln. Und ich war eher sportlich. In der Schule gab es dann auch noch Schuluniformen mit einem Rock. Ich hatte noch niemals vorher einen Rock getragen. Und dann ein dunkelgrüner Faltenrock und Kniestrümpfe – das war wirklich richtig schlimm und für mich halt Argentinien.
Aber in Barcelona haben Sie sich wohl gefühlt?
Ja, absolut. Da könnte ich auch sofort wieder wohnen. Für mich ist und bleibt das eine ganz tolle Stadt. Überhaupt mag ich Europa wahnsinnig gerne. Da gibt es noch so viele Orte, die ich nicht kenne und unbedingt mal sehen möchte. Aber grundsätzlich fühle ich mich in Deutschland sehr wohl und weiß, auch weil ich so viel gesehen habe auf der Welt, wie gut es uns hier geht und das wir uns nicht beschweren können. Bei allen Problemen, die es natürlich auch gibt. Vor allem liebe ich aber die Jahreszeiten. Ich brauche Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und da gibt es gar nicht so viele Länder, die das zu bieten haben.
Ist Urlaub mittlerweile Arbeit für Sie?
Das war für meine Familie tatsächlich immer etwas doof. Die wollten weg und ich war froh, wenn ich endlich mal zuhause war. Ich brauche das dann auch sehr. Ungeschminkt sein, ganz privat, Ruhe. Vor Kurzem war ich aber mit meinem Mann für 14 Tage auf Elba und das war auch wirklich sehr schön – er kann ja nichts für meinen Beruf. Und ich verreise schon auch sehr gerne.
Wohin geht Ihr Traumurlaub?
Da habe ich zwei Parallelsehnsüchte – die Paradenummer mit Strand und Palmen und Sonne und Meeresfrüchten satt, und die Hütte in den verschneiten Bergen, natürlich mit offenem Kamin, rodeln, und eine Schlittenfahrt, eingemummelt in warme Felle.
Was ist für Sie Heimat?
Auf jeden Fall ein Gefühl. Ich habe mehrere Heimaten. Meine erklärte Herzensheimat ist Franken. Es gibt aber auch ein Zuhause, was zur Heimat werden kann. Ich wohne jetzt etwa fünf Jahre in der Gemeinde Grasbrunn und ich merke, dass das Heimatpflänzlein langsam keimt. Es dauert halt eine Weile, bis man sich irgendwo eingefunden hat. Zu Spanien habe ich definitiv auch Heimatgefühle. Heimat ist aber nicht nur ein Gefühl, sondern auch eine bewusste Entscheidung und da habe ich mich für Erlangen entschieden.
Sie haben ein Buch geschrieben, worum geht es?
Von klein auf waren wir immer an verschiedenen Orten und von daher war ich immer auch ein Stück weit heimatlos. Auch wenn ich in dieser Zeit gelernt habe, mich schnell und angstfrei auf neue Rahmenbedingungen, andere Länder, andere Kulturen einzustellen. Für viele ist ein Umzug, und wenn es auch nur in die Nachbargemeinde geht, ein großer, emotionaler Kraftakt. Meine Gedanken dazu wollte ich schon immer einmal aufschreiben, aber eben auch die vielen Erlebnisse, die ich bei den Reisen für die Sendung „Wunderschön“ hinter den Kulissen erlebt habe. Mein Buch ist eine Reise in die Sehnsucht nach Ferne und Nähe, nach Freiheit und Abenteuer. Aber ich erzähle eben auch von bewegenden Begegnungen.
Haben Sie ein Beispiel für uns?
Wir haben mal für „Wunderschön“ ein einwöchiges Eseltrekking gemacht. Täglich zwischen 8 und 16 Kilometern wollten wir zurücklegen. Esel sind total süß, aber meiner hat mich komplett ignoriert. Wenn „Villi“, so hieß der, Lust hatte, ein Weilchen am Wegesrand zu grasen, dann hat er das einfach gemacht. Wie ein Depp stand ich da mit dem Seil in der Hand und habe gewartet, bis der gnädige Herr sich endlich dazu entschließt, weiterzugehen. Ich hätte teilweise heulen können, aber letztlich sind wir am Ziel angekommen. Heute bin ich Villi auch nicht mehr böse (lacht).
Der Glaube versetzt Berge, aber offenbar nicht „Villi“. Sie sind Mitglied im Kirchenvorstand der evangelischen Petrigemeinde in Baldham. Was ist der Hintergrund?
Meine Eltern sind zwar evangelisch, haben das aber nie gelebt. Wir waren nicht einmal „U-Boot-Christen“, die nur an Ostern und Weihnachten in die Kirche auftauchen. Aber ich bin als Kind in eine Jugendgruppe reingerutscht und hatte einen ganz tollen Pfarrer. Das war eine super Gemeinschaft und für mich ein ganz positives Erlebnis. Dann hat sich das aber verlaufen. Durch meine Kinder habe ich mich wieder an die Zeit erinnert und habe damals noch in Köln wieder Kontakt zur dortigen Kirchengemeinde aufgenommen. Und ich fand das ganz toll, dass da immer noch die gleichen Lieder waren, die gesungen wurden und die gleichen Rituale wie bei mir damals. Für jemand, der ständig an anderen Orten gelebt hat, in einer sich permanent verändernden Welt, war es einfach beruhigend zu sehen, dass es noch Dinge gibt, die so bleiben wie sie waren.
Und dann haben Sie in der Petrigemeinde vorgesprochen?
Mein Sohn ist hier konfirmiert worden und die waren alle so offen, wie früher. Dann habe ich mich eingebracht, bin bei den Kirchenvorstandswahlen angetreten und wurde gewählt.
Wegen der Gemeinschaft oder dem Glauben?
Den Glauben gibt es, klar. Aber für den Glauben alleine braucht man die Kirche nicht. Ich bin schon überzeugt davon, dass es eine höhere Macht gibt, die über uns wacht und uns auch beschützt. Den Gedanken finde ich sehr schön und ich glaube auch, dass jeder Mensch so etwas braucht. Auch der Zweifel gehört zum Glauben dazu. Aber ich mag eben auch die Gemeinschaft und die Bodenständigkeit.
Vielen Dank für das Gespräch.