Bleibt Gabriele Müller (SPD) weitere sechs Jahre Bürgermeisterin der Gemeinde Haar oder macht ihr Herausforderer Dr. Andreas Bukoswki von der CSU das Rennen? Die Entscheidung fällt an diesem Sonntag (29.3.) in einer Stichwahl. Doch das Corona-Virus hat nicht nur den Wahlkampf beeinflusst, sondern auch die Ausgangslage für den Chef im Haarer Rathaus. Wir haben bei beiden Kandidaten (natürlich schriftlich) nachgefragt.
Wir sind alle aufgefordert, daheim zu bleiben: Wie bestimmt das Corona-Virus gerade Ihren ganz persönlichen Alltag?
Gabriele Müller: Mein Telefon steht nicht mehr still und mein Mail-Postfach läuft über im Rathaus und zuhause. Jetzt mehr denn je. Wir sind auf allen erdenklichen Wegen unterwegs, den Haarerinnen und Haarern die größtmögliche Sicherheit, Hilfe und Information in dieser Zeit zu bieten. Die funktionierende Drive-in-Teststation ist dazu ein wesentlicher Beitrag. Das läuft hochprofessionell dank der guten Zusammenarbeit mit dem kbo und den Haarer Ärzten. Auch ganz persönlich werde ich angerufen und angesprochen, die vielen Fragen beantworte ich gerne.
Dr. Andreas Bukowski: Eigenartig war es schon, so plötzlich das Leben umkrempeln zu müssen, gerade in einem laufenden Wahlkampf. Auf der anderen Seite bin ich es gewohnt im Home-Office zu arbeiten. Mein Arbeitsplatz ist deshalb auch zu Hause voll ausgestattet. Das hat es mir sehr erleichtert meine Arbeit im Vorfeld der Stichwahl erfolgreich fortzusetzen. Satt Hausbesuchen habe ich nun viele Kontakte per Mail, per Telefon und vor allem in den sozialen Medien. Die Kanäle der Kommunikation haben sich zwar verlagert, aber unsere frische und dynamische Art die Themen anzugehen ist die gleiche geblieben.
Viele Themen, die den Wahlkampf zunächst bestimmt haben, erscheinen aus heutiger Sicht fast belanglos. Wenn Sie (wieder-)gewählt werden, wie haben sich Ihre Ziele für die Gemeinde durch die Corona-Krise verändert?
Dr. Andreas Bukowski: Das kann ich so nicht bestätigen. Nach wie vor haben viele Mitbürgerinnen und Mitbürger großes Interesse an den für unsere Gemeinde wichtigen Themen. Großes Interesse besteht beispielsweise am Thema Schulcampus oder an unserer Idee des genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Auch der zunehmende Verkehr wird immer wieder thematisiert. Dennoch hat die Krise auch die Kommunalpolitik verändert. Krisenmanagement im kommunalen Bereich bedeutet vor allem die adäquate Umsetzung der Vorgaben unserer Staatsregierung und den der Gemeinde übergeordneten Behörden. Darüber hinaus muss dafür gesorgt werden, dass die Gemeinde handlungsfähig bleibt. Unter meiner Führung wird der Gemeinderat trotz Krise tagen. Per Videokonferenz. Zudem muss der Bürgermeister für die Menschen direkt erreichbar sein, weshalb ich eine Telefon- und Videosprechstunde anbieten werde. Auch kreative Ideen sind in Ausnahmesituation von großem Wert. Die Initiative des Gewerbeverbands „Wir helfen unseren Betrieben in Haar und Trudering“ ist dafür ein Beispiel schneller, unkonventioneller und beherzter Hilfe. Dank der Solidarität vieler Haarerinnen und Haarer ist das prompte Projekt für alle Beteiligten hilfreich und ein Beitrag die Herausforderungen, vor die uns die Krise stellt, gemeinsam zu meistern. Solche Ideen benötigen wir auch in anderen Bereichen.
Gabriele Müller: Wir sind schon seit Wochen im Krisenmanagement, haben eine Task-Force-Corona installiert. Hier strukturieren wir die anstehenden Aufgaben und verarbeiten die sich ständig ändernden Informationen. Je mehr Menschen erkranken oder in Quarantäne sind, desto mehr Hilfe wird gebraucht werden. Das ist jetzt die oberste Priorität. Aber natürlich muss auch das laufende Geschäft weitergehen. Und das tut es auch. Die Gemeinde ist zuständig für die Daseinsvorsorge. Das ist heute wörtlicher zu nehmen denn je.
Tut die Verwaltung der Gemeinde Ihrer Meinung nach gerade genug oder würden Sie gerne weiter gehen?
Gabriele Müller: Die Verwaltung ist eine große Stütze, viele MitarbeiterInnen tun mehr als sie müssten. Manche sind mittlerweile in anderen Aufgaben tätig, beispielsweise Erzieherinnen oder Bademeister. Sie telefonieren jetzt die Kontaktpersonen ab oder helfen in der Test-Station oder unterstützen das Wahlamt bei der Briefwahl. Der Wertstoffhof ist wieder auf. Wir unterstützen den Haarer Tisch, der am 1.4. wieder öffnet. Die Gartenabfallsammlung läuft. Wir reichen gelbe Säcke und Gartenabfallsäcke mittlerweile durchs Fenster, wenn die Leute zu uns kommen. Unkonventionelle Zeiten erfordern unkonventionelle Maßnahmen. Es muss in diesen Zeiten auch ein Stück Normalität im Alltag geben. Dafür sorgen wir.
Dr. Andreas Bukowski: Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Verwaltung ihr bestes in dieser außerordentlichen Situation geben. Dafür gebührt ihnen großer Dank. Eine Analyse der internen Abläufe kann ich in meiner derzeitigen Position verständlicherweise nicht geben.
Bereits jetzt bangen viele Betriebe – klein wie groß – auch in unserer Gemeinde ernsthaft um ihre Existenz. Wie kann und sollte die Gemeinde Haar jetzt helfen?
Dr. Andreas Bukowski: Zunächst müssen wir die konkreten Anliegen der Betriebe kennen. Dann wissen wir auch, wie wir reagieren können. Auch dazu gehört eine professionelle Wirtschaftsförderung, die wir seit langem fordern und in der kommenden Amtsperiode aufbauen wollen. Die Krise lässt uns für langfristige Lösungen aber keine Zeit, weshalb ich als Bürgermeister eine zentrale Anlaufstelle für Betriebe errichten werde, die dafür sorgt, dass die staatlichen Hilfen auch bei unseren Betrieben ankommen und die zugleich eine Informationsbasis schafft, auf der wir rasch und passgenau Lösungen entwickeln können.
Gabriele Müller: Viele Restaurant- und Ladenbesitzen haben Bring- und Holdienste aufgebaut. Wir kommunizieren das und ich wende mich sowohl online als auch in Hauswurfsendungen an die Haarer, dass sie diese Angebote in Anspruch nehmen, um unsere vielseitige Einkaufslandschaft zu bewahren. Wir haben eine zentrale Anlaufstelle im Rathaus. Über weitergehende Maßnahmen werden wir im Gemeinderat entscheiden. Entscheidend wird sein, wie lange diese Einschränkungen und der damit verbundene Shut-down gelten. Bund und Freistaat haben ja erfreulicherweise hier schnelle Hilfe auf den Weg gebracht. Wir stellen die Infos dazu auch auf unserer Homepage zur Verfügung und sind auch per Mail und Telefon ansprechbar, wenn Beratungsbedarf besteht. Wir müssen aber auch an die Haarer denken, die keine Geschäftsleute sind. Die Alleinerziehende, die jetzt mit ihrem Kind zuhause bleiben muss, die sich um ihr Gehalt Sorgen macht. Die vielen Familien in Kurzarbeit. Deshalb habe ich für April die KiTa Gebühren zunächst ausgesetzt.
In Zeiten von Corona stand und steht die Durchführung der Kommunalwahl – u.a. wegen dem Schutz der Wahlhelfer – in der Kritik: Können Sie die Forderung einiger nach einer Verschiebung der Wahl nachvollziehen?
Gabriele Müller: Wenn ich es zu entscheiden hätte, wäre die Stichwahl verschoben worden. Diese Durchführung der Wahl ist eine enorme Herausforderung für unsere Verwaltung und auch für die vielen Wahlhelfer, die wir zum Auszählen brauchen. Deren Sorgen kann ich gut verstehen, aber der Innenminister Herrmann hat so entschieden.
Dr. Andreas Bukowski: Für Einwände, Kritik und verschiedene Positionen habe ich immer Verständnis, bin aber davon überzeugt, dass es richtig war die Kommunalwahlen nun auch vollends durchzuführen und abzuschließen. Damit ist diese Sache vom Tisch und andere, drängendere Themen können mit voller und ungeteilter Energie in Angriff genommen werden.
Das Corona-Virus lässt die Welt stillstehen, die Karten werden gerade komplett neu gemischt, nichts wird künftig mehr so sein wie es war – können Sie der Situation auch etwas Positives abgewinnen? Und warum sollen die Bürger gerade jetzt das Kreuz bei Ihnen machen?
Dr. Andreas Bukowski: Diese apokalyptische Einschätzung teile ich nicht. Die Krise stellt uns vor große Herausforderungen, ja. Aber wir werden sie meistern, als Land und als Kommune. Wir sind eine starke Gemeinschaft, die gerade in Krisensituationen zeigt, wie groß der Zusammenhalt sein kann. Das zeigt sich überall. Sei es an der Bereitschaft Atemschutzmasken zu nähen, an der Hilfsbereitschaft der vielen Einkaufshelfer oder in der Solidarität mit unseren Läden und Betrieben. Eine Krise birgt aber auch immer die Chance auf Veränderung und das Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass frischer Wind in Haar Einzug gehalten hat. Ich stehe für neue Ideen, für mutiges Handeln und für modernes Management. Auch in Krisensituationen. Diejenigen, die mich wählen dürfen erwarten, dass ich mich an meiner Leistung messen lassen werde.
Gabriele Müller: Wir werden sicher nicht einfach so weitermachen können. Die großen Themen aber werden bleiben: Verkehr, Klimaschutz, Wohnen, Bildung, Digitalisierung und Soziales. Die Haarer zeigen mal wieder – wie 2015 oder 1984 bei der Hagelkatastrophe – eine enorme Hilfsbereitschaft und auch Fantasie im Miteinander. Das macht uns aus in Haar. Das macht uns als Gemeinschaft stark. Dieses Miteinander haben wir immer vom Rathaus aus unterstützt und das werde ich weiterführen. In diesen Zeiten ist es wichtiger denn je, dass Stabilität und Erfahrung und eine gute Vernetzung an der Rathausspitze vorhanden sind. Mit meinen nun über 20 Jahren in der Kommunalpolitik bringe ich eine Menge Erfahrung, Kompetenz und Herz mit für unsere Gemeinde und die Menschen, die hier leben.
Das “Gespräch” führte Markus Bistrick
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