Sprache ist eine tolle Sache, wenn man – so wie Rudi Büttner – etwas zu sagen hatte. 2013 feierte der Wahl-Vaterstettener sein 60-jähriges Bühnenjubiläum. Im Alter von 85 Jahren ist der gebürtige Franke und leidenschaftliche Conférenciers am 8. Juli einem Krebsleiden erlegen – nur wenige Monate nach dem Tod seines Sohnes, der ebenfalls an der heimtückischen Krankheit gestorben war. Lesen Sie an dieser Stelle ein Porträt über Rudi Büttner, den Markus Bistrick Anfang 2013 zu einem längeren, sehr persönlichen Gespräch getroffen hat.
Alles hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. Die Mitte kann schon mal Hänger haben, aber wenn sich das Ende zieht, dann ist die ganze Show, das Lebenswerk versaut. Rudi Büttner wusste, dass das Timing entscheidet. Sein Leben war die Show. Beruflich, nicht privat. Der Vater eines Sohnes hat das – sicher auch aus Liebe zu seiner vor sechs Jahren verstorbenen Frau – immer strikt getrennt. Das inflationär gebrauchte Wort „Freund“ stand bei ihm stets unter Artenschutz. Denn Rudi Büttner war – anders als die Generation Facebook – kein Jäger und Datensammler, er war Mensch. Ein ungewöhnlich liebenswürdiger noch dazu. Und dass der gebürtige Franke auf der Bühne Großes geleistet und dennoch selbst gemerkt hat, wann weniger mehr ist, war wahrscheinlich seine größte Leistung. Gelegenheiten Flops zu produzieren, hätte Rudi Büttner jedenfalls zuhauf gehabt. Doch wer zur rechten Zeit aussteigt, der bewahrt nicht nur seine Würde, er wächst weiter. Auch und gerade in einer Zeit, in der Conférenciers längst Moderatoren heißen, sich nur durch die Frisur unterscheiden und allabendlich ein Blatt Papier an Tiefe unterbieten.
„Experience makes the place“, oder zu Hause ist, wo man Spaß hat. Der Spielplatz von Rudi Büttner war bis zuletzt ein zweistöckiges Reihenhaus, Baujahr 1969, am Ostring – mit Anbau, schwarzem Flügel, einem Bauernschrank der Renaissance und einem Hometrainer, den ihm einst sein Arzt ans Herz gelegt hatte. Das erste Stockwerk mit dem „Kitsch as you can“-Raum, ein magisches Refugium, vollgestopft mit Devotionalien von seinen vielen Reisen und Begegnungen, Bildbänden und Fotos, erreichten wir über Büttners hölzerne Showtreppe. Wir interessieren uns für das Gestern, für die Erinnerungen an eine Zeit, in der Unterhaltungselektronik noch mehr mit Unterhaltung und weniger mit Elektronik zu tun hatte.
„Erinnerungen sind eine wesentliche Therapie zum Älter werden“, sagte uns Rudi Büttner, der in Summe mehr als fünf Jahre schunkelnd auf Kreuzfahrtschiffen verbrachte und Stars wie Max Greger, Freddy Quinn, Liesl Karlstadt, Maxl Graf, Ballay Prell, Udo Jürgens oder Peter Alexander auf Tourneen begleitet hat. Conny Froboess trälllerte damals: „Zieht euch nur die flachen Schuhe an, weil man damit besser tanzen kann, die Pullis blau und gelb und rot, zum Rock den neuen Petticoat.“ Golden sind zumindest die Erinnerungen an diese Phase verzweifelter Amüsiersucht inmitten politischer Labilität und Wirtschaftsaufschwung. Und deshalb wird, was diese Zeit hervorgebracht hat, auch niemals in der Mottenkiste verschwinden. Dazu gehören zweifelsohne auch die über 500 Liedtexte, die Rudi Büttner geschrieben hat und die ihm neben Tantiemen auch eine Goldene Schallplatte eingebracht haben.
In netter Atmosphäre bei bestem Programm entspannen, bei Rudi Büttner, dem langjährigen Moderator des Bayerischen Rundfunks waren sie stets richtig. Während der Weltenbummler antwortete, auch ohne dass wir eine Frage stellten, ließen wir uns in die samtige Sofalandschaft fallen. Der Conférenciers redete um sein Leben und fummelte dabei an seinem Siegelring, als ob er die Initialen „RB“ bräuchte, um sich an seinen Namen zu erinnern. Doch das Gegenteil war der Fall. Rudi Büttner, der gelernte Landwirt und Bankkaufmann war im Januar 2013 noch topfit und hätte mit seinen Anekdoten mindestens ein Buch füllen können. Das wollte er nicht, auch, weil es keiner kaufen würde, wie er uns damals sagte und dabei wie so oft spitzbübisch lächelte. Mit Sicherheit wäre es aber ein gewichtiges Dokument deutscher Nachkriegsgeschichte gewesen. Am Anfang war Deutschland eine Trümmerwüste, heute die führende europäische Wirtschaftsnation. Dazwischen eroberte der Mensch den Weltraum, Boris Becker den Center Court und Rudi Büttner an der Seite von Stars wie Peter Alexander, Hugo Strasser oder Roy Black die Bühne.
Lieber Rudi Büttner, wir erinnern uns gerne an die Begegnungen mit dir und danken dir für die Freude, die du deinen Mitmenschen stets geschenkt hast. Wir werden dich immer in bester Erinnerung behalten.
Markus Bistrick