Regiert da eigentlich noch wer?

von Markus Bistrick

Merkel will jetzt doch keine Ruhetage mehr zu Ostern! Man mag zu den Corona-Maßnahmen stehen wie man will, aber zumindest darf man doch erwarten, dass man sich auf getroffene Entscheidungen verlassen kann. Über 16 Stunden hat die „Runde der Mangelverwaltung“ am Montag gebraucht, um sich auf eine verlängerte „Osterruhe“ zu verständigen, um nur zwei Tage später alles wieder einzukassieren. Wenn unsere Wirtschaft genauso orientierungslos arbeiten würde, lebten wir vermutlich immer noch in Höhlen. Jeder Betrieb, jeder Privathaushalt überlegt sich vor einer Entscheidung, ob das Vorhaben überhaupt realisierbar ist und zu welchem Preis. In der Politik läuft es andersrum. Oder wie es der Schriftsteller Curt Goetz einmal gesagt hat: „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“

Anders als die Politik, reagieren die Gewerbetreibenden schnell, unbürokratisch und kreativ. Dafür haben sie jetzt wieder einmal eine Klatsche bekommen. Ich selbst hatte am Gründonnerstag einen Friseur-Termin, der wurde gestern notgedrungen verschoben. Da ich vermutlich nicht der Einzige bin, möchte ich mir den logistischen Aufwand des Friseurs gar nicht vorstellen. Auch die Abholung unserer Fischbestellung für Karfreitag wurde bereits von Donnerstag auf Mittwoch vorverlegt. Dahinter stehen übrigens Lieferketten. Nur zwei persönliche Beispiele, die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Und jetzt kommt doch alles anders. Donnerstag und Samstag alles wieder offen! Muss es wirklich sein, dass man das ohnehin seit einem Jahr schwer gebeutelte Gewerbe zusätzlich schikaniert und das “Team Vorsicht” seine geballte Inkompetenz derart offen zur Schau stellt?

Erst die sinnentleerte Mehrwertsteuer-Senkung für ein halbes Jahr, dann eine Regel-Matrix, für die man promoviert haben muss, dazu kommt das Selbst-Test-Desaster, die verspätete Impfstoff-Bestellung und eine belanglose Corona-App. Zugegeben, man darf die Politik nicht über einen Kamm scheren, aber vielleicht wäre es endlich an der Zeit, dass Menschen unser Land führen, die in einem Betrieb schon mal mehr gemacht haben, als einen Rundgang mit der Presse.

Und nur mal nebenbei: Vertrauen hat – anders als Vertrautheit – etwas damit zu tun, was kommt. Wir verteilen quasi Vorschusslorbeeren. Wer jemandem etwas zutraut, der verlässt sich auf ihn – und das heißt für den derart Beschenkten: harte Arbeit, weil die Erwartungen erfüllt werden müssen. Bei Politikern hat das Handeln eine besonders weitreichende Bedeutung: Das, was sie als Einzelpersonen tun und sagen, strahlt auf unsere Demokratie ab. Das unterschätzen viele in diesem Amt. Und, dass Politik für die Menschen da ist und nicht umgekehrt. Politik ist kein sich selbst genügendes System zur ungenierten Befriedigung persönlicher Eitelkeiten.

Das eigentliche Versagen dieses infantilen Kasperltheaters ist, dass die deutsche Politik bis heute keine Alternativen zum Shutdown hat. Weil in den vergangenen Monaten so viel versemmelt wurde, dass Lockerungen in der Tat keine echte Option sind. So steht die Bundesregierung im März 2021 ähnlich hilflos da wie im März 2020. Damals war das verständlich, heute ist es unverzeihlich. Regiert da eigentlich noch wer? Mit einer Entschuldigung ist es jetzt nicht mehr getan.