Parkplatzstreit um Neubaugebiet

von Leon Öttl

Nördlich des Vaterstettener Bahnhofs sollen 73 Wohnungen entstehen. Das Vorhaben nahm mit Vorstellung einer Konkretisierung im Bauausschuss nun einen weiteren Schritt, doch es gab viel Anlass zur Diskussion – vor allem um die schon jetzt angespannte Verkehrslage in der Gegend, aber auch um die Dimensionen der Wohnbebauung an sich. Als die Pläne vergangenes Jahr erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, äußerten viele Bürger – darunter Anwohner – Bedenken. 

Sechs Häuser planen die Investoren Foto: Vaterstettener Grundbesitz GmbH

Ein „sehr wichtiges Projekt für Vaterstetten“ sei das Vorhaben der Investoren, so Brigitte Littke, Leiterin des Bauamts. Es sei städtebaulich von großer Bedeutung, weil man so den „öffentlichen Raum besser gestalten“ könne. Unter anderem soll im Zuge der Baumaßnahme der Bahnhofsvorplatz aufgewertet werden, Busse hätten dann mehr Platz. Auch die Ansiedlung von Ärzten, für die es bereits Interessenten gibt, nannte Littke. Am Standort gewinne die Gemeinde. 

Die Ausmaße der Gebäude boten einigen Diskussionsstoff, vor allem der Hochpunkt: Sechs Stockwerke inklusive Erdgeschoss soll das höchste Gebäude umfassen, die restlichen fünf Gebäude sollen je vier Stockwerke hoch sein. Geplant ist ein Mix unterschiedlicher Wohnungsgrößen, den Hauptteil bilden dabei Zwei- (28 Stück) sowie Dreizimmerwohnungen (23 Stück). Im nun vorgestellten Mobilitätskonzept soll auch das gemeindliche Parkhaus mitbenutzt werden, um genügend Stellplätze zu schaffen.

Der größte Streitpunkt: der Verkehr. Denn die Bauwerber wollen von der Stellplatzsatzung abweichen. 137 sind laut Satzung exklusive Besucherparkplätze nötig, 116 sollen nach Vorlage eines Konzepts aus Sicht der Investoren gebaut werden. Die SPD geht gar noch weiter: sie will den Stellplatzschlüssel auf einen Stellplatz pro neu gebauter senken und reichte dafür einen eigenen Antrag ein. 

Sorge machte einigen Mitgliedern des Gremiums der mögliche Wegfall von Parkplätzen am anliegenden Supermarkt, dies würde im Zuge des Umbaus des Bahnhofsvorplatzes geschehen. Für Bauamtsleiterin Brigitte Littke mache das „schon Sinn“, so könne man den Verkehr etwas drosseln. Nutzer könnten in der supermarkteigenen Tiefgarage parken heißt es in der Sitzung, doch diese dürfte den wenigsten Kunden bekannt sein – wenig verwunderlich, denn die Parkplätze sind nicht ausgeschildert. Bei einem Ortsbesuch von B304.de am Samstag ist die Einfahrt, die sich auf der Rückseite des Marktes befindet, geschlossen und nicht für Kunden benutzbar.

Wer als Supermarktkunde die Tiefgarage benutzen will, steht vor einem verschlossenen Tor. Foto: Leon Öttl / B304.de

Für die neuen Bauten selbst sehen die Investoren 20 Stellplätze weniger vor, als vorgeschrieben. 158 Stück sollen in einer Tiefgarage entstehen – doppelstöckig. Dabei handelt es sich nicht um Duplex-Stellplätze, sondern ein System bei der – so kommentierte David Göhler (Grüne) das System – Autos erst einmal „herumrangiert“ werden müssten. Stefan Huber (CSU), der die Verkehrssituation als „noch nie so schlimm wie heute“ bezeichnete, sah das Parksystem kritisch, insbesondere für Bewohner mit Termindruck: Es sei unpraktisch, in die Tiefgarage zu fahren, „wenn ich 5 Minuten warten muss, um sein Auto rauszuholen“. Das Mobilitätskonzept werde nicht dazu führen, dass „keiner mehr ein Auto hat“, das „wäre weltfremd“. Dass man erwägt, den Stellplatzschlüssel in dieser Weise zu reduzieren, müsse sich für die Bauwerber anfühlen „wie Weihnachten“. Die Doppelnutzung des Parkhauses, wie von den Investoren vorgeschlagen hingegen habe Potenzial, so Huber, jedoch werde niemand 1,50 Euro bezahlen, um beispielsweise die Apotheke zu besuchen, daher sei der Stellplatzwegfall kritisch. Dem widersprach Roland, das Apotheken-Argument sei relativ schwach. Er appellierte für eine „Verkehrsteilnehmerberuhigung“. 

„Der Vaterstettener fährt gerne Auto“, merkt Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) an, der nicht an einen wesentlich geringeren Stellplatzbedarf glaubt, denn sonst stünden Autos dort herum , wo sie nicht gebraucht werden können, „das ist leider die Realität“.  

David Göhler sieht die Nutzung des Pakrhauses kritisch, insbesondere, wenn Gebühren erhoben werden. „Das ist für mich ein Taschenspielertrick“, denn im Erdgeschoss könnten die Parkplätze für das Neubauprojekt nicht ausgewiesen werden. Göhler befürchtet, dass die Besucherparkplätze im Parkhaus dann leer blieben und Autos „doch woanders stehen“. 

Positive Worte zum vorgestellten Konzept, das unter anderem Carsharing und 300 Fahrradstellplätze vorsieht, kam hingegen von Maria Wirnitzer (SPD). Gleichzeitig mahnt sie, dass die Tiefgaragenstellplätze nutzerfreundlich sein müssten. Der Vorschlag ihrer Fraktion lautet: 1 Stellplatz pro gebauter Wohnung. „Wir brauchen nicht mehr Stellplätze“, so Wirnitzer, die die Zweckentfremdung von Garagen im Gemeindegebiet ansprach. Ins Gespräch brachte die zweite Bürgermeisterin ein Parkraumkonzept mit Parkgebühren. „Je mehr Stellplätze, desto mehr Fahrzeuge werden da sein“, stimmt Göhler zu, der Beispiele aus Berlin und Riem, bei denen die Stellplätze ganz reduziert worden sind, ansprach. 

Dass weniger geschaffene Stellplätze für ein geringeres Autoaufkommen sorgen, sah nicht jeder im Gremium so, von einem „Glaubensunterschied“ sprach Bürgermeister Spitzauer. Stefan Huber bezeichnete diese Vorstellung als „weltfremd“, ähnlich Klaus Willenberg (FDP), der betonte, PKWs würden weiter benutzt werden, und diese Freiheit der Wahl des Verkehrmittels müsse jeder Bewohner haben. Schon jetzt sei es als PKW-Fahrer kaum möglich, durch die Bahnhofsstraße zu kommen, sagt der Liberale, der eine gesamtheitliche Betrachtung der Verkehrssituation in der Gegend für nötig hält. Michael Niebler, Fraktionschef der CSU, betonte, man stehe als Fraktion zur Stellplatzsatzung. Zu minimalen Abweichungen sei man bereit, doch grundliegend solle dies nicht geschehen. Carsharing-Angebote befürwortete Niebler. 

Vom Norden her schauend ist der Hochpunkt klar erkennbar Vaterstettener Grundbesitz GmbH

Der SPD-Antrag, den Schlüssel auf einen Stellplatz pro Wohnung zu reduzieren, fand keine Mehrheit. Stattdessen sollen nun 15 Stellplätze reduziert werden, mit Gegenstimmen von Grünen und SPD. Gegen die Bauleitplanung selbst stimmten nur die Grünen. Gegen Ende der Debatte, die sich hauptsächlich um den Verkehr drehte, kam noch das Projekt allgemein zur Sprache. Stefan Ruoff (Grüne) ist das Projekt zu groß, dem „Riesenklotz in der Mitte“ könne er so nicht zustimmen. Das Bauprojekt könnte kleiner gemacht werden. Mit dem Projekt und der Gestaltung „machen wir uns keine Freunde in der Bevölkerung“. Positiv sieht das Projekt hingegen Benedikt Weber (CSU), es sei eine Glaubensfrage, ob einem das gefalle. Die Planung sei „gelungen“, dabei hob Weber die Schaffung einer Gastronomie und die Praxen hervor. Gut sei es, Wohnraum innerhalb der Bebauung zu erweitern. Dem stimmte auch Bürgermeister Spitzauer zu, denn die Alternative zur Innenverdichtung sei der Neubau außerhalb des bebauten Gebiet, und Wohnraum werde gebraucht. Da seien „verträgliche Weiterentwicklungen“ gut, und das Projekt eine städtebauliche Aufwertung.