Mein Hundeleben: Hallo, Elvis!

von Eva Bistrick

Eins mal vorweg: Warum der Begriff „Hundeleben“ eigentlich so negativ behaftet ist, ist mir persönlich
komplett schleierhaft. Unser neuer Hund hat nämlich das schönste Leben überhaupt, und ich lehne mich nicht mal besonders weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass sich die anderen Vierbeiner, die mir tagsüber beim Gassi-Gehen in Vaterstetten begegnen, auch nicht beschweren können. Aber der Reihe nach.

Ok, so ein Hundewelpe ist vor allem eins: extrem niedlich. Ich fürchte, das weiß er auch. Trotzdem muss und will man ihn ja erziehen, weshalb wir uns seit einigen Tagen nur noch mit einer Blumen[1]spritze bewaffnet ins Wohnzimmer trauen. Denn lediglich ein kalter Spritzer Wasser und ein beherztes „Nein“ halten ihn überhaupt davon ab, Möbel anzukauen, Schuhe zu verschleppen oder das Blumenbeet zu durchpflügen. Seine erste Amtshandlung nach der Abholung beim Züchter war, mir eine meiner Lieblingsblumen abzubeißen und damit freudig auf mich zuzuwedeln. Ein echter Charmeur, denken Sie. „Der ganze Bua a Depp“, dachte ich. Unser Hund glaubt sicherlich, dass er „Nein“ heißt. Dabei heißt er eigentlich „Elvis“. Darauf hört er auch, vorausgesetzt man wedelt mit einem Leckerli vor ihm her. Er ist extrem käuflich, sein persönlicher Held ist immer der, der ihn zuletzt gefüttert hat. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Hundewelpe fast so viel Aufmerksamkeit braucht wie ein Menschenbaby. Doch nach zwei schlaflosen Wochen bin ich schlauer. Unsere Unterhaltung kreist neuerdings fast auschließlich um eine Frage: „Wann hat sich Elvis zuletzt gelöst?“ Das ist Hundehalter-Fachsprache und subsummiert alles, was nach der Nahrungsaufnahme hinten wieder rauskommt – unabhängig vom Aggregatzustand. Nachts wanken wir neuerdings wie Schlafwandler durchs Haus, um ein Malheur zu vermeiden. So sehen wir tagsüber auch aus, mit blutunterlaufenen Augen und Tränensäcken wie sonst nur nach 16 Tagen Wiesn. Ich habe mich deshalb mal auf die Onlinesuche gemacht, um in Internetforen Hundebesitzer auszumachen, die es mit der ungeschönten Wahrheit halten und ihre Pelznase ausnahmsweise mal nicht über den grünen Klee loben. „So liebenswürdig“, „verschmust“, hübsch, klug, – sogar Attri[1]bute wie „gütig“ finden sich da. Zuhauf! Hmmh. Lobbyismus pur.

Nach diversen Gassi-Geh-Versuchen, bei denen sich Elvis weder nach vorne noch nach hinten bewegen wollte und letztlich sogar noch sprichwörtlich zum Befreiungsakt getragen werden musste, hatten wir schon einen faulen Stubenhocker in ihm ausgemacht. Nachdem Apportieren, Stöckchen werfen und Leckerli suchen auch nicht klappen will und sogar die Nachbarskatze aus zwei Metern Entfernung keine Regung in ihm auslöst, fürchten wir, er ist auch nicht die hellste Kerze auf der Torte. Dumm und faul – hätte der Züchter das so gesagt, hätte er ihn wohl auch nicht losbekommen. Oder er dachte ernsthaft, wir passen gut zu ihm? Ich will gar nicht weiter darüber nachdenken. Dumm und faul, aber potent. Denn während andere Welpen in seinem Alter nur spielen, schlafen und lustig dreinschauen, imponiert Elvis gerne mit seinen zehn Wochen im unpassendsten Augenblick mit seinem primären Geschlechtsorgan und bringt mich regelmäßig in kompromittierende Situationen. In der Hundeschule, wo wir ja pflichtbewusst mit ihm hingehen, wurden seine kindlichen Begattungs-Versuche zunächst als „er will ja nur spielen“ ab[1]getan – bis sich daraus ein paar Augenblicke später hysterisch-schrille „Nee das darf ja nun nicht sein!!!-Ausrufe“ entwickelten. „Alles, was ihr Hund nach 10 Minuten nicht gefressen hat, sollten Sie aus dem Napf nehmen“ – das habe ich aus einem Ratgeberbuch. 10 Minuten? Das muss ein Druckfehler sein, es sind sicherlich 10 Sekunden gemeint. Dann hat unser Labrador-Baby nämlich alles gnadenlos wegradiert. Er frisst nämlich alles, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist: Gras, Kronkorken, Steine, Nacktschnecken. Nacktschnecken! Die sammle ich neuerdings mit bloßen Händen aus dem Garten – nach meinen Ekelgefühlen frage ich mich schon lange nicht mehr. Vielleicht ist das ja gut, wenn ich mich mal lockermache und nicht mehr ganz so übertrieben hygienisch bin … so tröste ich mich. Elvis, mein Therapiehund.

Wer weiß, vielleicht sind das ja auch nur Nebenschauplätze. Denn an sich ist Elvis ein braver Zeitgenosse, der gerne Auto fährt, seinen Plüschhasen wie ein Heiligtum bewacht und nur gaaaanz selten mit seinen Mini-Hauern zubeißt. Sein Fell ist weich und glänzt, und er freut sich gefühlte 100 Mal am Tag, wenn ich wieder zur Türe reinkomme. Auch wenn ich nur ein paar Sekunden weg war. Und wenn er schläft, sieht er wirklich aus wie ein Engel. Da verzeiht man ihm fast auch seine tierischen Blähungen, die unvermittelt Glasscheiben beschlagen lassen. Wer einen Hund hat, braucht übrigens kein Tinder. Jeder spricht einen an – bzw. den Hund – und hat nette Worte oder ein Lächeln parat. Das ist tatsächlich aufbauend, denn ähnlich wie mit einem Baby auf einem Langstreckenflug fühlt man sich auch mit einem stoisch im Sitzstreik verharrenden Hundewelpen mit ausgefahrenem Geschlechtsteil nicht unbedingt wohl in seiner Haut. Da tun ein paar liebe Worte ganz gut. Bitte haben Sie daher Nachsicht, wenn wir uns demnächst auf der Straße begegnen – ich bin die Frau mit dem Hund, die sich den Mund fusselig redet, während er nur dasitzt und gähnt. Mein Wortschatz hat in den letzten Tagen jedenfalls akut abgebaut und basiert hauptsächlich auf „Fein, Brav, Elvis, Aus“ und „Nein“. Aber das sind ja nur die ersten Wochen, wir bekommen sicher ganz viel zurück. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass sich der Begriff Hundeleben gar nicht auf den Hund, sondern auf den Halter bezieht …