Mein Hundeleben: Elvis läuft!

von Eva Bistrick

Zuerst die gute Nachricht: Elvis has left the building. Soll in diesem Fall heißen: Elvis läuft! Ich muss also
doch keinen Leiterwagen kaufen, um ihn zur nächsten Wiese zu ziehen. Und ich meine damit nicht seine
obligatorischen 5 Minuten, in denen er wie eine galoppierende Wildsau mit fliegenden Ohren durch den
Garten pest – nein, echtes Laufen. An der Leine! „Bei Fuß“!

Ein bisschen zu optimistisch ausgedrückt war das vielleicht doch. Elvis läuft nämlich nur „Bei Fuß“ wenn ich das Kommandowort „Fuß“ alle 15 Sekunden sage. Da kann man sich beim Gassi gehen schon mal ziemlich beschränkt vorkommen und wählt daher wohlweislich Strecken, auf denen nicht allzuviel Parteienverkehr herrscht. Doch wir suchen ja gezielt tierische Sozialkontakte, daher mischen wir uns immer wieder furchtlos unters Volk. Wir waren sogar schon auf dem Mittelaltermarkt und haben viele flauschige Fellwesten kennengelernt! Fast hätte ich mir dort so einen vernieteten Ritterhandschuh gekauft, aus reinem Selbstschutz, wenn der Hund sich mal wieder vor lauter Liebe an mir festbeißt. Und die Alpakas auf dem Wollmarkt fanden Elvis mindestens genauso interessant wie er sie. Damit Elvis künftig weiß, wie er sich zu benehmen hat, freue ich mich über jeden Hund, der uns auf diesen Streifzügen begegnet. Sicher kann er von Artgenossen viel lernen – dass Beißen weh tut, dass nicht jeder Fremde unbedingt besprungen und abgeleckt werden möchte, etc. Leider wechseln viele schon auf lange Distanz die Straßenseite, wenn wir des Weges kommen … und nein, das liegt hoffentlich nicht an meiner Person. (Ganz sicher bin ich mir da allerdings nicht)

Wo finde ich eigentlich den Ratgeber „Freunde finden für Dummies“? Es ist wie bei uns Menschen: Freunde finden ist nicht ganz einfach, wenn man mit dem angeborenen Sozialverhalten eines Bulldozers gesegnet ist. Auch mir sind fremde Menschen, die z. B. in der U-Bahn meine persönliche Distanz-Wohlfühlzone überschreiten, nicht geheuer. Doch diese Zone scheint sehr individuell zu sein – und Elvis´ persönliche Distanz-Wohlfühlzone ist da, wo er seine Zunge in die Ohren eines anderen Hundes versenken kann. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass das nicht jeder gut findet. Das ist schließlich auch ein Grund, warum wir im Leben auf manch in[1]diskrete Äußerung auch besser verzichten sollten – „Hast Du zugenommen“, „Du siehst aber abgearbeitet aus“… Wer so auftritt, kann sein Gegenüber auch gleich ungefragt ablecken, das tut zumindest nicht weh. Und es gibt noch mehr Aha-Momente: An sich hat der kleine Racker vor nichts Angst. Und so gibt er auch mir die Chance, über mich hinauszuwachsen. Denn an sich habe ich sehr großen Respekt vor Tieren, die größer sind als ein Handstaubsauger – doch neuerdings erlebe ich mich, wie ich das Hundebaby regelrecht ansporne: „Hab keine Angst, der ist sicher ein Freund“, um dann gezielt auf riesige Hunde, Pferde, Bagger oder Traktoren zusteuere. Ein furchtloser Hund ist ein guter Hund – doch das heißt nicht, dass er nicht wissen soll, wann Schluss ist und wann es dem anderen zu nahe geht. Sollten wir alle wissen. Es gibt wirklich erstaunlich viele Parallelen zwischen Menschen- und Tierwelt. So ist auch bei einem Hund weniger meist mehr. Schon Hundeflüsterer Martin Rütter, mag jeder von ihm halten was er will, propagiert das in seinen Vorträgen. Wer den Hund „zutextet“ braucht sich nicht wundern, wenn er irgendwann nicht mehr auf die wichtigen Ansagen reagiert. Fast wie in einer Ehe. Muss ich jetzt auch noch ein Sprachtraining absolvieren? In der Hundeschule werde ich regelmäßig getadelt, wenn ich den Hund mit Kommandos verwirre. „Und Sitz! Und Fuß! Und Platz!“ Das Kommando „Und” gibt es nämlich auf Hundisch nicht.

Folglich soll ich es auch weglassen. Es wäre generell nicht verkehrt, wenn wir kurz und bündig kommunizierten, anstatt mit möglichst vielen „unds“ bzw. diversen Füllwörtern zu verschleiern, was wir eigentlich sagen wollen. Allerdings: In Sachen „und“ scheint es beim Menschen tatsächlich genau gegensätzlich zu sein. Laut einem renommierten Stanford-Professor sollten wir, nicht nur im Arbeitsleben, jedes „aber“ aus unserem Sprachschatz verbannen und durch ein „und“ ersetzen. Das soll angeblich glücklich machen, die Selbstmotivation steigern und auf das Gegenüber positiv wirken. Die Erklärung dafür: Jedes Mal, wenn wir einen begonnenen Satz mit ABER fortsetzen, erklären wir das davor Gesagte quasi für ungültig. Das Wort „und“ dagegen schickt das Gehirn automatisch auf Lösungssuche. In der Praxis klingt das dann so: Statt „Ich möchte den Tatort sehen, aber muss noch die Präsentation fertig machen und mit dem Hund rausgehen“ raten die Experten zu: „Ich möchte den Tatort sehen und muss noch die Präsentation fertig machen und mit dem Hund rausgehen“.

Übrigens wäre der nächste Schritt, das fiese Wörtchen „müssen“ durch „wollen“ bzw. „dürfen“ zu ersetzen. Dazu kann ich mich allerdings nicht durchringen. Klingt auch irgendwie albern, „Elvis darf Pipi machen“. Es liegt mir wirklich viel daran, etwaige Fehlkommunikation mit meinem Hund schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Und nicht nur mit meinem Hund, sondern auch mit meiner Umwelt. Dank Whatsapp und der inflationären Verwendung von Emojis sind Missverständnisse ja quasi programmiert. Die Autokorrektur tut ihr übriges, da wird aus „OK“ schnell „Oktober“ oder aus „aber“ „Adapter.“ Doch das sollte künftig nicht mehr vorkommen, das Wort ist ja jetzt gestrichen. Kommunikationsproblem gelöst! Zu Weihnachten gibt es heuer übrigens Karten für einen Auftritt von Martin Rütter. Soweit ist es jetzt.