Mein Hundeleben: die Pubertät

von Eva Bistrick

Laut Duden enden im Deutschen nur ganze vier Worte auf -nf. Ich bin mir sicher, viel mehr Worte enden auf -tät: zum Beispiel Kreativität, Priorität, Kontinuität. Sind sogar ganz schöne Worte. Aber: Puber-tät weckt in mir keinerlei positive Assoziation. Diese fragwürdige Daseinsphase zwischen Fisch und Fleisch fand ich selbst damals schon nicht prickelnd. Dass ich dieses Elend jetzt bei einem Hund noch einmal miterleben muss, ist wohl ausgleichende Gerechtigkeit für irgend ein Fleischgericht, das ich mal am Karfreitag anstatt Fisch gegessen haben muss.

Pubertät. Mit schreckensgeweiteten Augen nahmen wir die Diagnose der Tierärztin zur Kenntnis. Hier wären „Hormone am laufen“ und „Drüsen ordentlich am arbeiten“. Ein bisschen war mir, als rattern alle Warnungen, die so oft in Ratgeberbüchern über diese Phase geschrieben stehen, im Schnelldurchlauf durch meinen Kopf: „Grenzen austesten“ „Kommandos hinterfragen“, „alles Gelernte komplett vergessen“ – ich erwartete somit Wochen, ach was, Monate (!) des schieren Grauens. Hilfe!

Wer Elvis kennt, mag vermeintlich denken: So schlimm kann die Pubertät gar nicht sein, immerhin war dieser Hund bereits 9 Monate zuvor ein ordentlicher Rotzlöffel. Und wer täglich aufs Neue beweist, dass er nicht nur erstaunlich kommandoresistent ist und obendrein stur wie ein Esel, der muss sich schon jede Menge einfallen lassen, um überhaupt noch zu überraschen. Sie ahnen, was kommt. Wir hatten mal wieder die Rechnung ohne unseren Höllenfürst gemacht. Die Skala nach oben ist bei Elvis nämlich grundsätzlich offen. Zunächst mal die große Überraschung: Elvis hat nichts verlernt, im Gegenteil. Er hat immens dazugelernt! Irgendwie weiß dieser Hund neuerdings instinktiv, wie er uns auf besonders überraschende Weise noch perfider um den Verstand bringen kann. Wir präsentieren: Elvis 2.0. Mit neuen Special Effects, die in keiner Gebrauchsanweisung standen.

Haben Sie schon mal gesehen, wie 25 kg Lebendgewicht mit Anlauf (und fliegenden Ohren) auf einen am PC arbeitenden Menschen zuwuchten? Auf einen Menschen, dessen Bürostuhl Rollen hat? Dieser Anblick verlangt fast nach Eintrittsgeld: Den Stuhl katapultiert es samt der Person darauf rücklings durch den Raum – drehenderweise. Der Hund krallt sich, wohl selbst überrascht von der eigenen Hebelwirkung, wie irre fest, was die Drehung noch weiter beschleunigt. Da bleibt kein Auge trocken, und kein Oberhemd heil. „Er sucht Nähe“, analysiert da so mancher womöglich. „Er sucht Ärger“, glauben wir.

Dann gingen die Geräusche los. Zunächst nahmen wir an, die Spülmaschine hängt oder der Trockner schleift … irgendwie hörten wir plötzlich Hintergrundtöne die keiner zuordnen konnte. Eigentlich wäre da das Haustier die naheliegende Vermutung – doch die Geräusche waren einfach, nun ja – nicht annähernd tierischer Natur! Und ja, natürlich habe ich Hunde schon fiepen hören, doch Elvis´ Soundkulisse hat besondere Dimensionen. Egal ob eingerostete Modelleisenbahn, verächtliches Schnauben oder Motorengeräusch – Elvis hat sie alle drauf.

Ist es nicht schön, wenn ein Hund menschenbezogen ist? Ich habe tatsächlich schon (mit Argusaugen und aus nächster Nähe in extremer Habacht-Position) miterlebt, wie Dreijährige mit ihren Patschehändchen wild-johlend vor Elvis´ Nase ein Klopfkonzert auf dem Parkettboden veranstaltet haben, und er hat nicht einmal gezuckt. Aber dann gibt es auch andere Tage. Wenn ich gewusst hätte, wie laut und oft ich den Namen dieses Tieres noch in der Öffentlichkeit rufen sollte, hätte ich mir

vielleicht einen unauffälligeren ausgesucht. Etwas Erfreuliches wie „Freibier“, „Feierabend“ oder „Hitzefrei“ womöglich.

Neulich hat sich Elvis irgendwie aus dem Halsband befreit und schlug aus Freude über seine neugewonnene Freiheit aus heiterem Himmel einen beachtlichen Haken mit 100-Meter-Sprint ins Ungewisse. Sein Ziel: eine Turnhalle, aus deren Eingangstür gerade eine Mutter spazierte. Drinnen: Unzählige spielende Kinder. Dutzende Bälle, die umherflogen. Kreischende Aufsichtspersonen. Ein unverbesserlich-optimistischer Turnlehrer, der völlig richtig feststellte: „Der hat aber keine Sportschuhe an!“ (Ich übrigens auch nicht – daher traute ich mich nicht in die Halle und beschränkte mich darauf, an der Türschwelle hysterisch mit Leckerlies zu schütteln und wie eine Irre „Hier! Hier!“ zu rufen.) Elvis für seinen Teil hat sich königlich amüsiert und wedelte sich freudig von Ball zu Ball. Irgendwann kam er dann doch zu mir zurück und mir blieb gottlob eine Schimpftirade erspart. (Danke hierfür!) Im Nachgang wundere ich mich, warum Elvis das Buffet, das liebevoll im Vorraum aufgebaut war, nicht auch gleich noch mitgenommen hat auf seiner Spontanexpedition. Er liebt All-inclusive. Auch das hat er wohl von uns.

Was mich zugegebenermaßen beunruhigt, ist, dass Elvis trotz all dieser Anwandlungen immer noch nicht das Bein hebt. Denn: Solange er das nicht tut, ist das nur die Vorhölle, äh, Vorstufe, und der Hund nicht ernsthaft heranwachsend. Folglich kann ich mich darauf einstellen, dass da wohl noch einiges nachkommt. Auch mein Mann hofft, dass Elvis endlich das Bein hebt. Allerdings aus anderen Gründen! Ich fürchte, dass er ernsthaft in Erwägung zieht, dem Tier das Beinheben vorzumachen: „Er wäre ja kein Mädchen“. Ähm ja. Ich hoffe, ich bin nicht dabei, wenn das passiert – und ich hoffe es inständig auch für Sie.