Haar: Neues Leben am Tatort

von Eva Bistrick

*** UPDATE ***

Eine idyllische Seitenstraße an der B304 in Haar. Hier steht, umgeben von einem verwilderten Garten, ein kleines Haus mit großer Geschichte. Denn hier ereignete sich 2008 einer der bizarrsten Mordfälle in der Münchner Kriminalgeschichte: der sogenannte Haarer „Kreissägen-Mord“ (B304.de berichtete). Doch Geschichte soll irgendwann auch Geschichte sein dürfen. Heute erlauben großformatige Bauzaunbanner kaum einen Blick auf das mittlerweile vollständig entkernte Haus. Künftig sollen hier zwei Mehrfamilienhäuser mit je acht Wohnungen entstehen. Das Symbol ist klar: Hier ist der Blick in die Zukunft gerichtet.

Blick in den Garten im September 2025. Hier sollen demnächst Mehrfamilienhäuser entstehen. (Foto: B304.de/Markus Bistrick)

Was ist damals passiert?

Gabriele P. studierte Waldorf-Pädagogik, ihr vier Jahre älterer Freund Alexander H. Anglistik. Es war eine Jugendliebe. Als Gabi volljährig wurde, zogen beide in das kleine Haus, das ihre Mutter geerbt hatte. Nach außen wirkte die Beziehung harmonisch, doch Gabriele P. berichtete später, Alexander habe „zwei Gesichter“ gehabt: humorvoll und höflich einerseits, demütigend und brutal andererseits. Von Alkohol, Drogen, vermüllten Räumen, Zankereien und Schlägen ist die Rede. Vor Gericht schilderte sie zudem, dass er sie zwang, fremde Männer und Frauen für gemeinsame Sexpraktiken anzusprechen und nach Hause einzuladen. Was sich in dieser Beziehung tatsächlich abspielte, bleibt bis heute diffus – Gabi P. gab an, vieles verdrängt oder vergessen zu haben.

Im Dezember 2008 kippte die Situation dann wohl so richtig. Eigentlich sollte es „Versöhnungssex“ geben. Alexander H. wollte ans Bett gefesselt werden und trug dabei eine abgeklebte Schwimmbrille. So bemerkte er nicht, dass Gabi P. zu einer Handkreissäge griff, die neben dem Bett lag. Sie durchtrennte Schlüssel- und Brustbein und trennte ihm den Kopf ab. Die Leiche ließ sie monatelang auf dem Dachboden liegen – unbemerkt. Verhielt sich nach außen unauffällig. Den Adoptiveltern ihres Partners erzählte sie, Alexander sei mit einer anderen Frau durchgebrannt. Anfang 2009 hatte sie wieder einen neuen Freund. Dieser entdeckte die Leiche schließlich, als er auf die Katzen der Täterin aufpasste. Die Tiere kratzten so lange an der Dachbodentür, bis er sie öffnete – und den verwesenden Körper fand.

Statt die Polizei zu informieren, konfrontierte er Gabi P. mit seiner Entdeckung – und entschied sich, ihr dabei zu helfen, die Tat zu verstecken. Gemeinsam mit einem Bekannten zerteilten sie die Leiche und vergruben die Teile in einem Plastiksack im Garten. Jahre vergingen. Doch wie so oft bekommen Geheimnisse irgendwann Füße – doch bis jemand plauderte, sollte es sieben Jahre dauern.

Kurz nach der Durchsuchung der Polizei im Januar 2016: Der Fundort des Plastiksacks, in dem ein menschliches Skelett vergraben wurde, im Garten hinter dem Haus. (Foto: B304.de/Markus Bistrick)

Erst am 20. Januar 2016 stand schließlich die Polizei mit einem Haftbefehl vor der Tür. Gabi P. gestand sofort. Als die Ermittler die Leiche von Alexander H. ausgruben, soll er noch die Taucherbrille getragen haben, die die beiden beim Fesselspiel benutzt hatten. Eine wahre Geschichte, die bis heute fassungslos macht.

2017 verurteilte das Landgericht München die damals 32-Jährige zu zwölfeinhalb Jahren Haft wegen Totschlags. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich gefordert, doch die Kammer sah das Mordmerkmal der Heimtücke nicht erfüllt. Eigentlich müsste Gabi P. bis Juli 2028 einsitzen. Doch sie wurde bereits im Mai 2024 aus der JVA Aichach entlassen, wie der Münchner Merkur berichtet – auf Bewährung, mit strengen Auflagen, deren Details die Staatsanwaltschaft aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich macht. Laut Medienberichten lebt die heute 40-Jährige in Augsburg, zunächst noch zusammen mit dem Mann, der ihr bei der Zerstückelung half, und den sie noch im Gefängnis geheiratet hatte. Er selbst wurde wegen Strafvereitelung zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Mittlerweile ist die Ehe wieder geschieden.

Die irrsten Geschichten schreibt das Leben selbst. Und hinter unscheinbaren Fassaden können Abgründe lauern. Bald werden Bagger Sträucher und Mauern beseitigen – und mit ihnen die letzten Spuren eines Verbrechens.

Zum Hintergrund:

Enthauptung mit Kreissäge – B304

Haar: Leiche offenbar gefunden – B304