Seit Januar finden in Vaterstetten montags “Spaziergänge” gegen die Corona-Politik statt. Wir waren dabei und haben die Teilnehmer nach Ihren Beweggründen für die Teilnahme gefragt.
Montag, Punkt 18 Uhr. Vier Polizeibeamte überqueren die Wendelsteinstraße. Vor dem Rathaus haben sich rund 90 Personen versammelt, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren. Angemeldet ist die Veranstaltung nicht. Auch nach einer Aufforderung der Polizei findet sich kein Versammlungsleiter, weshalb die Polizei Auflagen verliest: Die Route ist vorgegeben und sei mit 4 Kilometern „relativ umfangreich gestaltet“, damit die Demonstranten etwas „davon haben“. Masken müssen nicht getragen werden, jedoch sei ein Mindestabstand einzuhalten. Beobachtet wird die Versammlung vorm Rathaus vom ersten Bürgermeister Leonhard Spitzauer, der seine Tätigkeit unterbrach, um sich einen Überblick der Lage zu verschaffen. Kurz vor Aufbruch entschied man sich noch, die Route aus Rücksicht vor älteren Teilnehmenden zu verkürzen. Anschließend spazierte die Gruppe rund eine dreiviertel Stunde durch Vaterstetten, bis man sich wieder vor dem Rathaus sammelte. Zum Abschluss wurde die deutsche Nationalhymne angestimmt, ehe die Versammlung für beendet erklärt wurde. Insgesamt war die Stimmung unter den Teilnehmern friedlich und die Polizei entspannt. Sie spricht später von einem störungsfreien Ablauf.
Die Teilnehmer verabreden sich über einen Telegram-Kanal. Darin sei laut Beschreibung jeder „friedliche Mensch“ willkommen, der „auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht“. Größtenteils trifft dies zu, doch es finden sich beispielsweise mehrere holocaustrelativierende Inhalte, die B304.de vorliegen, im Kanal – Widerspruch erfolgte nur vereinzelt, die Aussagen werden teilweise befürwortet oder ohne Kritik hingenommen.
Die Demonstration gestern lief hingegen friedlich ab. Die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen, auch einige Familien mit Kindern befanden sich unter den Spaziergängern. Gefragt nach dem persönlichen Motiv für die Teilnahme berichtet man uns von verschiedenen Beweggründen: Eine Mutter etwa kritisierte die Maßnahmen für Kinder als unverhältnismäßig. Eine andere Teilnehmerin, die im Gesundheitswesen arbeitet, kritisiert die Impfpflicht für ihre Berufsgruppe. Sie selber sei geimpft, empfände die Pflicht jedoch als ungerecht gegenüber jenen Kollegen ohne Impfung – zudem verstärke die Pflicht für die angespannte Personalsituation in der Pflege. Kritik an einer möglichen allgemeinen Impfpflicht findet sich bei vielen Teilnehmenden wieder: man fürchte sich vor einer Spaltung der Gesellschaft, so ein Teilnehmer im Gespräch mit uns. Für großen Gesprächsstoff sorgte die Verkürzung der Gültigkeit des Genesenenzertifikats auf 3 Monate. Den Teilnehmenden war wichtig, nicht als rechts oder Verschwörungstheoretiker gesehen zu werden, viel mehr betrachte man sich als Querschnitt der Gesellschaft.