Eine Bürgerversammlung mit befremdlichem Ende und einem, bei Fragen der Bürger, dünnhäutigem Bürgermeister. Am Donnerstagabend ging es um Vaterstetten und Baldham, am Mittwoch um die Ortschaften. Die Gemeinde Vaterstetten hatte dazu in die Turnhalle der neuen Grund- und Mittelschule geladen, die rund zweistündigen Veranstaltungen parallel aber auch im Internet übertragen. Dem geneigten Zuschauer präsentierte sich eine insgesamt wenig aufgeregte Vortragsreihe der verschiedenen Amtsleiter und ein wenig souveränes Ende. Aber der Reihe nach.
Bangen und hoffen nach der Greensill-Pleite
Erfahren durften wir unter anderem, dass sich die finanzielle Situation der Großgemeinde insgesamt wieder stabilisiert, das Steueraufkommen jedoch bei weitem nicht das Vor-Corona-Niveau erreicht. “Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen”, sagte Gemeindekämmerer Markus Porombka wörtlich. Hinsichtlich der 5,5 Millionen Euro Steuergeld, die bei der Greensill-Pleite versenkt wurden, machte Spitzauer Hoffnung darauf, dass vielleicht noch 1,4 Millionen Euro zu retten seien. Als wichtige Investitionsmaßnahmen lässt sich Vaterstetten im laufenden Jahr etwa die Generalsanierung der Brunnenschule 2,5 Millionen Euro kosten (Gesamtkosten für das Sanierungsprojekt: über 5 Millionen Euro) oder auch 760.000 Euro für den Anschluss der Wendelsteinschule und des Rathauses an das Fernwärmenetz.
“Agenda 2030” kommt – aber erst Mitte kommenden Jahres
Nicht unerwähnt blieb in der Bürgerversammlung auch, dass Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) Mitte kommenden Jahres endlich enthüllen will, wo die Gemeinde 2030 steht. Dann sollen die Bürger das Ziel seines Weges erfahren, zu dem Spitzauer bereits vor 15 Monaten aufgebrochen ist. “Agenda 2030” nennt der Rathauschef, was eine Prioritätenliste meint, die derzeit zusammen mit Gemeinderäten und Verwaltung erarbeitet wird. Also, was in welchem Zeitraum finanzierbar ist und von welchen Projekten man sich aus finanziellen Gründen wohl verabschieden muss. Besonders spannend werden dürfte dabei die Frage wie es mit dem maroden Rathaus-Gebäude und einem Bürgersaal weitergeht. Doch auch ohne bislang eine Antwort darauf zu haben, schafft man im unmittelbaren Rathaus-Umfeld bereits vollendete Tatsachen. Eine neue Einfach-Turnhalle mit Hort für die Wendelsteinschule ist beschlossen. Sie soll auch als Versammlungsstätte für bis zu 600 Menschen dienen. Ein Bürgerhaus “light” quasi.
“Ich habe alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt“
Doch eine Bürgerversammlung dient nicht nur als Informationsveranstaltung, sie ist ausdrücklich auch Gelegenheit für einen direkten Dialog zwischen Bürgermeister, der Verwaltungsspitze und den Bürgerinnen und Bürgern. Und so wollte etwa Elternbeirätin Ulrike Küpfer aus Vaterstetten wissen, welche verkehrsberuhigenden Maßnahmen nach dem Wegfall der Einbahnregelung vor dem Humboldt-Gymnasium geplant seien. Der aktuelle Zustand sei eine “Katastrophe” und ein Kind bereits angefahren worden. Die Bodenmarkierung werde ergänzt, aber “das sind wahrscheinlich softere Maßnahmen, als Sie sich wünschen werden”, antwortete Bürgermeister Spitzauer. Einer umfassenden Verkehrsberuhigung habe der Gemeinderat – auch aus finanziellen Gründen – nicht zugestimmt. Dann wird der Rathaus-Chef, nicht zum letzten Mal an diesem Abend, ungewöhnlich deutlich: “Wenn natürlich die Schüler mit dem Fahrrad über den Zebrastreifen fahren, dann muss ich fragen, ob es nicht besser wäre, dass man in der 5. und 6. Klasse nochmal eine Wiederholdung der Jugendverkehrsschule macht. (…) Ich habe alles gesagt zu dem Thema, was ich dazu zu sagen habe.”
Am Maibaum bleibt’s gefährlich
Dr. Werner Schweizer verwies auf die zweifelsohne höchst gefährliche Verkehrssituation an der Kreuzung beim Vaterstettener Maibaum und forderte sehr eindringlich von der Verwaltung ernsthaft über einen Kreisverkehr nachzudenken. Wer die Kreuzung kennt, weiß, dass insbesondere die Überquerung der Dorfstraße, von der Fasanenstraße kommend, einem russischen Roulette gleicht. An dieser Stelle sei ein Kreisverkehr schwierig, erklärte Bauamtsleiterin Brigitte Littke und verwies darauf, dass aber ein Kreisel an der Kreuzung Möschenfelder- / Zugspitzstraße kommen werde. Fazit: Am Maibaum bleibt’s gefährlich. Obwohl der Verkehr durch die beiden Neubaugebiete mehr, nicht weniger wird.
Wie viel wert ist das Wort eines Politikers?
Letzter Einwand am gestrigen Abend kam von Florian Schmidt. Der Baldhamer wollte Bürgermeister Leonhard Spitzauer zu einem formalen Beschluss im Gemeinderat bewegen, dass das provisorische Jugendzentrum, das voraussichtlich im November in der alten Mittelschule eröffnen wird, für mindestens zwei Jahre erhalten bleibt und nach Abriss der Schule ins jetzige OHA, dem ursprünglichen JUZ, umzieht. Doch der Rathaus-Chef witterte offenbar eine politische Verschwörung – Schmidt bekleidet ein Amt bei der örtlichen SPD – und konterte unnötig harsch und emotional: “Also das Wort von einem Politiker ist auch noch was wert, oder nicht? (…) Aber ich weiß ja, was dahinter steckt, das wird jetzt politisch, aber das hier ist die Bürgerversammlung der Gebietskörperschaft Vaterstetten und keine politische Diskussion. Wir diskutieren jetzt nicht!”
Der Gemeinderat wird sich trotzdem nochmal mit dem Thema beschäftigen müssen, weil ein entsprechender Antrag von Florian Schmidt auf der Bürgerversammlung eine Mehrheit gefunden hat.