Gemeinde Haar will klagen, aber…

von Markus Bistrick

Einstimmig hat sich der Ferienausschuss des Haarer Gemeinderats gestern darauf verständigt, gegen den Bescheid des Landratsamts beim Verwaltungsgericht zu klagen. Das Landratsamt hatte die Bürgerentscheide vom 27. Juli für ungültig erklärt und war damit einer Beschwerde gefolgt, die in einem vom Rathaus verteilten Informationsblatt „unzulässige Wahlbeeinflussung“ sah. Diesen Vorwurf will Bürgermeisterin Gabriele Müller nicht auf sich sitzen lassen. Der Klage zugestimmt hat auch die CSU Fraktion – um nicht im Reich der Legenden und Mythen zu landen.

Bürgermeisterin Gabriele Müller (Foto: B04.de Archiv).
Bürgermeisterin Gabriele Müller (Foto: B04.de Archiv).

„Der Vorwurf, dass die Gemeinde oder die Verwaltung den Wählerwillen wissentlich oder willentlich beeinflusst haben soll, der wiegt meiner Meinung nach schwer und wäre es wert gerichtlich geklärt zu werden“, sagte Bürgermeisterin Gabriele Müller und empfahl dem Ferienausschuss dafür zu stimmen, Klage gegen den Bescheid des Landratsamts einzureichen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass die Verteilung und die Formulierung in dem Informationsschreiben, die dazu geführt hat, dass die Bürgerentscheide nun für ungültig erklärt wurden, nicht ganz glücklich war. Wörtlich hatte es dort geheißen, “dass der Gemeinderat mehrheitlich Standort angepasste Entscheidungen als sinnvoller erachtet”. Das wurde vom Landratsamt als  „wertende Stellungnahme“ interpretiert und dies sei unzulässig.

Der Stein des Anstoßes: dieses Informationsblatt der Gemeindeverwaltung. (Repro: B304)

Wie berichtet, hatte die Frau des CSU-Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Münchner Landrats Ernst Weidenbusch die Rechtsaufsicht des Landratsamtes eingeschaltet. Auslöser war ein Informationsblatt der Gemeinde zum Bürgerentscheid, das in einem Wahllokal in Ottendichl in der Wahlkabine hing. Darin wurden u.a. das Zustandekommen des Bürgerentscheids mit Bürgerbegehren und Ratsbegehren und das komplizierte Wahlverfahren erläutert. Das sei, so Ernst Weidenbusch schon am Abend des Bürgerentscheids, ein klarer Verstoß gegen eine ordnungsgemäße Abstimmung und „unzulässige Wahlbeeinflussung“. Dieser Ansicht, wenn auch mit anderer Begründung, folgte das Münchner Landratsamt und erklärte die Bürgerentscheide mit Schreiben vom am 1. August für ungültig. Gleichzeitig wurde die Gemeinde Haar aufgefordert, die Bürgerentscheide in angemessener Zeit zu wiederholen, sofern Bürger- und Ratsbegehren nicht zurückgenommen werden, bzw. der Gemeinderat nicht der Forderung des Bürgerbegehrens, dass es in Haar künftig keine Häuser  über 19 Meter mehr geben soll, nachkommt.

Gegen den Bescheid des Landratsamts kann jedoch bis zum 8. September 2014 Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht erhoben werden. Dem Vorschlag von Gabriele Müller, Klage zu erheben, um die Frist zu wahren, stimmte der Ferienausschuss des Haarer Gemeinderats am gestrigen Mittwoch (20. August) einstimmig zu. Auch um eine derart weitreichende Entscheidung nicht am Gemeinderat vorbei zu treffen, der erst am 30. September wieder zusammentritt. Im Ferienausschuss sind nur einige wenige Gemeinderäte vertreten. „Zum anderen gewinnen wir damit Zeit, die ich gerne für Gespräche mit allen Beteiligten nützen möchte, um eine weitere Abstimmung unnötig zu machen“, sagte die Bürgermeisterin. Vereinbart ist unter anderem bereits ein Treffen mit den Vertretern der Bürgerinitiative “Mia san Haar” Anfang September.

“Wiederholung würde Zeit und Geld kosten”

Alexander Zill, Fraktionschef der Haarer SPD.
Alexander Zill, Fraktionschef der Haarer SPD.

SPD Fraktionschef Alexander Zill begründete die Zustimmung zum Klageweg seiner Fraktion damit, dass einzig eine Klage die Möglichkeit gäbe, den Vorwurf der Wahlmanipulation, “mit dem wir nur schwer umgehen können”, aus der Welt zu schaffen. Außerdem hoffe er, dass durch den Zeitgewinn eine erneute Abstimmung, die „nur wieder Zeit und Geld kosten würde“, vermieden werden könne. Auch weil die Wahlbeteiligung am 27. Juli gezeigt habe, dass ein Großteil der Bürger in Haar keine größere Relevanz in der Hochhausdiskussion sehe, so Zill.

“Bürgerbegehren annehmen”

Thomas Reichel, 3. Bürgermeister und Vertreter der CSU im Ferienausschuss, stimmte ebenfalls für den juristischen Weg, sagte aber, dass seine Partei nicht von Erfolgsaussichten dieser Klage überzeugt sei.

CSU Fraktionssprecher in Haar: Thomas Reichel.
CSU Fraktionssprecher in Haar: Thomas Reichel.

Andererseits fürchte er, wenn nicht ein Gericht den Sachverhalt kläre, dass „wir im Reich der Legenden und Mythen landen“. Gleichzeitig begrüßte Reichel zwar grundsätzlich das Bestreben, eine weitere Abstimmung zu vermeiden, auch wenn er dies aus verschiedenen Gründen für schwierig hält. „Der schnellste Weg wäre, wenn der Gemeinderat das Bürgerbegehren annimmt“, sagte Reichel wörtlich. Diese Möglichkeit dürfte zwar äußerst unwahrscheinlich sein, ist jedoch laut Landratsamt rechtens.