Gedächtnistraining

von Catrin Guntersdorfer

Wie war der erste Schultag? Damals? Was war das schönste Weihnachtsfest? Margit Dürschmied stellt ihre Fragen vor besonderem Publikum. Sie ist Mitarbeiterin der Tagespflege der Nachbarschaftshilfe Vaterstetten (NBH). Ihr Gegenüber sind Patienten, die an Demenz erkrankt sind. Manchmal fehlt ihnen die Erinnerung an ihr eigenes Leben. „Wir wollen das Gedächtnis unserer Gäste trainieren, um die Lebensfreude wach zu halten“, erklärt Dürschmied. „Das verbessert die Lebensqualität und stärkt die Alltagskompetenzen, die bei Demenz zunehmend verloren gehen.“ Dass das und vieles mehr möglich ist, weiß die Tagespflege-Mitarbeiterin aus beruflicher Erfahrung und aus ihrer Ausbildung. Sie ist ganzheitliche Gedächtnistrainerin im Bundesverband Gedächtnistraining e.V. Dessen Credo: Das Gehirn lässt sich trainieren wie ein Muskel. Im täglichen Programm der NBH-Tagespflege spielt das gemeinschaftliche Gedächtnistraining daher eine wesentliche Rolle. Regionale und saisonale Themen stellen die Gäste in direkten Bezug zu Gegenwart und Vergangenheit. „Es ist verblüffend, wie sicher viele Demenzpatienten Sprichwörter und Redensarten ergänzen können oder alte Wetter-und Bauernregeln kennen“, beschreibt Dürschmied die Abläufe. Dabei hat jede Trainingseinheit ein festes Gerüst, gibt damit den Gästen Sicherheit. „Als erstes singen wir ein Begrüßungslied, dann machen wir Bewegungsübungen etwa mit den Fingern oder mit Luftballons. Nach einer kleinen Trinkpause beginnt dann der kognitive Teil“, berichtet Dürschmied. Feiertage seien ein beliebtes Thema, denn religiöses und weltliches Brauchtum haben die Lebensstrukturen der Senior*innen tief geprägt und bieten daher viele Ansatzpunkte für den gedanklichen Schritt zurück. „Jetzt im Herbst gehen wir gern auf einen mentalen Waldspaziergang.

Gedächtnistrainerin
und NBH

Mitarbeiterin Margit Dürschmied (Foto: NBH)

Bunte Blätter, Eicheln und Kastanien lassen die Gäste kleine Geschichten erzählen“, sagt Dürschmied. „Unmittelbar zu den ersten fallenden Blättern gehört bei uns natürlich das Münchner Oktoberfest. Kein Gast, der nicht eine persönliche Verbindung dazu hat.“ Bierdeckel aus dem Bier-und Oktoberfest-Museum München helfen Margit Dürschmied beim Training. Darauf die Symbole von sieben Münchner Brauereien: „Es gibt tatsächlich viele Bierkenner unter unseren Gästen. Und wer die Symbole noch nicht kannte, lernt sie beim Training. Eine Art Memory!“, erzählt sie und steht dabei quasi direkt neben Karl Valentin. Sein Foto prangt auf einer Litfaßsäule. Die steht untereinem (künstlichen) Ahornbaum mitten im Eingangsbereich der NBH-Tagespflege, der dem Münchner Viktualienmarkt verblüffend echt nachempfunden ist. Das wirkt einladend und heimelig. Die Beschäftigung mit dem bayerischen Brauchtum und den regionalen Traditionen hat jetzt einen Befürworter gefunden: die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung. Sie dient dem Erhalt der Augustiner-Brauerei München und dem Schutz ihrer Belegschaft. Zudem wird der Gesellschaft, so die Satzung, durch gemeinnützige Aktivitäten in vielfältigen Bereichen Gutes zurückgegeben. Dazu gehören die Pflege von Brauchtum und Tradition, Denkmalschutz, die Bewahrung von Umwelt und Landschaft sowie mildtätige Zwecke, die unmittelbar der selbstlosen Unterstützung von Menschen dienen. Die Stiftung hat jüngst der NBH-Tagespflege einen großen Geldbetrag gespendet und damit die wichtige Erinnerungsarbeit von Margit Dürschmied mit den dementen Gästen für deren Zukunft und geistige Fitness gesichert.

Hätten Sie’s gewusst? Wer erkennt die Symbole der sieben Münchner Brauereien? (Foto: NBH)