Herbstzeit ist Erntezeit und für diese musste über Generationen hinweg große Müh und Plag aufgewendet werden, damit Mensch und Tier sicher und gut genährt über lange, kalte Wintertage gebracht werden konnten. Schwere körperliche Arbeit und viel Fleiß waren dafür notwendig. Entsprechend groß war die Wertschätzung für die Nahrungsmittel. Das Erntedankfest könnte uns wieder daran erinnern.
Was früher harte Knochenarbeit war, erledigen heute Erntemaschinen, Landtechnik, die uns fasziniert und staunen lässt. In kürzester Zeit werden heute riesige Felder abgeerntet. Die Ernährungsindustrie verarbeitet die Erntemengen größtenteils zu Fertigprodukten, die den Wünschen und Anforderungen vieler Verbraucher gerecht werden. In unserer Überflussgesellschaft haben wir heute mit dem achtlosen Umgang mit Lebensmittel und der allseits angeprangerte Lebensmittelverschwendung zu kämpfen, Wissen über Herkunft, Verarbeitung und Zubereitung unseres Essens ist vielfach verloren gegangen.
Unwillkürlich erinnere ich mich an meine Kindheit, an die Zeit der noch kargen Nachkriegsjahre. Großer Wert wurde damals auf Eigenversorgung gelegt, auf eigenerzeugte Produkte unseres Bauernhofes und Gemüse und Salat aus dem Garten. Verschiedenste Obstbäume und eingezäunter Beerengarten brachten reichlich Früchte, die zu Marmelade verarbeitet, aber hauptsächlich eingeweckt wurden. Alles war sehr arbeits- und zeitaufwändig. Doch man freute sich über gute Ernten und voller Dankbarkeit feierte man in der Pfarrkirche das Erntedank-Fest. Als Bauernbub und eifriger Ministrant war es mir eine Ehre, die schönsten Exemplare an Feldfrüchten, sowie Obst und Gemüse für die Altardekoration zu sammeln. Natürlich durften die größten geernteten Erdäpfel nicht fehlen, die den Bezug zur Genossenschaftlichen Kartoffelbrennerei Baldham herstellten. Diese war zu einem wichtigen Betrieb für unsere Bauern geworden.
Erntedank war mir auch tagtäglich ein Ritual am Mittagstisch. Vor dem Essen wurde mit dem „Zwölfuhrläuten“ der Kirchenglocken am Tisch der „Engel des Herren“ gebetet. Innehalten in den Bauernstuben, aber auch gleichzeitig auf den Feldern. Mit Appetit auf dampfende Knödel, Nudel- oder Kartoffelsuppen, die schon auf dem Tisch standen, kann man sich vorstellen, wie schnell gebetet wurde. Nach Kreuzzeichen und dem „Amen“ schnitt der Großvater einen Laib Brot an, der niemals am Mittagstisch fehlen durfte. Dabei zeichnete er mit den Worten „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“ drei Kreuze auf die Unterseite des Weckens und bedachte jeden Tischnachbarn mit einer Scheibe Brot. Er selbst legte sich das „Scherzl“, das erste Stück des Brotlaibs, zur Seite. Er verwendete es zum „Einbrocken“, denn ohne Brotstückchen in der Suppe aß er diese nicht, nicht einmal die Brotsuppe.
Mit größter Beharrlichkeit wurde darauf geachtet, dass kein Stückchen Brot im Abfall landet. Eine Wertschätzung, die den meisten Menschen in unserer Überflussgesellschaft abhanden gekommen ist. Das Erntedankfest könnte uns wieder daran erinnern!