Elvis “swingt”

von Eva Bistrick

Herzlich willkommen auf der öffentlichen Hundewiese in Vaterstetten, dem sozialen Schlaraffenland für unsere pelzigen Freunde. Viel los ist hier aber nur selten. Dabei gibt es an der Ecke Baldhamer Straße / Johann-Sebastian-Bach-Straße weder Dressur noch Leinenpflicht und keine langweiligen „Sitz“- und „Platz“-Befehle. Stattdessen herrscht hier das Gesetz der Vierbeiner. Doch damit auf der Hundewiese alles reibungslos läuft, sollten Zwei- wie Vierbeiner ein paar Benimmregeln beachten. Oder?

Nicht jeder im Ort ist gleichermaßen von der Hundewiese begeistert. „Schmal wie ein Handtuch“, lästern die einen, „auf der Größe muss es zwangsläufig Ärger zwischen den Hunden geben“. „Der Zaun ist so windig, mein Bello/Fiffi/Flocki drückt sich sofort unterm Zaun durch und geht stiften“ – Meinungen zu diesem kleinen Stückchen Grün gibt es reichlich, sie werden mir unzensiert und ungefragt auf dem Silbertablett serviert. Ich für meinen Teil nutze die kleine Wiese allerdings recht gern, wenn ich zwischen zwei Artikeln wenig Zeit für ausgiebige Gassi-Runden habe.

Haben Sie je an einer Tankstelle im Nirgendwo anhalten müssen, um dort das stille Örtchen zu benutzen? Dann kennen Sie vielleicht das mulmige Gefühl, das man bekommt, wenn einem an der Kasse der Schlüssel zur Toilette ausgehändigt wird. Quasi der heilige Gral. So ähnlich fühle ich mich, wenn ich mit Elvis auf die Hundewiese zusteuere, und dort schon jemand mit seinem Hund ist. Wird mir die Ehre zuteil, dort willkommen zu sein?

Es ist tatsächlich schon öfters vorgekommen, dass Menschen, die sich dort gerade noch angeregt mit ihrem Hund beschäftigt haben, fluchtartig das Areal verlassen, wenn wir als dynamisches Duo auftauchen. Es mag sein, dass genau diese Kolumne dafür verantwortlich ist.

Wenn man meine Schilderungen für allzu bare Münze nimmt, hält man Elvis für einen hyperaktiven, extrovertieren Quälgeist ohne jeglichen Sinn für Anstand und Abstand. Ich bin das labile, erziehungsunfähige naive Frauchen, das mit dem schicksalhaften Blick eines Pianisten vor einem verstimmten Klavier vergeblich versucht, ihren Vierbeiner zu bändigen. Wer braucht schon soziale Anerkennung, wenn man stattdessen eine stetige Strömung von missbilligenden Blicke ernten kann?

Ich kenne leider keinen Hundewiesen-Knigge, und ein Herrchen, dem ich auf meinen Runden öfter mal begegne, hat sich tatsächlich schon über mich lustig gemacht, weil ich beim Öffnen des Tors zur Hundewiese Blickkontakt suche und höflich in die Runde frage, ob ich mich dazu gesellen darf. „Das ist doch kein Swinger Club, wo man erst offizielle Zustimmung einholen muss!“, wurde ich von ihm verhöhnt. Nun, ehrlich gesagt bin ich mit den Gepflogenheiten eines derartigen Etablissements nicht annähernd so vertraut wie er. Da es aber zu meinem Job gehört, mich in andere Lebenswelten hineinzuversetzen, kann ich durchaus Parallelen erkennen: So ist in einem Swinger Club subtile nonverbale Kommunikation vermutlich genauso wichtig wie auf einer Hundewiese! Auf beiden Plätzen ist die Zustimmung von entscheidender Bedeutung. Ob Mensch oder Vierbeiner, es ist wichtig, die Grenzen des anderen zu respektieren. Es gibt hier wie da angenehme Zeitgenossen, aber auch Wichtigtuer, Kratzbürsten und Egomanen. Und es ist nur angebracht, zu fragen, ob man Spielzeuge teilen möchte. Hinterlassenschaften aller Coleur sollten vom Verursacher entfernt werden. (Ich hoffe, ich habe die letzten Zeilen so subtil formuliert, dass sich niemand kompromittiert fühlt …)

Wenn man es nicht ganz falsch macht, kann man in beiden Situationen neue Kontakte knüpfen. Es braucht einfach nur ein bisschen Rücksicht und Einfühlungsvermögen. Vielleicht könnten wir uns alle mal wieder darauf besinnen, dass die Freiheit des einen dort endet, wo die des anderen beginnt. Wenn wir uns gegenseitig so behandeln, wie wir es uns für uns selbst wünschen, wäre, auch ohne Knigge und Vorschriften, allen geholfen.

Nur eine kleine Anregung hätte ich: Kommen Sie zur Hundewiese ruhig bekleidet.