Nach der Messerattacke von heute Früh (10.5.) in Grafing Bahnhof haben die Ermittler vom Landeskriminalamt am Nachmittag weitere Details bekannt gegeben. Demnach suchte der 27-jährige Arbeitslose Paul H. völlig zufällig seinen Tatort aus. Dort attackierte der Amokläufer mit einem 10 Zentimeter langen und 3 Zentimeter breiten Messer vier Männer, ein 56-jähriger Wasserburger starb kurz darauf im Krankenhaus. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann war der Täter wegen „psychischer Auffälligkeiten“ und Drogenkonsum polizeibekannt. Zwar soll er beim Angriff „Allahu-Akbar“ („Allah ist groß“) gerufen haben, dennoch gebe es keine Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Das Tatmotiv ist noch völlig unklar.
Der Täter hat laut Bayerischem Landeskriminalamt gegen 4.45 Uhr einen Mann in der stehenden S-Bahn niedergestochen, einen weiteren auf dem Bahnsteig. Eine Augenzeugin berichtete von Schreien, der Täter habe „Allahu-Akbar“ und „Ungläubiger, du musst jetzt sterben“ gerufen. Ein politischer Hintergrund, wie zunächst vermutet, ist nach aktuellem Ermittlungsstand jedoch unwahrscheinlich. Die 80 Mann starke SoKo „Messerattacke Grafing“ geht derzeit vielmehr von einem Einzeltäter aus. Nach Angaben von Kriminaldirektor Lothar Köhler vom bayerischen Landeskriminalamt ist unklar, ob der 27-Jährige, der bei der Vernehmung einen „wirren Eindruck“ machte, zur Tatzeit unter Drogeneinfluss stand. Der Mann habe selbst angegeben, Drogen konsumiert zu haben – offenbar Cannabis.
Um 4.52 Uhr ging der erste Notruf bei der Einsatzzentrale ein. Die Polizeiinspektion Oberbayern Nord löste daraufhin Großalarm aus und beorderte Streifenwagen aus Ebersberg, Poing, Erding, von der Autobahnpolizei Hohenbrunn und vom benachbarten Polizeipräsidium Oberbayern Süd an den Tatort. Auf dem Bahnhofsvorplatz habe der Sozialhilfeempfänger dann auf zwei Radfahrer eingestochen, bevor er um 5.07 Uhr von Beamten der Polizeiinspektion Ebersberg überwältigt und widerstandslos festgenommen werden konnte. Ein 56-jähriger Mann aus Wasserburg ist wenig später im Krankenhaus gestorben, drei weitere Grafinger im Alter zwischen 43 und 58 Jahren wurden teilweise schwer verletzt. Der 27-jährige Hesse aus dem Raum Gießen war zum Tatzeitpunkt barfuß unterwegs und hat die Tat inzwischen gestanden.
Erst gestern Abend (9.5.) war der 27-jährige Paul H. mit dem Zug über Fulda nach München gereist. Dort angekommen wollte er sich in einem Hotel einquartieren. Da er jedoch nicht genug Bargeld dabei hatte, hielt es sich zunächst am Hauptbahnhof auf und zog später zum Stachus weiter. Nach Mitternacht hatte er sich dann in die nächstbeste S-Bahn, eine S4 Richtung Grafing gesetzt, wo er um 1.38 Uhr ankam. Warum er sich ausgerechnet Grafing Bahnhof aussuchte, ist derzeit noch völlig offen. Möglicherweise wollte er nach Österreich weiterreisen. Gesichert ist jedoch, dass Paul H. nach seiner Ankunft die Nacht in Grafing Bahnhof verbrachte, bis er um 4.45 Uhr einen Passant in der stehenden S-Bahn Richtung München völlig wahllos mit dem Messer attackierte. Der 56-jährige Mann aus Wasserburg erlag wenig später im Krankenhaus seinen Verletzungen.
Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann habe der Staatsschutz bislang keine Erkenntnisse über den 27-Jährigen. Herrmann berichtete am Mittag, dass der mutmaßliche Attentäter zuletzt wegen psychischer Auffälligkeiten und wegen Drogenkonsums in Erscheinung getreten sei. Vor zwei Tagen sei er der Polizei in einem anderen Bundesland aufgefallen, weil er sich „ungewöhnlich“ benommen hatte. Dies habe aber „zu keinen weiteren polizeilichen Maßnahmen geführt“.
Offenbar gibt es Videometerial aus der S-Bahn und vom Bahnhof, das die Deutsche Bahn den Sicherheitsbehörden zur Auswertung übergeben hat.
„Ich bin zutiefst erschüttert und betroffen. Man kennt so etwas aus den Medien, aber wenn das in der eigenen Heimat passiert, berührt einen so etwas noch einmal ganz anders“, erklärte Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß, der selbst seit 8.30 Uhr vor Ort ist, gegenüber B304.de. Am morgigen Mittwoch (11.05.) findet um 18 Uhr ein Gedenkgottesdienst in der katholischen Stadtpfarrkirche St. Ägidius statt.
Gegen Paul H. wurde Haftbefehl wegen Mordes und versuchten Mordes in drei Fällen erlassen.