Die vergessene Geschichte des Divina-Studios: Das zwischen 1938 und 1941 für Hitlers Bildhauer Josef Thorak errichtete Atelier (Waldstraße 17 in Baldham) durchlebte nach Kriegsende eine wechselhafte Geschichte. Zunächst diente das Gebäude den Amerikanern als Garage und Offizierskasino, wegen Thoraks Pferdeskulpturen bekam es den Beinamen „White Horse Inn“. Anschließend war dort bis 1954 die Baldhamer Waldschule untergebracht, außerdem diente das Gebäude zeitweise als Behelfskirche. Doch dann zogen die Filmleute ein, die legendäre Filmpionierin Ilse Kubaschewski, Gründerin des Gloria-Filmverleihs, ließ das Atelier zum Filmstudio umbauen, ihre Divina Film produzierte dort bis zum Jahre 1961 Kassenschlager, deren Titel man noch heute kennt. Spätere Weltstars wie Mario Adolf, Karlheinz Böhm und Gert Fröbe kamen ins damals beschauliche Baldham, um dort ihre ersten Hauptrollen zu drehen.
Den Auftakt machte die Filmtrilogie „08/15“ mit Joachim Fuchsberger in der Hauptrolle. 27 Millionen ZuschauerInnen verfolgten allein den ersten Teil über die Erlebnisse des Gefreiten Asch während
dessen Militärzeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs; die Produzentin war selbst regelmäßig am Drehort Baldham. In den Folgejahren gaben sich die Stars des deutschen Films der fünfziger Jahre in Baldham die Klinke in die Hand.
Erich Engels drehte 1956 das Remake von „Kirschen in Nachbars Garten“ mit Oskar Sima, Grethe Weiser, Helen Vita und dem jungen Wolfgang Völz. Im Jahr darauf realisiert Paul May den Film „Weißer Holunder“ mit Willy Hagara, Michl Lang, Hubert von Meyerinck und Volksschauspieler Willy Rösner.
Paul Dahlke wird in der Komödie „Heute blau und morgen blau“ als Stadtrat Hugo Bunzel in der Kleinstadt Lieberich Opfer eines vertrackten Testaments, Hans Moser und Rudolf Platte stehen in Baldham zusammen mit Elmar und Fritz Wepper als Kinderdarsteller vor der Kamera. Marianne Koch, bis heute als promovierte Medizinerin journalistisch aktiv, spielte 1958 „Die Landärztin“ an der Seite von Rudolf Prack, Beppo Brem und Willy Millowitsch. Heinz Erhardt war „Der Haustyrann“, dem seine Mieterin Grethe Weiser das Leben schwer machte, er tankte bei Auto-Fragner – heute eine ARAL-Großtankstelle an der Wasserburger Landstraße. Beide landeten letztlich im Stadtgefängnis auf dem Thorak-Gelände.
Gert Fröbe wurde 1960 in „Der Gauner und der liebe Gott“ unter dem Einfluss von Baldhamer Mitbürger – vom Saulus zum Paulus. In Axel von Ambessers Gaunerkomödie wirkten auch Rudolf Vogel, der junge Hans Clarin, die Volksschauspielerin Barbara Gallauner und Kabarettist Hans Jürgen Dietrich mit.
Eine prägende Erinnerung hat der spätere Weltstar Mario Adorf als 27-jähriger Schauspieler aus Baldham mitgenommen. 1957 verkörperte er im Thriller „Nachts, wenn der Teufel kam“ unter der Regie des jüdisch stämmigen Regisseurs Robert Siodmak, der während des Dritten Reiches im Exil leben musste, die Titelrolle des angeblichen Massenmörders Bruno Lüdtke. Adorf thematisierte die Dreharbeiten in Baldham nicht nur in seiner Autobiographie „Himmel und Erde: Unordentliche Erinnerungen“ (Verlag Kiepenheuer & Witsch), für den Kino-Dokumentarfilm „Es hätte schlimmer kommen können – Mario Adorf “ kehrte er auf eigenen Wunsch an die Drehorte in Baldham zurück. Der Film kam am 7. November 2019 in die deutschen Kinos.
Heute wird das rund drei Hektar große Areal zwischen Wald- und Fichtenstraße in Baldham von der Archäologischen Staatssammlung als Depot genutzt.
Redaktionelle Mitwirkung: Michael M. Rüdel