Warum gibt es in Haar keine Supermärkte auf der grünen Wiese? Die Haarer schätzen den kurzen Weg zum Einkaufen. Regionalplaner staunen. In Fachkreisen erntet Haar seit Jahren Anerkennung für seine Ortsentwicklung. Schon 2004 wurde die Gemeinde im Rahmen des MORO-Projektes (Modellverfahren der Raumordnung) ausgezeichnet. Mittlerweile haben sich die Leistungen der Kommune und ihres Rathauschefs bis nach Brüssel herumgesprochen. Vor EU-Vertretern und Planern der Projektgruppe MOR€CO, erklärte Dworzak jüngst den Haarer Weg.
Im MOR€CO Projekt widmen sich zehn Partner aus fünf Ländern der Alpenregion den Fragen einer nachhaltigen Raumentwicklung: Die Regionen Lyon, Turin, Mantua, Belluno, Salzburg, Ljubljana und München. Die Kernfragen lauten: Wo wohnen? Wo bauen? Wo Siedlungsgebiete planen? Das Projekt wird von der EU gefördert und läuft zur Jahresmitte aus. In der belgischen Hauptstadt traf man sich zum „Think Tank“ (zum Gedankenaustausch), um best practice-Lösungen vorzustellen und sich gegenseitig Mut zu machen. “Deshalb bin ich vom Planungsreferat in München eingeladen worden”, sagt Dworzak, “um den Kollegen aus Italien, Frankreich, Österreich und Slowenien zu erzählen, dass sich definierte Planungsziele auch tatsächlich umsetzen lassen. Die haben dort nämlich die gleichen Probleme wie wir im Großraum München.”
In den “Haar 21”-Thesen hat Haar klar aufgelistet, worauf es der Kommune in der Raumentwicklung ankommt: Läden im Ort erhalten, die Entwicklung der isolierten Ortsteile bremsen, entlang der S-Bahn-Linie verdichten und innerörtliche Versorgungs- und Freizeitangebote stärken. Denn für letztere nutzen die Menschen ihr Auto am häufigsten. Der Weg zur Arbeit schlägt nur mit 30 % zu Buche.
Mobilität kostet
Den Blick über den Tellerrand, über die Gemeindegrenze hinaus, gilt es zu schärfen. Da ist sich der Haarer Bürgermeister sicher. Er plädiert seit Jahren dafür, die Regionalplanung gegenüber Einzelinteressen zu stärken und dem Ausufern von Möbelmärkten, Einzelhandelszentren, Gewerbegebieten an den Orts- und Stadträndern Einhalt zu gebieten. „Dass es Fehlentwicklungen gibt, ist vielen Kommunalpolitikern klar. Jetzt ist es an der Zeit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Köpfe zu bringen“ meint Dworzak.
MOR€CO liefert wertvolle Entscheidungshilfen, auch in punkto Kostenbewusstsein. Kaum jemand berücksichtigt beim Immobilienkauf bislang den Faktor Mobilität. „Der Preisvorteil für ein Häuschen im Grünen ist dadurch schnell aufgezehrt“, weiß Dworzak. Deshalb hat der Fachbereich Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung an der TU München ein Berechnungsmodell entwickelt, das es Bauherren und Immobilienkäufern ermöglicht, die Mobilitätsfolgekosten zu ermitteln. Abrufbar ist der Wohn- und Mobilitätsrechner auf der Homepage des Münchner Verkehrsverbunds unter http://womo.mvv-muenchen.de.
Vielfalt vor Ort verringert Verkehr
MOR€CO-Raumplaner plädieren deshalb dafür, Siedlungen / Wohnungen dort zu entwickeln, wo es leistungsfähige öffentliche Transportmittel gibt, um noch mehr Individualverkehr zu vermeiden. Dworzak hat auf Haarer Ebene ein Beispiel: „Der umstrittene Wohnturm am Jagdfeldring hat alle planerischen Pluspunkte auf seiner Seite. Läden, Ärzte, Kino, Busse: alles ist fußläufig erreichbar. Man müsse sich nur mal vergegenwärtigen, wieviel Verkehr ein Bewohner des roten Hochhauses am See verursache und wieviel einer zwangsläufig in Ottendichl.“ Auch habe nicht jeder Wohnungssuchende die gleichen Bedürfnisse. „Die junge Familie wünscht sich ein Haus mit großem Garten. Singles und ältere Leute sind froh, wenn sie im Sommer nicht täglich die Balkonblumen gießen müssen“, sagt Dworzak. „Haar will für unterschiedliche Lebensphasen, unterschiedliche Wohnmodelle anbieten – ohne Wertung.“
Sein Fazit: „Wenn es nicht gelingt, Wohn- und Verkehrskonzepte stärker gemeindeübergreifend abzustimmen, werden wir für Lebensqualität immer mehr zahlen müssen.“
So sieht es auch Dr. Stephan Schott, MORECO-Verantwortlicher und Mitarbeiter im Planungsreferat der Stadt München. Er hofft, dass es auf EU-Ebene mit MOR€CO weitergeht. „Das Projekt leistet einen wertvollen Beitrag. Dies wurde auch von verschiedenen Vertretern der EU-Kommission und von EU-Abgeordneten herausgestellt. Die Gemeinde Haar wurde allgemein als Musterbeispiel bei der Umsetzung von MOR€CO-Ergebnissen anerkannt.“
Ein größeres Kompliment hätte man dem scheidenden Haarer Bürgermeister in Brüssel wohl kaum machen können.