Gertraud Vater, die alle nur „Traudl“ nennen, ist „unter de’ Leut’“ – wie sonst wohl fast niemand in der Gemeinde Haar. Spricht man sie auf ihr enormes Engagement an, winkt die mittlerweile 81-jährige eingefleischte Sozialdemokratin ab. Ehrungen, ja sogar ein einfaches Lob sind ihr zuwider. Sie ist einfach immer da, wenn sie von ihren Mitmenschen gebraucht wird. Fertig. Doch einer Ehrung ist sie jetzt einfach „nicht ausgekommen“: Landrat Christoph Göbel verlieh ihr im Auftrag des bayerischen Innenministeriums die Kommunale Verdienstmedaille in Bronze für ihr Engagement um die
Kommunale Selbstverwaltung. Hochverdient.
Seit 32 Jahren gehören mindestens zwei ihrer Dienstagabende im Monat dem Rathaus. In der ganzen Zeit hat sie genau eine einzige Sitzung des Gemeinderats (oder in diesem Fall des Bauausschusses verpasst) – weil sie an diesem Tag gemeinsam mit dem zweiten Bürgermeister Dr. Ulrich Leiner zu
ihrer eigenen Ehrung gefahren ist. Seit 17 Jahren führt der Weg die ehemalige Sozialarbeiterin auch zweimal pro Woche zum Haarer Tisch. Hier steht sie nicht hinter dem Tresen, sondern immer davor – mitten unter den Leuten. Mit offenen Ohren und offenem Herzen hört sie sich die Sorgen und Nöte an – und sofort beginnt es in ihrem Kopf zu rattern: Da fehlt ein Kinderwagen – woher könnten wir einen bekommen? Da kann sich die Familie die Schulsachen für die Kinder nicht leisten, schon auf dem Heimweg steht sie im Schreibwarenladen beim „betteln“, wie sie es selbst immer bezeichnet. Sie
bekommt immer Gehör und fast immer auch das, was sie für ihre Schützlinge braucht. Denn die Haarer Geschäftswelt weiß, was für eine ehrliche und gute Haut Traudl Vater ist.
Gegenseitig helfen
Mit diesen beiden „Großprojekten“ endet das Engagement der mittlerweile stolzen Großmutter nicht: Die ältere Generation erwartet sie seit 1998 samt Gitarre zum gemeinsamen Musizieren im Seniorenclub. Hier wird gesungen und so ein paar fröhliche Stunden geschenkt. Passt zu ihrem Engagement in der Haarer Musikschule: Traudl Vater ist seit jeher stellvertretende Vorsitzende. Ach so – und dann leitete sie ganze elf Jahre den Ortsverband des VdK, war viele Jahre in der Nachbarschaftshilfe engagiert, saß dort auch in der Vorstandschaft. Aktuell packt sie in der Ukraine-Hilfe mit an, das hat sie bereits bei der großen Flüchtlingswelle 2015 getan. Sie spricht viel über die
Notwendigkeit, sich gegenseitig zu helfen, über die Würde des Menschen, die sich nicht nur über materielle Versorgung definiert, sondern auch über die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Über ihren enormen, zutiefst humanitären Einsatz spricht sie nicht. Aber genau dafür hat sie bereits 2014
die Bezirksmedaille verliehen bekommen. Eine Botschafterin für die Menschen am Rande der Gesellschaft Ein Fazit? Kaum jemand weiß genauer Bescheid über die Menschen der Gemeinde, die nicht nur auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Kaum jemand kennt mehr von den Nöten, kennt mehr von den persönlichen, emotional anrührende Geschichten. Warum? Weil Sie bei Traudl Vater eben gut
aufgehoben sind. Und weil jede dieser Geschichten bei ihr den Schalter „Helfen“ umlegt. Und dann ist sie unterwegs. Besser gesagt: Sie radelt los, und trotzt dabei allen Widrigkeiten. Wettertechnischen aber auch menschlichen. Das ist das Bild, das man als Haarer kennt: Traudl Vater tritt in die Pedale – und ist immer da, wenn sie gebraucht wird. Vielen Dank für diesen Einsatz, der Haar zu einem sozialeren Ort macht.