Alles im grünen Bereich?

von Markus Bistrick

Verkehr, Müll, Unkraut, zunehmende Gewalt, große Pläne mit Geothermie und sozialem Wohnungsbau, fehlende Agenda 2030 – die Themenliste ist lang. Sehr lang. Und so wurde aus einem Gespräch, was auf eine Stunde angesetzt war, ein über zweistündiges Interview, das dennoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

Herr Spitzauer, Sie sind jetzt etwas über zwei Jahre im Amt – haben Sie sich den Beruf des Bürgermeisters so vorgestellt? 

Leonhard Spitzauer: Ich habe mir das Amt tatsächlich schwieriger vorgestellt, weil ich großen Respekt vor den Aufgaben, aber auch vor dem Rathaus hatte – es sind ja immerhin rund 180 Mitarbeiter. Aber sie haben es mir einfach gemacht. Ich jedenfalls bin mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden und sehr gut aufgenommen worden. Damit hatte ich so nicht gerechnet. Aber eines habe ich auch in den zwei Jahren gelernt: Der Bürgermeister ist für komplett alles verantwortlich. Auch für Dinge, die absolut nichts mit der Gemeinde zu tun haben (lächelt). 

Was haben Sie bislang initiiert und umgesetzt? 

Da kann man jetzt ein paar kleine Dinge nennen, die so sicherlich nicht von allgemeinem Interesse sind. Die großen Dinge brauchen halt Zeit. Was bei mir von Anfang an eine hohe Priorität hatte, ist das Thema: Breitbandausbau. Und da haben wir sehr viel Druck aufgebaut und hatten uns entschieden, dass wir den Ausbau in Vaterstetten und Baldham als Gemeinde selber machen. Den Ausbau in den Ortschaften hat Avacomm übernommen und das ist jetzt auch zu fast 98 Prozent abgeschlossen. Und für Vaterstetten und Baldham hat sich gerade erst ergeben, dass der Ausbau nun doch auch von Avacomm und der Telekom übernommen wird. Und wo wir ansonsten auch gerade voll dabei sind, ist das Thema Geothermie. Dazu haben wir jüngst einen Grundsatzbeschluss im Gemeinderat verabschiedet. 

Wie kann man einen Weg beschreiten, wenn man das Ziel nicht kennt? Anders formuliert: Durch Corona sind viele Veranstaltungen weggefallen, es wäre genug Zeit gewesen, eine Prioritätenliste für die Gemeinde auszuarbeiten. Die gibt es immer noch nicht. 

Wir arbeiten parallel schon an der sogenannten Agenda 2030. Mir wäre auch lieber, dass wir da etwas zeitiger vorankommen. Aber es gibt halt auch das Tagesgeschäft, das darf man nicht vergessen. Und klar, Sie haben Recht, durch Corona sind viele andere Dinge weggefallen, und es war Zeit, aber wir wollen ja nicht nur in der Verwaltung rumwurschteln und dann irgendetwas präsentieren, sondern wir müssen das ja auch mit dem Gemeinderat abstimmen und dafür waren die Lockdowns nicht gerade förderlich. Aktueller Stand ist, dass es zwei Schwerpunkte gibt. Das eine ist das Schulkonzept, also dass wir die Schulen fit machen für den Betreuungsanspruch 2026. Das zweite sind unsere Investitionen, das versuchen wir auch demnächst in einem Gesamtplan vorzulegen. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass jetzt bei den Großprojekten die Geothermie ganz oben steht und der Wohnungsbau in Vaterstetten Nord-West. Ein dritter Wunsch, aber dafür ist leider aktuell keine Zeit, ist der Bereich ums Rathaus. 

Trotzdem: Es braucht doch zunächst ein Gesamtkonzept für die Gemeinde, bevor man einzelne Projekte abarbeitet. Aktuell habe ich das Gefühl, dass ein Problem gelöst wird und damit neue geschaffen werden. 

Ich habe früher immer gedacht, dass das Gemeindeentwicklungsprogramm, das es ja schon lange gibt und in die Jahre gekommen ist, fortgeschrieben werden muss. Als ich dann ins Amt gekommen bin, habe ich gemerkt, dass das gar nicht das brennende Thema ist, sondern eher unsere eigenen Investitionen. Also die Frage: Wo setzen wir die knappen Mittel der Gemeinde ein? Wo ich die Gemeinde in 30, 40 Jahren sehe, ist eher zweitrangig. Ich bin der Meinung, dass wir die anstehenden Herausforderungen angehen und priorisieren müssen. 

Wie ist der Stand der Dinge in Sachen Gluckstraße – also Abriss oder Verkauf der alten Grund- und Mittelschule sowie Hallenbad? 

Da möchten wir Wohnbebauung realisieren. Aber wichtiger wäre meiner Meinung nach, dass wir das noch ein bisschen in die Länge ziehen und dann als Gemeinde selber machen. Wir könnten es auch einem Bauträger verkaufen. Aber wir sollten nicht immer unsere Grundstücke leichtfertig aus der Hand geben und uns jetzt erstmal auf Vaterstetten Nord-West konzentrieren. 

Sie haben in einem Interview mit B304.de vor Ihrer Wahl gesagt: „Ich werde unbequeme Wahrheiten offen sagen.“ Warum sagen Sie dann nicht, von meiner Seite aus absolut wertfrei, dass die Umfahrungsstraße Weißenfeld/Parsdorf definitiv nicht kommen wird? 

Weil ich nicht sagen kann, dass die Umfahrung nicht kommt, weil das Beschlusslage ist. Ich habe aber eine Meinung dazu und finde das Thema Geothermie und das Wohnbauprojekt Vaterstetten Nord-West wichtiger als die Straße. Und eines ist gewiss: Alle drei Projekte können wir uns nicht leisten. Ich mache keinen Hehl daraus, dass die Umfahrung wahrscheinlich nicht kommt, aber wir haben halt eine Beschlusslage im Gemeinderat. Und warum sagen Sie nicht, dass die Zeit der Rathaus-Konzerte vorbei ist, anstatt jedes Jahr das Budget zu kürzen? Durch Corona war es in der Vergangenheit nicht mehr möglich, jährlich elf Konzerte durchzuführen und auch die Haushaltslage war unsicher. Darum hat man das etwas eingedampft. Als ich Bürgermeister geworden bin, habe ich erst gemerkt, wie jeder an einem zieht. Und dann schaut man sich natürlich auch mal die Zahlen der Rathaus-Konzerte an und wie viele Gäste da hingehen. Daraufhin haben wir einen Kulturbeirat gegründet. Ich meine, Kultur ist halt auch schwierig, weil jeder seinen eigenen Geschmack hat. Und das will ich auch nicht vorgeben, weil ich einen ganz speziellen Geschmack habe und der deckt sich vielleicht nicht mit dem Mehrheitsgeschmack der Gemeinde. Darum soll das jetzt im Kulturbeirat besprochen werden und das Angebot künftig auch breiter sein. Das ist aus meiner Sicht die Aufgabe der kulturellen Gemeindeförderung. Durch die Nähe zur Landeshauptstadt müssen wir nicht alle Nischen bedienen. Trotzdem, um es klar zu sagen, soll es die Rathaus- Konzerte als Teil des Kulturangebots weiter geben. 

Thema geplanter Bürgerpark: Durch die Terrassierung der Wiese können dort künftig das beliebte Sonnwendfeuer und der Strohballenpool nicht mehr stattfinden – jedenfalls sagen das die Organisatoren. Warum hat man das bei der Planung nicht berücksichtigt? 

Wie auch immer man die Wiese künftig nennt, es geht um eine Aufwertung der Fläche. Leider hat halt unser Planer den Vorschlag mit der Terrassierung gemacht und die hat im Umweltausschuss eine Mehrheit bekommen – ich wollte sie nicht und finde sie auch Quatsch, weil sie ja auch 20.000 oder 30.000 Euro kostet. Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass die Terrassierung so ausgeführt wird, dass der Strohballen-Pool und das Sonnwendfeuer weiterhin stattfinden können und das ist auch die Zielsetzung. Das wird man in der Ausführungsplanung für das Projekt noch detailgenauer sehen. Klarheit wird man am Ende des Tages aber erst haben, wenn es ausgeführt ist. Das ist ja immer so. Es gibt einen Plan von einem Haus, aber ob du dich da wohlfühlst, weißt du erst, wenn es fertig ist. 

Anderes Thema, das Areal beim Skaterpark/ Abenteuerspielplatz: Die grausame Tötung einer Katze ist der Gipfel einer langen Historie an Vorfällen dort, die wohl unbestritten Anlass zur Sorge sind. Was muss noch passieren, wann kommt die Videoüberwachung? 

Wir hatten die Videoüberwachung am Skaterpark diskutiert, die hätte nichts gebracht, wenn jemand im Spielplatz-Bereich eine Katze zerstückelt. Das ist ganz eine andere Ecke und will man denn jetzt das ganze Areal überwachen? Da bräuchte man schon beim Skaterpark vier Kameras, damit man das einigermaßen überwachen kann. 

Es gibt Bürger, die mittlerweile abends in gewissen Ecken der Gemeinde Angst haben. Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen und nichts dagegen unternehmen? 

Die Fakten sind, dass wir im Sicherheitsbericht der Polizei Poing eigentlich immer ganz gut wegkommen, auch im Vergleich zu anderen Gemeinden im Kreis. Aber auch im Vergleich zu Gemeinden, die S-Bahn-Anschluss haben, mit denen muss man sich ja vergleichen. Und ich glaube auch nicht, dass das nur in Vaterstetten so ist, sondern dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, dass das Miteinander auf breiter Flur nachlässt. Ich bin zum Beispiel auch ganz konkret der Meinung, dass Gewalt auf dem Volksfest (stockt kurz) – das liest man woanders auch. Ich glaube sogar, dass man von Grafing mehr liest. 

Ein Thema, das viele Bürger ärgert, ist der Zustand der Straßen im Gemeindegebiet. Teilweise wächst das Unkraut meterhoch aus den Fugen. Hecken ragen so weit auf den Gehweg, dass man als Fußgänger auf die Straße ausweichen muss. Schön ist das alles nicht. 

Das Kraut-Problem ist ein großes Thema. Aber wir kämpfen tatsächlich seit 1,5 Jahren mit unserer Kehrmaschine und die ist jetzt auch definitiv kaputt. Wir haben aber im Haushalt für dieses Jahr eine neue Kehrmaschine drin, die wird gerade ausgeschrieben und ich bin zuversichtlich, dass die jetzt kommt und dann wird das Thema Sauberkeit angegriffen. Die Kehrmaschine schafft das natürlich nicht alleine, wir haben dazu auch einen Krautbesen gekauft. Mich ärgert das auch, wenn ich durch die Gemeinde fahre und ich finde ehrlich gesagt auch, dass es fast nirgends so schlimm ist wie bei uns. Und wenn die Straßen teilweise überschwemmt sind, liegt das auch daran, dass das Unkraut die Gruben dicht macht, weil da so viel organisches Material drin liegt. 

Wann dürfen wir denn jetzt konkret mit einer Verbesserung rechnen? Diesen Sommer wird es doch wahrscheinlich nichts mehr. 

Irgendwann im Herbst sollte das Gerät kommen, damit wir dann schon bei der Herbstkehrung entgegenwirken können und wir das dann nächstes Jahr gut in den Griff bekommen. Die große Misere ist, dass man da früher Glyphosat verwendet hat, aber das darf man im kommunalen Einsatz nicht mehr. 

Und wann passiert etwas mit den Hecken und Büschen – ich meine durchaus auch die gemeindlichen? 

Ich muss das halt wissen, aber manchmal sehe ich es auch selber oder mir sagt es jemand. Wir freuen uns immer über einen freundlichen Hinweis. Dann gebe ich das sofort weiter und der Bauhof macht das dann in der Regel auch schnell. Aber alles gleichzeitig kann er auch nicht umsetzen. Bei den Blumenwiesen ist es ein Dilemma, weil man die für die Bienen natürlich haben will, aber die Bienenfreundlichkeit von vielen als Unordentlichkeit interpretiert wird. Und was die Hecken der Bürger anbelangt: Dafür haben wir einen Prozess aufgesetzt. Mit einem ersten höflichen Schreiben fordern wir sie auf, die Hecke zurückzuschneiden. Wenn in der gesetzten Frist nichts passiert, folgt ein „bestimmtes“ Schreiben, in dem wir androhen, dass wir das Heckenschneiden durch ein Unternehmen machen lassen und sie dann die Rechnung bekommen. Häufig geht es dann. Wir gehen da rigoros vor. 

Grundsätzlich habe ich manchmal den Eindruck, dass man zwar sehr schnell darin ist, neue Wohngebiete zu schaffen, die Infrastruktur aber seit Jahren nicht dem Zuzug angepasst wird. Das betrifft u.a. die Müll- genauso wie die Verkehrssituation in der Gemeinde.

Ich sag mal so: In Neubaugebieten hat man die Müllsituation besser im Griff, weil man da immer gleich einen neuen Wertstoffstandort schafft. Das Problem ist im Altbestand. Wir sind immer dran, dass wir die Standorte ausbauen, aber im Bestand hast du halt irgendwann nicht mehr die Möglichkeit, die Kapazitäten sind begrenzt. Viele der Container werden übrigens täglich geleert, manche sind sofort wieder voll, andere verstopfen oben nur. Was gerade geprüft wird sind Füllstandssensoren in den Containern. Aber dass es zu Problemen führt, wenn die Gemeinde immer mehr Einwohner hat, ist auch klar. 

Warum scheut man Parkverbote an noralgischen Punkten, bzw. warum überwacht man Parkverbote nicht? Teilweise werden ganze Straßen zugeparkt, was für alle Verkehrsteilnehmer gefährlich ist. Nur einige Beispiele: Bahnhofstraße in Vaterstetten, Möschenfelder Straße beim Maibaum, Baldhamer Straße bei der vhs, vor dem Gymnasium. 

Ich bin der Meinung, so wie es ist, passt das schon, weil wenn man das jetzt forciert was Sie sagen, dass man da viel mehr Parkverbote macht, dann fließt natürlich der Verkehr auch schneller und dann beschweren sich die Bürger, dass die Leute viel zu schnell fahren. Und beim Parken im öffentlichen Raum ist es natürlich schon auch so, dass man auf dem privaten Grundstück manchmal gar nicht so viel Platz hat und es schon auch für Besucher möglich sein muss, im öffentlichen Raum zu parken. Aber wenn man gefährliche Situationen durch ein Parkverbot entschärfen kann, dann tun wir das auch, zusammen mit dem Landratsamt und der Polizei. 

Der Seniorenbeirat wünscht sich mehr Wertschätzung und eine stärkere Einbindung und Vernetzung. Aber auch, dass die „kleinen Wünsche“ der Senioren wahrgenommen werden wie etwa bessere Straßenübergänge (Neue Poststraße) oder mehr Toiletten (z.B. auch beim neuen Bürgerpark). 

Der Seniorenbeirat ist super und der ist mir auch sehr wichtig. Und wir versuchen wirklich viele Dinge umzusetzen wie den seniorenfreundlichen Service oder das Thema mit der Toilette. Aber eine Toilette überall zu bauen ist teuer und die muss man auch säubern und das ist Wahnsinn, was das kostet. Und ein paar haben wir ja. 

Auf der anderen Seite hören wir auch von unseren Lesern immer wieder, dass nichts für die Kinder und Jugendlichen getan wird. 

Mein Lieblingsbeispiel ist, das war in einer Bürgersprechstunde: Da war zuerst ein älteres Ehepaar da, die haben sich darüber beschwert, dass überhaupt nichts für Senioren gemacht wird und danach waren zwei jüngere Mütter da und die haben sich darüber beklagt, dass nichts für Familien gemacht wird. Aber, da spreche ich für alle Gemeinderatsmitglieder und die Verwaltung: Wir sind bemüht, dass wir versuchen, es allen recht zu machen, aber alle Wünsche können wir einfach nicht erfüllen. 

Treten Sie 2026 noch einmal zur Wahl an?

Stand heute ja. Ich bin auch so angetreten, dass ich mindestens zwei Amtsperioden machen möchte, erfreue mich bester Gesundheit und mir macht das Amt Spaß, bei allen Schwierigkeiten, die es natürlich auch immer gibt. 

Ihr Schlusssatz?

Es gibt viele Wünsche, aber die Mittel sind begrenzt. Hauptaufgabe der Kommunalpolitik ist es die Dinge zu priorisieren, dafür sind wir gewählt und das tun wir. 

Besten Dank für das Gespräch.