Haar: Verstärkung für Spielearchiv

von Catrin Guntersdorfer

Zu eintausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit im Bayerischen Spiele-Archiv in Haar hat sich kürzlich der bekannte Spieleerfinder Andreas Seyfarth verpflichtet. Die ersten Dienststunden davon hat er in diesem Monat bereits „abgeleistet“. Seyfarth gehört zu den erfolgreichsten deutschen Spieleautoren und konnte bereits zweimal den „Oscar des Spiels”, nämlich die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ gewinnen. Hauptberuflich war er als Controller tätig, hat aber in seiner Freizeit bereits über ein Dutzend Spiele erfunden und veröffentlicht, darunter zum Beispiel das Kartenspiel „Max und Moritz“ oder das Brettspiel „Thurn und Taxis“.

Tom Werneck (li.) und Andreas Seyfarth

Vom Controller zum Archivar

„Der Ehrenamtsjob passt für mich jetzt wie die Faust aufs Auge!“, freut sich Seyfarth, der durch die Arbeit beim gemeinnützigen Verein des Spielearchivs in den Vorruhestand gehen konnte. Das macht das Programm „engagierter Ruhestand“, das es bereits seit 2017 gibt, möglich.  „Meine Arbeit hier umfasst drei Bereiche. Zum Einen pflege ich die ganzen Spiele, die hier gelagert werden, in ein spezielles Computerprogramm ein. Da bin ich schon gut damit beschäftigt. Dann gibt es noch die Reparaturarbeiten an Spielen und außerdem werden uns auch wahnsinnig viele Spiele zugeschickt.“ Das sind sowohl Rezensionsexemplare von Verlagen als auch Spiele von Privatpersonen.

Viele Spiele werden von Privatpersonen an das Archiv gespendet.

Täglich bekommt Tom Werneck, der seit 1996 das Bayerische Spiele-Archiv in Haar leitet, Post: „Wir sind auf der ganzen Welt bekannt. So bekannt, dass als Anschrift „Spielearchiv Haar“ für die Post schon ausreicht, um uns Lieferungen zuzustellen. Es kommt quasi immer an, im Schnitt 2 Päckchen am Tag!“ So wurden bereits weit über 10.000 Spiele von den Mitglieder des Archivvereins in ehrenamtlicher Arbeit in aufwändigen und umfangreichen Datensätzen erfasst. 

Regaleweise Spiele

Insgesamt stapeln sich rund 25 000 Spiele und entsprechend Literatur im Spielearchiv, in dem an allen Kellerwänden die Regale bis unter die Decke reichen. Der studierte Rechtswissenschaftler Werneck hat hier, neben einem Archiv in Nürnberg, die größte Sammlung an Spielen deutschlandweit zusammengetragen und hat zudem zu jedem Spiel ein schier unerschöpfliches Hintergrundwissen parat. Mehrere Jahre saß der 81-Jährige in der “Spiel des Jahres”-Jury, die er mitbegründet und maßgeblich beeinflusst hat. Dort und auch über die seit Jahren beliebten Haarer Spieletreffs kam der Kontakt zu Seyfarth zu Stande. „Durch Andreas als Experten bekommt unsere Archivarbeit zusätzlichen Schwung“, freut sich Werneck über Seyfarths Einsatz, dem es besonders die älteren Spiele angetan haben. „Das Archiv dient der wissenschaftlichen Forschung und unsere Aufgabe ist es, die Spiele für die Nachwelt zu erhalten. Bei uns melden sich nicht selten Verlage, die Exemplare ihrer eigenen Spiele anfordern, weil es sie nirgends mehr gibt, außer vielleicht zerfleddert auf dem Flohmarkt“, erklärt Werneck, der selbst natürlich, wie Seyfarth auch, leidenschaftlicher Spieler und Erfinder ist. „Wenn Zeit bleibt, spielen wir das ein oder andere Spiel zusammen und probieren auch viele aus. Es gibt durchaus Leute, mit denen spielt man allerdings nur einmal und dann nie wieder. Das ist natürlich bei Tom nicht der Fall!“ lacht Seyfarth, während er ein altes „Fang den Hut“-Spiel in die Archivliste aufnimmt, das dem Verein von einer Privatperson gespendet wurde. 

Jedes Spiel wird aufwändig in das Computerprogramm eingepflegt.

Dank Corona: Brettspiele boomen

Der Markt für Brettspiele ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent gewachsen – natürlich in erster Linie wegen der Corona-Pandemie. So kommen die Hersteller derzeit mit der Produktion kaum hinterher. Für Seyfarth und Werneck sind Spiele jedoch viel mehr als ein kurzzeitiger Boom. „Friedrich Schiller hat nicht umsonst gesagt „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“. Würden die Menschen nicht spielen, wären wir nicht da, wo wir heute stehen“, philosophiert Werneck. Und Seyfarth ergänzt: „Wir als Spielentwickler versuchen natürlich, mit unseren Spielen die Kreativität der Menschen freizusetzen und das dann nach bestimmten Regeln ablaufen zu lassen. Denn wie beim Spielen, kann auch die Menschheit nicht ohne Regeln funktionieren.“ Da die Nachfrage an neuen Spielen ungebrochen ist, wird der Bestand des Haarer Spielearchivs wohl auch in Zukunft stetig weiter wachsen. Ob die 1000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit von Andreas Seyfarth zum Archivieren der Neuzugänge da ausreichen werden, bleibt abzuwarten.