Mit einer ausführlichen Präsentation zeigte Bürgermeister Dr. Andreas Bukowski in der jüngsten Gemeinderatssitzung auf, wie sich Haar auf den Weg zur klimapositiven Circular City macht und stellte konkrete Vorschläge für Photovoltaik-Anlagen und Windkraft auf dem Gemeindegebiet vor. Auch die Fernwärme und Geothermie kamen zur Sprache. „Wer diese Aufgabe aktiv angeht, selbst Vorschläge macht und die Bürger an Bord holt, womöglich mit Beteiligungsmodellen, hat die Chance, zum Zukunftsgestalter zu werden“ – mit diesen Worten kommentierte Bukowski seine ausführliche
Präsentation: “Und diese Chance werden wir nutzen”. Der Vortrag mit dem Titel „Haar auf dem Weg zur Circular City“ ging zuerst auf das Konzept einer Circular City ein und den Weg dahin: Anders als bisher werden in einer modernen Kreislaufwirtschaft Produkte nach ihrer Nutzung nicht entsorgt, sondern wieder vollständig in den Kreislauf zurückgeführt. Dies bedeute nicht nur, Abfall zu vermeiden, sondern auch Fortschritt ohne Rückbau und Beschränkung zu verwirklichen. Sprich: Wachstum ohne ökologische Schäden sei möglich, wenn man es richtig anpackt. Wie das beispielsweise beim Bauen aussehen könnte, will die Gemeinde beim Neubau des Jugendzentrums DINO zeigen. (B304.de berichtete). Dieser soll nach dem C2C-Gedanken („Cradle to cradle“) erfolgen.
Vier Hebel für die klimapositive Zukunft
Die Gemeinde Haar habe vier Hebel für eine klimapositive Zukunft, führte Bukowski aus: erneuerbare Energie, zirkuläre Beschaffung, zirkuläres Bauen und zirkuläres Wissen. Der erste Hebel, erneuerbare Energie, stand diesmal im Mittelpunkt. Der Weg zu mehr erneuerbaren Energien habe fünf Stufen: Nach der Suche nach geeigneten Flächen und der Markterkundung – beides sei nun abschlossen– folge nach Beschluss im Gemeinderat die Ausweisung von Flächen, die Vergabe und schließlich die Realisierung und der Betrieb. Was die Flächen angeht, hat die Gemeinde Haar im ersten Schritt Flächen begutachtet, die ihr selbst gehören, und ist nördlich des Bahngleises fündig geworden: Eine größere Fläche am Höglweg und eine Fläche nordöstlich des Gemeindegebiets unweit der Autobahn A99 würde sich für
erneuerbare Energie eignen.
Photovoltaik in Eglfing
Für die Fläche am Höglweg im Ortsteil Eglfing, gesamt rund 18 Hektar, wäre laut den Recherchen der Gemeinde Haar eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage mit bis zu 22 MWh Leistung denkbar. Mit ihr ließe sich nicht nur viel CO2 einsparen, sondern auch rund 50 Prozent aller Haushalte der Gemeinde mit örtlich produziertem Strom versorgen. Dies würde einen gewaltigen Sprung nach vorne auf dem Weg zur Energieautarkie bedeuten. Nicht zu vergessen: in einer Gemeinde, die vor zwei Jahren per Beschluss des Gemeinderats den Klimanotstand ausgerufen hat. Zudem bleibe auch bei einer Realisierung das Biotop am Höglweg erhalten. Aspekte wie Artenvielfalt oder Bodendenkmäler wurden bereits vor Jahren, als die Gemeinde dort einen Grünzug
andachte, betrachtet und für machbar bewertet.
Windkraft in der Nähe der Autobahn
Zwei mögliche Standorte für Windkraftanlagen habe die Gemeinde ebenfalls bereits ausgemacht. Beide liegen im Nordosten des Gemeindegebiets nahe der Autobahn A99. Eine Fläche gehört der Gemeinde, eine zweite, für Windkraft geeignete, hat diverse Grundstückseigentümer. Je eine Anlage pro Standort sei möglich, pro Anlage ließen sich 7MW Leistung erzielen, die rund 3.000 Haushalte mit Strom versorgen könne. Auch die technische Anbindung sowohl der Photovoltaik-Anlage als auch der Windkraftanlagen wäre per Netzanschluss an das Umspannwerk Aschheim möglich. Dazu müssten auf rund 6km Leitungen verlegt werden, wie die Bayernwerk Netz GmbH der Gemeinde Haar unverbindlich mitgeteilt habe.
Fernwärme für den Süden der Gemeinde Haar
Eine Überraschung für den Gemeinderat hatte Rainer Mendel, Geschäftsführer der Gemeindewerke Haar, in Sachen Fernwärme und Geothermie mit in den Vortrag gebracht, als er das Wort von Bürgermeister Andreas BukowskiBukowski übernahm. So würde sich bereits jetzt eine Fernwärmeleitung vom Blockheizkraftwerk des Bayernwerks in Eglfing in den Süden Haars rechnen. Eine Trassenlänge von rund 1,6 Kilometern und eine „kritische, aber mögliche Trassenquerung“ der Leitung unter der Bahnlinie und der B304 wären erforderlich, um rund 26.000 MWh Absatzpotenzial mit der Fernwärme zu bedienen. Der Clou: Die Rentabilität von einem Kilometer Fernwärmeleitung sei ab einem zu erwartenden Absatz von 1.000 MWh bereits gegeben, rechnete Rainer Mendel vor. Und komme später mal die Geothermie hinzu – die Gemeinde wolle sich in den kommenden Wochen mit der Gemeinde Vaterstetten weiter dazu austauschen – sei die dafür notwendige Fernwärmeleitung in den Ort hinein dann unter Umständen bereits vorhanden. Als möglichen Partner für dieses Projekt brachte Mendel die Bayernwerk Natur GmbH ins Spiel. Diese habe von ihrer Konzernmutter, EON, die Vorgabe, ihre Produkte bis 2030 komplett zu dekarbonisieren.
Rahmenbedingungen gemeinsam festlegen
„Auf dem Weg zu einer nachhaltigen und sicheren Energieversorgung gibt es noch viel zu tun. Wir freuen uns, dass die Gemeinde Haar und Gemeindewerke Haar diese Herausforderungen konkret und sehr ambitioniert angehen und drei Projekte entwickelt haben, um die Energiewende in Haar voranzubringen. Für die Abwägung von Projekten dieser Größenordnungen müssen zu Beginn die wichtigsten
Rahmenbedingungen gemeinsam diskutiert werden. Ein erster Schritt hierfür ist nun in der Gemeinderatssitzung erfolgt“, erklärte Rainer Mendel. Nach den Ausführungen von Bukowski und Mendel folgten zwei Vorträge von externen Experten. Carsten Eckardt (N-Ergie) und Stefan Fusseder
(Vispiron) informierten den Gemeinderat über den Ablauf der von ihnen bereits realisierten Erneuerbare-Energien-Projekte und wiesen auf die eingangs von Bukowski erwähnte Notwendigkeit der Bürgerbeteiligung hin.
Gemeinderat begrüßt Initiative
Die Präsentationen wurden im Anschluss von den Gemeinderäten diskutiert. Man war sich weitestgehend einig, dass die Zeit reif sei für ein Konzept und begrüßte die Initiative der Gemeinde Haar. „Wir treten längst nicht mehr auf der Stelle, sondern schreiten voran“, ermunterte Bukowski die Gemeinderäte und lud sie zu einer konstruktiven Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung ein. Die Fortsetzung folgt bereits in der kommenden Sitzung des Gemeinderats Ende März.
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