Am Mittwochabend wurde es laut vor dem Rathaus. Rund 500 Personen, darunter viele Kinder, waren nach Angaben des Einsatzleiters der Polizei zur Demonstration unter dem Motto „Uns stinkt’s – unsere Kinder brauchen Betreuung“ gekommen. Los ging es an zwei Startpunkten, von denen die Teilnehmer vors Rathaus zogen. Neben den lauten Trillerpfeifen war auch Kindermusik zu hören. Viele Eltern und Kinder hielten selbstangefertigte Plakate in die Luft.
„Keine Aufbewahrung, sondern eine pädagogisch wertvolle Betreuung“, das fordern die Eltern, so Kerstin Lottritz, die auf der Demonstration im Namen der Eltern sprach. Immer wieder könne Eltern nur Notbetreuung angeboten werden, viele Eltern würden erst gar keinen Platz erhalten. Man setze sich für bessere Arbeitsbedingungen ein, etwa die Entlastung des bestehenden Personals. Die Eltern seien am „Rande der Belastbarkeit angekommen“, so Lottritz. Zwar seien Eltern – auch nach der Corona-Krise – „Meister darin, Dinge pragmatisch zu lösen, aber: jetzt können wir nicht mehr“. Die aktuelle Situation belaste Familien, insbesondere auch Mütter. Diese „aus ihrem Beruf zu holen kann keine Option sein“, daher sei die Politik gefordert.
Als wichtiger Teil der Daseinsfürsorge sei die Kinderbetreuung eine wichtige Aufgabe der Kommune. Einen ersten Erfolg habe man bereits erzielt, so Lottritz: am 12. Juni lädt die Gemeinde Träger und Eltern zu einem Runden Tisch ins Rathaus ein. Doch sie machte auch klar: „Wir wollen nicht nur Reden, wir wollen Taten sehen“ – denn „Gute Kinderbetreuung ist für ganz Vaterstetten ein Gewinn”.
Im Anschluss sprach Lorna Stephen vom Verband Kita-Fachkräfte in Bayern, die für einen höheren Personalschlüssel warb. Oft müssten Fachkräfte fachfremde Tätigkeiten wie etwa in der Verpflegung übernehmen. Auch die Etablierung eines Notfallplans sei wichtig, so Stephen.
Dann kam es zum Eklat: Als der erste Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) das Wort ergreifen wollte, um seine Sicht der Dinge zu schildern und auf die Forderungen der Eltern einzugehen – ein Gebot der Fairness, schließlich richtete sich die Kritik gegen Verwaltung und Politik – wurde ihm das zunächst von Kerstin Lorritz untersagt. Stattdessen wurde auf die geplante Interviewrunde der Veranstalter verwiesen, bei der auch die zweite Bürgermeisterin Maria Wirnitzer (SPD) Rede und Antwort stehen sollte. Nach einigem Hin und Her unter den Klängen von „Baby Shark“ wurde Spitzauer dann doch das Wort erteilt.
Spitzauer betonte, dass ihm das Thema „sehr wichtig“ sei, schließlich sei es neben den vielen kleinen Problemen in der Gemeinde ein großes Problem, und „das ist uns durchaus bewusst“. Der Anspruch der Gemeinde sei ein Platz für alle Kinder, dafür baue man etwa das Kinderhaus Sankt Anna für einen zweistelligen Millionenbetrag. Die aktuelle Situation läge nicht alleine in der Hand der Gemeinde, sondern auch in der der Träger, die diese Aufgabe lange Zeit sehr gut gemacht hätten. Nun wolle man am Runden Tisch einrichtungsbezogen Lösungen zur Verbesserung der Situation erarbeiten.
Zur Linderung des Problems, so Spitzauer, sei er auch „zu großem finanziellen Engagement bereit“. Die eingesetzten Finanzmittel müssten aber effektiv zu mehr Betreuungszeiten führen. Erste Ideen gäbe es bereits, etwa die Entlastung der Erzieher durch externe Kräfte. Zur “München-Zulage” für Erzieher führte Spitzauer aus, dass viele Träger in der Gemeinde diese bereits bezahlen, einige lehnten die Zahlung jedoch ab. Gute Pädagogik koste, so Spitzauer, und da seien auch die Eltern in der Pflicht gegebenenfalls höhere Beiträge für die Kinderbetreuung zu bezahlen.
Maria Wirnitzer, die zweite Bürgermeisterin, betonte, dass die Kinderbetreuungssituation nicht nur in der Gemeinde, sondern in der gesamten Region schwierig ist. Dass es den Eltern stinkt, könne sie nachvollziehen. Man müsse „zwingend vorausschauend planen“. Auch sie sieht eine Notwendigkeit im finanziellen Engagement der Gemeinde: „Die Gemeinde wird sich in irgendeiner Weise finanziell beteiligen müssen“. Wirnitzer beklagte, dass ein Antrag ihrer Fraktion zur Kinderbetreuung nicht behandelt wurde, aus formalen Gründen.
Das sei richtig, so Spitzauer, der darauf hinwies, dass ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung fehlte, weshalb der Antrag nicht behandelt wurde. Maßnahmen auch zur Gegenfinanzierung sollen nun am Runden Tisch erarbeitet werden.