Weltuntergang? Fällt aus!

von Eva Bistrick

Jan Hegenberg tauschte Server gegen Sarkasmus: Einst in der IT-Branche zuhause, startete er 2014 seinen Blog „Der Graslutscher“, um mit Witz und Wissenschaft gegen die Mythen des Internets anzuschreiben. Seit 2020 macht er das sogar hauptberuflich – und seine messerscharfen Recherchen zur Energiewende landeten 2022 im Buch „Weltuntergang fällt aus!”, das prompt auf Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste einstieg. Am 28. Mai um 19 Uhr bringt Hegenberg seine Mischung aus Fakten, Humor und Zukunftsoptimismus zu uns nach Vaterstetten und hält auf Einladung des Arbeitskreis Energiewende einen Vortrag in der VHS. Er ist überzeugt: „Wir werden die Klimakrise lösen“. B304.de hat vorab mit ihm gesprochen.

Herr Hegenberg, Sie zerlegen in Ihrem Buch „Klima-Bullshit-Bingo“ gängige Mythen. Welcher dieser „Klimamythen“ begegnet Ihnen persönlich am häufigsten?

Am häufigsten begegnet mir die Behauptung, eine Maßnahme fürs Klima sei unsinnig, wenn diese Maßnahme nicht zu 100% umweltverträglich ist. Ob Lithium in E-Auto-Batterien, Plastikverpackungen von pflanzlichem Steak oder Transport von Wärmepumpen per Containerschiff: Viele Menschen haben große Probleme damit, auch hier das Konzept des kleineren Übels anzuerkennen, das uns sonst bei so gut wie allen gesellschaftlichen Verbesserungen begegnet.

Sie sagen ganz klar: Wir werden die Klimakrise lösen. Was macht Sie so zuversichtlich?

Die Klimakrise lösen wir nur als Marathon, nicht als Sprint. Wir mögen immer wieder Rückschläge sehen, aber die wichtigsten Metriken gehen nach wie vor in die richtige Richtung. Im Jahr 2022 waren 80 Prozent der weltweit zugebauten Kraftwerksleistung Wind- und Solarkraft. 2023 waren es 86 Prozent und 2024 sogar 92 Prozent. Die Frage ist für mich nicht, ob wie die Klimakrise lösen, sondern ob wir nicht den Mut verlieren, das schnell genug zu tun.

Wie begegnen Sie emotionalen Argumenten oder der weitverbreiteten Klimamüdigkeit?

Im Idealfall tatsächlich gar nicht. Emotionen sollten wir ernst nehmen und sie Menschen nicht absprechen, aber sie sollten nicht Treiber unserer Handlungen sein. Die Fakten haben sich seit Gründung von Fridays for Future ja nicht geändert, egal wie leid Menschen sie sind.

Ein zentrales Thema Ihrer Arbeit ist die Energiewende. Wo sehen Sie aktuell die größten Bremsklötze – und wo die entscheidenden Fortschritte?

Die größten Fortschritte sind wohl der stark beschleunigte Zubau von Wind- und Solarkraft, so wie die jetzt einsetzende Ergänzung um große Batteriespeicher. Das offenbart aber auch den größten Bremsklotz: Unsere Märkte und Gesetze sind noch für das alte System gemacht und verhindert oft, dass die neuen Anlagen optimal eingesetzt werden.

Damit das passiert brauchen wir mehr Intelligenz im Netz, also sogenannte Smart Meter, flexible Stromtarife und bidirektionales Laden von E-Autos.

Die Verkehrswende ist für viele Menschen mit persönlichen Einschränkungen verbunden. Wie kann man die Akzeptanz für notwendige Veränderungen erhöhen?

Das Ziel der Verkehrswende ist ja gerade, persönliche Einschränkungen abzubauen. Aktuell leben die meisten Deutschen mit der Einschränkung, entweder das Auto nutzen zu müssen oder viel Zeit zu verlieren bzw. sich Gefahren auszusetzen. Gerade im Alter merken viele Menschen erst, wie abhängig sie vom Auto sind und wie aufgeschmissen sie sind, wenn es als Option ausfällt. Das empfinde als große Einschränkung.

Oft wird diskutiert: Was kann der Einzelne wirklich bewirken? Was sagen Sie denen, die sich machtlos fühlen?

Ich antworte dann gerne „Ich alleine kann sowieso nichts ändern“ sagen jeden Tag Millionen von Menschen. Wenn viele Einzelne das Richtige tun, kann sich sehr viel bewegen. Der Fleischkonsum in Deutschland geht seit Jahren zurück, Carsharing-Angebote werden stark ausgebaut, die Anzahl von Dächern mit Solarmodulen wächst stetig. All das sind die Auswirkungen von vielen Millionen einzelnen Entscheidungen.

Was erwarten Sie sich vom Abend in Vaterstetten? Gibt es Themen, die Ihnen in der Diskussion besonders am Herzen liegen?

Ich erhoffe mir, dass die ohnehin schon Klima-interessierten Menschen ein paar Aha-Effekte erleben, auch wenn sie schon im Thema drin sind und dass es auch Gespräche mit Menschen gibt, die dem Thema skeptisch gegenüberstehen.

Und zum Schluss: Wenn Sie Jugendlichen heute einen einzigen Satz mitgeben dürften – was wäre Ihr motivierender Appell an die nächste Generation? Und was würden Sie gern den „alten Hasen“ sagen?

An die Jugend: Die Menschheit hat jetzt zum ersten Mal die Gelegenheit, sich eine komplett nachhaltige Zukunft aufzubauen, in der Menschen eine hohe Lebensqualität vergönnt ist, und das im Einklang mit der Natur.

An die alten Hasen: Vor 20 Jahren sah eine Lösung der Klimakrise noch weitaus komplizierter aus, denn es gab keine 7-Megawatt-Windkraftanlagen, Solarzellen hatten halb so viel Wirkungsgrad und waren 10 mal teurer, Batterien waren gar nicht in dem Ausmaß denkbar, in dem sie heute eingesetzt werden.