100 lichtdurchflutete Quadratmeter am Schatzbogen 39 in Trudering. Firmensitz der Detektei Walter Fortmühler. Jedes Foto an der Wand erzählt hier eine ganz eigene Geschichte. Aufnahmen mit Peter Maffay, Udo Lindenberg oder Chris de Burgh, das Autogramm von Otto Waalkes oder die persönliche Widmung von Pink – „For Walter“, dann ein Herzchen und „blessings thanx“, verewigt auf einem Foto der US-Sängerin im weißen IKEA-Rahmen Fiskbo. Glanz und Gloria, das war einmal in den 00er Jahren. Lebensabschnitte haben einen Anfang und ein Ende. Heute bewacht Walter Fortmühler keine Promis mehr, sondern die 34 Wertstoffinseln der Gemeinde Vaterstetten. Wir haben den 69-Jährigen besucht.
Reste müssen entsorgt, aus der Welt geschafft werden. Das höchste der Gefühle, das wir den Resten dabei entgegenbringen, ist, sie der Wiederverwertung zuzuführen. Doch das sehen offenbar nicht alle so. Wer ein Auge auf die unerwünschten Nebenwirkungen von Konsum, Produktion, Kultur und Lebensstil werfen will, muss sich dafür nicht extra bei Hempels unters Sofa begeben. Es reicht schon eine der Wertstoffinseln der Gemeinde Vaterstetten anzusteuern, bevorzugt nach Wochenenden oder Feiertagen. Sperrmüll, Elektrogeräte, sogar Restmüllsäcke werden dort illegal entsorgt. Zu gering scheint die Gefahr zu sein, bei unerlaubten Handlungen entdeckt und zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Beim Feldzug gegen die Missstände setzt das Vaterstettener Rathaus, wie auch Ebersberg, Erding oder Poing, seit zwei Jahren auf den früheren Feldjäger bei der Bundeswehr: Walter Fortmühler. Mehrere hundert Stunden pro Jahr liegt der Personen- und Objektschützer im Gemeindegebiet auf der Lauer. Wobei er sich eigentlich gar keine besondere Mühe geben muss, um sich vor den Müllsündern zu verstecken. „Wenn ich mein Auto direkt bei der Wertstoffinsel parke und den Kofferraum aufmache, haben die das Gefühl, ich sei einer von ihnen“, sagt uns der Detektiv, der für seine Dienste einen niedrigen fünfstelligen Betrag im Jahr kassiert. Die meisten Müllsünder hätten kein Unrechtsbewusstsein.
Wenn jemand beispielsweise beidhändig einen schweren Sack zum Papier- oder Plastikcontainer schleppt, dann stimmt was nicht und Fortmühler wird aktiv. Unaufgeregt holt er seine schwarze Kamera aus der Mittelkonsole, dokumentiert damit die Täter bei der illegalen Entsorgung und das Kfz-Kennzeichen, anschließend übergibt er die Aufnahmen dem Rathaus. Dort habe übrigens auch manch Amts- und Würdenträger nicht schlecht gestaunt, als er sich selbst auf den Beweis-Fotos wiedererkannt habe. Namen verrät uns Fortmühler leider nicht.
Mit der Übergabe der Fotos an die Gemeinde ist für den groß gewachsenen Mülldetektiv der Fall erledigt, die Aufzeichnungen werden anschließend von ihm umgehend datenschutzkonform vernichtet. Datenschutz ist ihm heilig – genauso wie seine Zertifizierung als klimaneutrales Unternehmen. Zur Fortmühler Group gehören auch eine Inkasso Firma und der Sicherheitsdienst ForSec Security. „Ich mache einfach, was mir Spaß macht“, sagt der Tausendsassa, der auch schon untreue Ehemänner observiert hat, und strahlt zufrieden. Man spürt, dass Fortmühler im Sinne von Recht und Ordnung gerne auch einmal aneckt.
Müllsünder auf frischer Tat zu ertappen, bereitet ihm eine diebische Freude. Das spürt man, wenn man mit ihm spricht. Auch, wenn ihm die Bußgelder – zwischen 20 und 60 Euro – deutlich zu gering sind. Nur in einem besonders schweren Fall seien es ein Mal knapp 3.000 Euro Strafe gewesen.
Fortmühler geht es weniger darum, ob jemand Braunglas in den Weißglascontainer wirft, sondern um echte Müllsünden wie die illegale Entsorgung von Essensresten, Kanistern mit Altöl oder Farbeimer mit Rückständen. Für derart asoziales Verhalten fehlt ihm jegliches Verständnis. Denn letztlich zahle die Allgemeinheit die Zeche für einige wenige, die sich nicht an die Regeln halten. Dazu gehört auch das Entsorgen außerhalb der erlaubten Zeiten (werktags von 7 bis 20 Uhr). Anwohner hätten, wie alle anderen Bürger auch, ein Recht auf etwas Ruhe.
Zahlen aus Poing belegen, dass die illegale Müllentsorgung durch den Einsatz des umtriebigen Detektivs Jahr für Jahr abgenommen hat. Man sollte allerdings einen langen Atem haben. Diese Entwicklung setzt nicht über Nacht ein, die Maßnahme muss sich erst einmal herumsprechen.
Walter Fortmühler hat in seinem Leben viel erlebt, das würde den Rahmen sprengen, auch in den Jahren als Mülldetektiv. Neben Beschimpfungen auch Bürger, die ihm für seinen Job im Sinne der Sauberkeit danken. Und dann gibt es auch berührende Momente, etwa wenn wieder einmal ein Flaschensammler in stoischer Ruhe in den Containern nach Pfandflaschen sucht, um über die Runden zu kommen. Dass ältere Menschen dazu gezwungen seien, ist für Fortmühler in Gemeinden wie Vaterstetten ein Skandal. Und er kennt jeden einzelnen Flaschensammler und dessen Geschichte persönlich. Man merkt, dass ihn das menschlich berührt.