Sherriff in der Gockelranch

von Catrin Guntersdorfer

Helmut Poser war fast 20 Jahre der Mann hinter dem Tresen in der „Gockelranch“ – der legend.ren Kneipe in der Haydnstraße. Der heute 83-Jährige ist ein wahres Vaterstettener Urgestein und vielen auch als Freizeit-Sheriff in verschiedenen Westernclubs bekannt.

„Wenn ich ehrlich bin, ist mein Leben ein ganz schön gschlampertes Durcheinander“, fängt Helmut Poser lachend an zu berichten, wenn man sich nach seinem Werdegang erkundigt. Als echtes Münchner Kindl 1939 in Schwabing geboren, kam er 1943 mit seiner alleinerziehenden Mutter nach Vaterstetten, nachdem ihr Wohnhaus in der Landeshauptstadt ausgebombt worden war. „Ich hab’ hier eine sehr schöne und lustige Kindheit verbracht und wir haben mit den Amis, die hier im Ort waren, viel erlebt.“ Vielleicht stammt aus dieser Zeit auch Helmut Posers Liebe zu Amerika, dem Wilden Westen und den Cowboys. „Ich habe als Kind schon die Heftl mit Cowboy-Geschichten geliebt, von Billy the Kid und Pat Garrett.“ Helmut, den meisten als Helli bekannt, wird Mitglied im Münchner „Western Club Arizona“, später beim Vaterstettener Westernclub ALAMO. Der bekannte Revolvermann King Fisher ist noch heute sein Idol – auch eine Band, die der Texas-Fan mitgründete, trägt dessen Namen.

Die harte Schule

Gelernt hat Helmut Poser das Kunstschmiedehandwerk in der Werkstatt seines Stiefvaters. „Die Lehre bei ihm war kein Zuckerschlecken. Er galt im ganzen Landkreis als ‚Lehrbuaschinder‘. Ich bin öfter mal abgehauen, wollte auf einem Schiff anheuern und nach Amerika auswandern“, erinnert sich der 83-Jährige. Aus diesen Plänen wurde jedoch nichts, da man zu dieser Zeit unter 21 Jahren noch die Unterschrift der Eltern benötigte. Auf seine Arbeiten, die während seiner Lehrzeit entstanden, blickt er dennoch mit Stolz zurück: „Das Tor vom alten Faltermeyer, dem Opa vom Harold, an dem man auf der B304 am Mozartring immer vorbeifährt, das hab‘ ich gemacht. Jedes einzelne Blatt, jede Rose ist ein Unikat!“ Nachdem er beim „Barras“ (Wehrpflicht) Fallschirmspringer war, tingelte Poser einige Jahre als Fernfahrer durch ganz Deutschland, bis er schließlich den Betrieb seines Vaters in der Friedenstraße in Vaterstetten übernahm, in dem heute auch sein Sohn in dritter Generation tätig ist.

Vom Stammgast zum Pächter

Hellis Stammkneipe war in Vaterstetten stets die „Gockelranch“, die früher „Luis Pilspub“ und auch „Haydnstüberl“ hieß – eine Bar, die es seit 1964 mitten im Wohngebiet gab und die seit jeher den Charme eines gemütlichen Wohnzimmers versprühte. 1999 wurde er schließlich selbst Pächter. „Das war wirklich eine sehr schöne Zeit mit lauter netten Gästen. Jung und Alt sind zu mir gekommen. Auch Abi-Feiern gab es hier“, weiß Helli zu erzählen. „Schon ab 18 Uhr haben die Leute gewartet, dass ich endlich aufsperre.“ In der heimeligen Kneipe, in der sich nach seiner Übernahme schnell Hellis Liebe zu Cowboys und Texas in der Deko widerspiegelte, fühlte sich Ende der 80er Jahre auch der Sänger und Schauspieler Roy Black wohl, als er eine Weile in Vaterstetten wohnte. Helmut Poser lernte ihn hier kennen. „Das war ein netter Kerl, der aber große Probleme mit den Finanzen und seiner Frau hatte. Er hat zu viel getrunken – auch hier in der Kneipe“, erinnert sich Poser an diese Zeit zurück. Ein Treffen blieb ihm besonders in Erinnerung: „Ich bin eigentlich ein wilder Hund und mich bringt so schnell nichts aus der Fassung. Aber als Roy Black zu mir gesagt hat: ‚Helmut, ich möcht‘ gern so stark sein wie du’, hat mich das schon berührt. Auf dieses Kompliment bin ich wirklich stolz.“ Einige Male hat Helli den Sänger in seiner Fischerhütte in der Nähe von Wasserburg besucht. „Seine Zerrissenheit hat man ihm immer angemerkt. Ich kann mir aberauch vorstellen, dass es nicht einfach ist, berühmt zu sein, so dass einem die Weiber dauernd hinterherlaufen.“ Selbst hat sich Poser, wie er mit seinen eigenen Worten sagt „die Frauen stets vom Leib gehalten. Das hat aber nicht immer geklappt“, fügt er grinsend hinzu.

„Ich möcht’ nicht tauschen“

Seiner Zeit in der Gockelranch trauert Helmut Poser rückblickend nicht hinterher. „Mit den ganzen Auflagen, die wir im Lauf der Jahre bekommen haben, hat es am Ende keinen Spaß mehr gemacht“, resümiert der ehemalige Wirt. „Das war ein richtiges Theater, die Gäste rechtzeitig vor der Sperrstunde rauszuschmeißen und keinen Ärger mit der Polizei zu bekommen.“ 2017 wurde schließlich das letzte Bier in der „Gockelranch“ ausgeschenkt, bevor das Gebäude endgültig abgerissen wurde. „Ich träume natürlich schon noch hin und wieder von der damaligen Zeit, auch von meiner Jugendzeit, die einfach schön war. Tauschen möcht’ ich jedoch nicht mit den jungen Leuten von heute. Wenn man ihnen erzählt, was wir alles gemacht und angestellt haben – das glauben die einem ja gar nicht.“

Heute wohnt Poser mit seiner zweiten Frau Claudia, die er vor vier Jahren geheiratet hat, noch immer neben der „Ältesten Schlosserei“ Vaterstettens (seit 1889), wie es stolz auf einem Schild an der Eingangstüre steht. Hier verrichtet er kleine Kunstschmiedearbeiten und geht einem seiner weiteren Hobbys nach. „Ich schraub und bastel gerne an meinem Auto aus den 50er Jahren rum.“ Das ist – wie könnte es anders sein – ein alter Jeep aus Amerika.