Plötzlich allein?

von Markus Bistrick

Melitta Schubert und Jürgen vom Scheidt haben vor einigen Jahren ihren geliebten Ehepartner verloren, jeweils nach langer Krankheit. Die beiden Vaterstettener kennen die plötzliche Leere, die quälende Stille in den eigenen vier Wänden, die Einsamkeit und das Gefühl der Isolation. Obwohl Wohnung und Haus von Melitta und Jürgen jahrelang nur eine Straße trennte, haben sie sich erstmals bei der „Plötzlich allein, was nun?“-Gruppe getroffen und letztlich lieben gelernt. Heute wollen sie anderen Gemeindebürgern helfen, die wie sie mit dem Verlust eines geliebten Menschen klarkommen müssen.

Trauer ist ein sehr individueller Prozess. Doch es gibt auch viele Gemeinsamkeiten. Stirbt der Partner, macht sich bei den meisten Hinterbliebenen Fassungslosigkeit und emotionale Leere breit. Nach Jahrzehnten des gemeinsamen Weges steht man plötzlich allein da. Es fällt schwer, den Verlust als Realität anzuerkennen. Viele empfinden Wut und Groll. Die einen sind wütend auf sich selbst oder auf den Verstorbenen. Andere suchen die „Schuld“ bei Ärzten. Dazu kommen quälende Fragen wie „Warum ich?“ oder „Warum musste sie/er sterben? Es hätte doch auch andere treffen können.“ Das macht den Umgang mit anderen Paaren nicht einfacher. Und so ziehen sich Betroffene nicht selten aus der Gesellschaft zurück, wollen weder Freunde noch die eigenen Kinder sehen. Umso wichtiger ist es in diesen Momenten, Menschen zu treffen, die das gleiche Schicksal teilen.

Bei einem Kaffee reden, einen gemeinsamen Ausflug unternehmen oder einfach nur zusammen schweigen. Dafür gibt es seit vielen Jahren in den Gemeinden Grasbrunn und Vaterstetten die „Plötzlich allein“-Gruppe, die seit vergangenem Jahr ehrenamtlich von Melitta Schubert und Jürgen vom Scheidt geleitet wird. Den beiden geht es nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern tatsächlich ganz altruistisch darum, Hinterbliebenen in ihrer Trauer eine Anlaufstelle zu bieten. So wie es den zweien einst selbst geholfen hat, mit ihrem neuen Lebensabschnitt klarzukommen.

Melitta, kinderlos, erfolgreiche Controllerin an der Universität. Jürgen vom Scheidt, dreifacher Familienvater, promovierter Plasma-Physiker und maßgeblich an der Entwicklung von Xenon-Scheinwerfern beteiligt, ein international gefragter Manager bei Osram. Neben den ganz normalen Höhen und Tiefen leben die Schuberts und die vom Scheidts ein Leben wie aus dem Bilderbuch. Bis die Krebs-Diagnose bei ihren Partnern ihr Leben grundlegend verändert. Beide geben ihre Jobs auf, sie wollen die verbleibende Zeit gemeinsam verbringen und den geliebten Menschen aufopferungsvoll pflegen. Jahrelang geht das so. Zeit, um Freunde zu treffen, bleibt da irgendwann keine mehr. Soziale Kontakte, eigene Bedürfnisse, Hobbys verkümmern. Und dann ist man plötzlich allein.

Mit der Trauer eben nicht alleine sein, das ist das Anliegen der „Plötzlich allein, was nun?“-Gruppe. Denn es gibt viele Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen. Denen zu begegnen hilft. Übrigens ganz unabhängig vom Alter. Und auch wenn es für die meisten Menschen, die ihren Partner, ein Kind oder einen Elternteil verloren haben, schwer vorstellbar ist, aber auch nach einem großen Verlust ist ein erfülltes Leben möglich. Melitta Schubert und Jürgen vom Scheidt machen es vor. Sie haben ihren Weg zurück ins Leben gefunden und halten jetzt gemeinsam die Erinnerungen an ihre verstorbenen Partner lebendig.

Kontakt „Plötzlich allein, was nun?“-Gruppe: Melitta Schubert, Telefon 08106 / 33 824, melitta.schubert@t-online.de